Deutschland Schuldenpolitik ist keine Zukunftspolitik

Symbolische Schuldscheine sind zu einem

Die Grünen wollen Schulden für den Klimaschutz von den Defizitregeln ausnehmen. Die Schuldengrenze würde damit aufgeweicht. Das ist politische Realitätsverweigerung. Ein Gastbeitrag.

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Die Grünen fordern ein 500-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm. Wie dieses finanziert werden soll, ist auch schon absehbar: über neue Schulden. Sie fordern deshalb eine Aufweichung der Schuldenbremse, oder wie die Grünen es etwas verschämt formulieren, deren Erweiterung um „eine Investitionspflicht in den Zusammenhalt und den Klimaschutz unseres Landes.“ Das klingt erst einmal gut, im Klartext ist die Investitionspflicht aber eine weitere Ausnahmeregel von der Schuldenbremse und damit eine Aufweichung. Ausgaben für „Investitionen in den Zusammenhalt und den Klimaschutz“ dürften sich in der politischen Praxis kaum abgrenzen lassen. Das ist es, was die Grünen auch wollen: die Schuldenbremse faktisch abschaffen. Sie wird von ihnen vor allem als Bremse bei der Realisierung vieler schöner Ideen gesehen, die allesamt viel kosten, aber eher zulasten der Wirtschaft gehen, statt sie zu stärken. Grüne Politik schafft keinen Wohlstand, sie kostet Wohlstand.

Bürden für die kommende Generation

Die Abschaffung der Schuldenbremse ist kein Beleg der Zukunftsfähigkeit grüner Politik, sie ist ein Beleg für Realitätsverweigerung. Deutschland befindet sich im demographischen Wandel. Immer mehr Menschen beziehen Leistungen, die von immer weniger Menschen erwirtschaftet werden müssen. Dieser Trend wird über längere Zeit andauern. Zu dem sich verschlechternden Verhältnis zwischen denen, die Beiträge zahlen, und jenen, die Leistungen beziehen, kommen steigende Kosten für Gesundheit und Pflege, die sich in einer älter werdenden Gesellschaft kaum vermeiden lassen. Die Grünen bürden der künftigen Generation erhebliche Lasten auf: Sie soll alte Schulden bedienen, höhere Steuern und Abgaben zahlen, um mehr Sozialleistungen zu finanzieren, die ihnen selbst in diesem Umfang später nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Verteilungsdebatten und -konflikte sind damit vorprogrammiert und es ist absehbar, dass die grüne Schuldenpolitik zu einem Stresstest für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft werden würde.

Die grüne Schuldenpolitik folgt einem sehr zweifelhaften und leicht arroganten Denkansatz. Sie sind überzeugt zu wissen, dass die Ausgaben, die aus ihrer Sicht heute wichtig sind, vordringlicher sind, als die Anliegen künftiger Generation. Nichts anderes ist es, wenn sie heute Geld ausgeben wollen und diese Ausgaben zulasten künftiger Generationen finanzieren wollen. Die Freien Demokraten kommen hier zu einem anderen Ergebnis. Ja, die Herausforderungen heute sind groß, aber genauso gut kann es sein, dass die der kommenden Generation noch größer sind. Wir denken nicht nur an unsere Chancen, wir denken auch an die kommender Generationen.

Der Mechanismus der Schuldenbremse funktioniert - aber nur, wenn man ihn ernst nimmt

Die Freien Demokraten stehen zur Schuldenbremse, diese ist flexibel genug, um Investitionen zu ermöglichen und sorgt doch dafür, dass die Schulden unter normalen Umständen reduziert werden. Der Schuldenabbau der letzten Jahre hat gezeigt, dass der Mechanismus funktioniert und dass eine geringere Staatsverschuldung dem Staat, der gegenwärtigen und der künftigen Generationen Handlungsspielräume lässt. Nicht zu Unrecht ist in der Rentenpolitik oft von Generationenvertrag die Rede. Das heißt, dass eine Generation für die andere einsteht und dafür sorgt, dass durch ihr Verhalten die Perspektiven der künftigen Generationen nicht unnötig eingeschränkt werden. Die Schuldenbremse ist ein finanzpolitischer Generationenvertrag, den die Grünen mit großem Elan brechen wollen.



Neue Schulden, die heute gemacht werden, müssen in Zukunft von deutlich weniger Menschen zurückbezahlt werden. Das grüne 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket ist ein 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket zulasten der jüngeren Generation. Sicherheitshalber haben die Grünen in ihrem Programm schon einmal festgeschrieben, dass „Wohlstand sich nicht allein durch materiellen Reichtum, sondern Lebensqualität definiert.“ Dass die Menschen sich bei Wohlstandsverlusten tatsächlich wohler fühlen, ist aber eine mehr als gewagte These. Schließlich finanzieren wir beispielsweise unser Gesundheitssystem mit unserem wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb setzen die Freien Demokraten auch auf eine Wirtschaftspolitik, die Innovationen und damit künftiges Wachstum begünstigt. Nur eine Wirtschaft, die wächst, wird in der Lage sein, den jungen Menschen die Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, die sie in die Lage versetzen, die steigenden Lasten zu tragen und trotzdem noch eigene Perspektiven zu entwickeln. Die Grünen gestehen mittlerweile zu, dass „Wirtschaftswachstum ist nicht per se das Problem, der damit einhergehende Verbrauch natürlicher Ressourcen schon.“

Weit entfernt von einer positiven Wachstumsdefinition

Es ist für die Grünen eine beachtliche Weiterentwicklung von der Wachstumskritik hin zur Wachstumstoleranz. Von einer positiven Wachstumsdefinition, die anerkennt, dass Innovation und Wohlstand einen Beitrag leisten können, um uns bei der Bewältigung der Herausforderung der Zukunft zu unterstützen, sind sie aber nach wie vor weit entfernt. Der Schwerpunkt der grünen Politik liegt auf der Frage, was geben wir wofür aus, aber nicht auf der, wie finanzieren oder erwirtschaften wir es. Bei ihrer programmatischen Abrechnung mit der Schuldenbremse haben die Grünen auch übersehen, dass die soliden Staatsfinanzen in der Corona-Pandemie die Voraussetzung dafür waren, dass der deutsche Staat den Unternehmen in weit stärkerem Maße helfen konnte, als dies in stärker verschuldeten Ländern, wie Italien, Spanien oder Griechenland der Fall war. Die Schuldenbremse ist darüber hinaus ein Stabilitätsfaktor für Europa. Solange Deutschland solide wirtschaftet, ist der Euro eine stabile und vertrauenswürdige Währung.


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Die Schuldenbremse trägt so indirekt dazu bei, die Zinsbelastungen für stärker verschuldete Länder zu reduzieren. Eine Aufweichung oder gar Abschaffung der Schuldenbremse wäre geradezu ein Reanimationsprogramm für die Eurokrise. Und es ist fraglich, ob die Finanzmärkte sich von einem grünen Programm beeindrucken ließen, in dem kurzerhand festgeschrieben steht, dass „um den Euro zu stärken, Staatsanleihen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten eine absolut sichere Geldanlage darstellen müssen.“ Mit Blick auf die grünen Schuldenpläne dürfte das mehr Wunschdenken als ein realistisches Szenario sein. Die Grünen waren einmal die Partei der Nachhaltigkeit, allerdings haben sie den Begriff stets in der ökologischen Nische belassen. In sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischer Hinsicht ist ihr Programm vor allem konsum- und ausgabenorientiert, aber nicht wirklich nachhaltig, schon gar nicht, wenn es um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft oder der Eurozone geht. Schulden schaffen keine Zukunft. Sie vernichten Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten für künftige Generationen. Nichts davon kann Deutschland gebrauchen.“

Mehr zum Thema: Der Stabilitätsrat soll das Haushaltsgebaren von Bund und Ländern kontrollieren. Trotz Rekordschulden durch die Coronakrise gibt er sich entspannt. Wie kann das sein?

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