Deutschlands Geldadel Wie die Reichen ticken

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Bewerten wir den Wert des Geldes über?

So scheint die Politik auf gutem Wege, riesige Geschütze gegen eine relativ kleine Gruppe aufzufahren – die der Reichen und Superreichen. Dass diese sich öffentlich nur langsam aus der Deckung traut und ihre Interessen artikuliert, leistet dem noch Vorschub. Ist es womöglich an der Zeit, die Frage einmal umzudrehen: Fühlen sich "die da oben" am Ende wirklich stigmatisiert?

"Eindeutig ja", sagt Nicolas von Rosty, Deutschlandchef der Personalberatung Spencer Stuart, als er in seinem Dachbüro über der Münchner Leopoldstraße empfängt. "Deshalb redet hier auch keiner über Geld. Das ist ein absolutes Tabu. Man hat Angst vor der Reaktion der Öffentlichkeit." Er kenne ja viele Reiche – als Kunden, aber auch als Freunde. Reich ist für ihn, wer drei Millionen Euro auf dem Konto hat, liquide Mittel, jederzeit verfügbar. Wer es soweit geschafft habe, meint von Rosty, für den sei Geld nur mehr ein reiner Katalysator, etwas, das man der Gesellschaft irgendwann irgendwie wieder zurückgäbe – durch Arbeitsplätze, Ausgaben des Unternehmens, auch durch Spenden und Stiftungen.

Niemand habe ja sein ganzes Geld einfach auf dem Konto liegen. Es werde ständig reinvestiert, gebunden, auch verprasst. Das aber sei vielen Menschen gar nicht bewusst. Deshalb seien Reiche zum Lieblingsziel der Medien und Politiker geworden, zu einer "bedrohten Minderheit", die es nicht wage über Geld offen zu reden.

Von Rosty redet über Geld. Jeden Tag. Gerade kommt er von einem Klienten, einem Reichen natürlich, für den er eine Führungskraft suchen soll. Das Salär, meint er, spiele bei solchen Funktionen oft kaum noch eine Rolle. Vielmehr gehe es um die Herausforderung des Jobs, die "Erfolgsstory", die ein Bewerber mit dem Unternehmen schreiben könne, die "Incentives". Schon früher bei Siemens war von Rosty für dieses Thema zuständig. Dabei hat er eines gelernt: Je höher die Position, desto unwichtiger das Gehalt. Am Ende sei es vor allem ein "Hygienefaktor", mit dem das Unternehmen den Wert eines Managers unterstreiche. Etwas Schlimmes kann er daran nicht finden.

Andererseits: einen angestellten Manager, der freiwillig auf ein unverschämt hohes Gehalt verzichtet hat, hat von Rosty in seinen vielen Jahren auch noch nicht getroffen.

"Eigentum verpflichtet zur Verantwortung"

Verstehen wir also vielleicht die Vermögenden einfach nur falsch? Bewerten wir den Wert des Geldes über – während es für die Reichen gar keine so große Rolle mehr spielt?

Wer sich mit Michael Prinz zu Sachsen-Weimar darüber unterhält, der hört von Neid nicht viel. Aber von Missgunst. Der Prinz, ein freundlicher Zeitgenosse, der auch mit 70 noch unermüdlich im Minutentakt E-Mails beantwortet, telefoniert und konferiert, ist Unternehmer, 40 bis 50 Millionen Euro schwer, bewirtschaftet Ländereien und vor allem die Wälder der Familie, eben jenes Gebiet in Ostdeutschland, das ihnen durch so viele Kriege und Diktaturen immer wieder streitig gemacht wurde. Die Missgunst, sagt er, resultiere meist aus Unwissenheit seiner Mitmenschen. "Die glauben etwa, dass ich mit dem Holzeinschlag in meinem Forstbetrieb Gold schürfe. Dabei erbringe ich damit eine erhebliche Leistung für die Umwelt."

Eigentlich, meint der Fürst, gebe es doch zu Neid wenig Anlass. Es gehe gerecht zu in Deutschland, Bildungsmöglichkeiten seien für jeden verfügbar, ökonomisch habe jeder die Chance auf Teilhabe. Aber "natürlich ist das auch eine philosophische Frage: es gibt nun mal keine Gleichartigkeit zwischen den Menschen. Manche werden mit körperlichen Nachteilen geboren, andere mit sportlichem Talent. Insofern ist die Ungleichheit in den Menschen angelegt." Ob der Staat das korrigieren kann? Prinz Michael vertraut da lieber auf die Reichen selbst. Ein Drittel seiner Zeit, rechnet er vor, verbringt er mit wohltätigen Aufgaben, ist in drei Stiftungen aktiv, spendet Geld. "Eigentum verpflichtet zur Verantwortung", sagt der Prinz.

Am Ende eines erfolgreichen Daseins müsse man zurückgeben. "Wenn sich jeder, der über 65 ist ehrenamtlich engagieren würde, mit Rat, Tat und Geld, dann gäbe es wesentlich weniger sozialen Sprengstoff und weniger Notwendigkeit für den Staat, Missstände durch Gesetze zu regulieren."

Dem würde wohl auch Reichenforscher Lauterbach zustimmen. Nach seinen vielen Gesprächen und Studien steht für ihn jedenfalls eines fest: "An Reichtum ist gar nichts schlecht. Nur werden Nutzen und Innovationskraft von Reichtum bei uns oftmals sehr, sehr wenig beleuchtet."

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