Deutschlands drittsicherste Stadt Was wir von Oberhausen lernen können

Oberhausen Quelle: imago images

München und Augsburg sind die sichersten Städte im Land. Doch der dritte Platz geht nicht nach Bayern, sondern ins Ruhrgebiet. Was Deutschland von Oberhausen lernen kann.

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Ohne die vielen Einbrecher, die über Jahre Oberhausen heimgesucht haben, stünden die vier Ordnungshüter heute nicht so Freude strahlend am Hauptbahnhof. Zwei Polizisten und zwei Kräfte vom kommunalen Ordnungsdienst sind mit einigen Passanten im Gespräch. „Mobile Wache“ steht auf ihrem VW-Bus. Hier kann jeder Bürger an fünf Tagen pro Woche aufschlagen, Fragen stellen und Hinweise geben, wenn er oder sie etwas beobachtet hat.

Die Passanten informieren sich wegen einer Demo, die später noch durch die Stadt zieht, Alltagsgeschäft der Polizei eben. Es wird gelacht und Späße gemacht. Die Polizei, dein Freund und Helfer – das alte Motto soll hier wieder aufleben. „Wir wollen an kritischen Punkten in der Stadt Präsenz zeigen“, sagt Ingolf Möhring, Polizeipräsident von Oberhausen. Die mobile Wache ist eine direkte Reaktion auf eine Einbruchsserie, die vor über fünf Jahren begann und erst seit zwei Jahren wieder rückläufig ist. Bürger und Polizei im direkten und permanenten Gespräch – das ist der Gedanke, den hier alle „Oberhausener Konzept“ nennen.

In ganz Deutschland stiegen über Jahre die Einbruchszahlen dramatisch an. Über 150.000 wurden im Jahr 2016 gemeldet, vor zehn Jahren waren es etwas mehr als 100.000. Diese Entwicklung geht nach Polizeierkenntnissen vor allem auf ost- und südeuropäische Banden zurück, die sich Deutschland gezielt ausgesucht hatten. Auch Oberhausen blieb davon nicht verschont. Verzeichnete die Polizei im Jahr 2013 noch fast 1000 Einbrüche, waren es letztes Jahr noch etwa 500, von denen fast die Hälfte aufgrund gut gesicherter Fenster und Türen oder wachsamer Nachbarn scheiterte. Bedeutet: Die Zahl der Einbrüche wurde in knapp fünf Jahren halbiert.

von Niklas Hoyer, Fulya Çayir, Martin Gerth, Matthias Kamp

Das schlägt sich auch in der bundesweiten Kriminalstatistik nieder, die einmal im Jahr vom Bundeskriminalamt herausgegeben wird. Demnach ist Oberhausen heute die drittsicherste Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern in ganz Deutschland. Auf 100.000 Einwohner kamen hier im Jahr 2016 etwas mehr als 8.200 Straftaten. Nur in München und Augsburg sind es noch weniger.

Polizei und Politik sind mächtig stolz auf das Erreichte. „Wir mussten den Bürgern aber erstmal erklären, dass es völlig in Ordnung ist bei der Polizei anzurufen“, sagt Polizeipräsident Mohring. Viele hatten Angst, sie müssten einen Einsatz bezahlen, falls ihr Hinweis sich als falsch herausstellt. Nur ist Oberhausen auf wachsame Bürger angewiesen. Denn wie die meisten deutschen Städte muss auch Oberhausen mit immer weniger Personal auskommen. Mohring nennt diesen Stellenabbau einen „politischen Fehler“.

Die Politik steuert mittlerweile um. 2300 Polizeianwärter wurden in ganz Nordrhein-Westfalen letztes Jahr eingestellt, 7000 sollen es in den nächsten Jahren sein. Eine mögliche neue große Koalition will gemeinsam mit den Ländern 15.000 neue Stellen bei der Polizei schaffen.

Da die Polizei aber auch künftig nicht überall sein kann, sollen die Bürger wachsam sein und sich bei jedem noch so kleinen Verdacht melden – zumindest in Oberhausen. In den vergangenen Jahren sei so ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Polizei entstanden. In einer Stadt wie Oberhausen mit 210.000 Einwohnern, gibt Polizeipräsident Möhring gerne zu, ist allerdings deutlich einfacher zu realisieren als in Köln oder Duisburg.

Und der Erfolg hat auch Kehrseiten. Zwar sind die Einbruchszahlen zurückgegangen. Im Gegenzug geht aber beispielsweise der Zahl der Diebstähle und Raubdelikte nach oben. Hinzu kommen neue Aufgaben wie Terrorismusbekämpfung und Cybercrime. Daniel Schranz (CDU), Oberbürgermeister in Oberhausen, warnt deswegen: „Die Sicherheitslage ist gerade gut. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen.“

 

So wie es in Oberhausen gelingt, innere Sicherheit mit bescheidenen Mitteln fortschrittlich zu organisieren, gelingt in anderen Regionen beispielsweise gute Pflege oder moderner Wohnungsbau. Dort erhalten alle Kinder Bildungschancen und die Versorgung mit Glasfaser ist längst Realität.  Lesen Sie unseren Report zur „Besserrepublik Deutschland“ in der aktuellen WirtschaftsWoche.

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