Deutschlands neuer Verteidigungsminister „Aus den üblichen 100 Tagen werden bei Pistorius weniger als 24 Stunden“

Der neue Ibuk: Als Verteidigungsminister ist Boris Pistorius auch der so genannte Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (Ibuk). Der bisherige niedersächsische SPD-Innenminister tritt am Donnerstag sein neues Amt an und folgt damit auf Christine Lambrecht (SPD).  Quelle: dpa

Liefert der neue Verteidigungsminister den Leopard – und sogar noch mehr? Die FDP-Spitzenpolitiker Marie-Agnes Strack Zimmermann und Johannes Vogel über Panzer, Parität und die richtigen Befehle.     

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WirtschaftsWoche: Frau Strack-Zimmermann, Herr Vogel, Deutschland hat mit Boris Pistorius einen neuen Verteidigungsminister. Ist er der richtige Mann für die Zeitenwende?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Boris Pistorius ist eine überraschende Personalie, die ich aber in mehrfacher Hinsicht begrüße. Er hat sich fachlich bereits intensiv mit dem Thema Sicherheit beschäftigt und kennt die Bedürfnisse der Menschen, die Sicherheit garantieren. Dazu ist er Kaufmann, das ist nicht schlecht, wenn man ein Sondervermögen von 100 Milliarden ausgeben muss. Und er ist Jurist, was hilfreich sein kann mit Blick auf die Reform des Beschaffungswesens. 

Na ja, auch Frau Lambrecht ist auch Juristin und hat trotzdem nicht reüssiert.
Johannes Vogel: Wichtiger als Staatsexamen ist jetzt ohnehin, was Boris Pistorius für die Ukraine und für die Truppe erreichen kann – und vor allem erreichen will.

Viel Zeit zum Einarbeiten hat er nicht, keine 24 Stunden nach seiner Ernennung muss Boris Pistorius Deutschland auf der Ramstein-Konferenz vertreten. 
Strack-Zimmermann: Es gibt keine Schonfrist für Boris Pistorius – schon gar nicht in Zeiten der Zeitenwende. Aus den üblichen 100 Tagen werden weniger als 24 Stunden – und verstecken kann er sich in Ramstein nicht. Wir erwarten, dass er ein klares Signal für die weitere Unterstützung der Ukraine setzt.

Zu den Personen

Der Kanzler wird von seinem neuen Verteidigungsminister aber zuallererst Loyalität erwarten – und seine Strategie war mit Blick auf Waffenlieferungen bisher geprägt von Zaudern und nicht von Zackigkeit. Wird Boris Pistorius diesen Kurs fortsetzen?
Strack-Zimmermann: Nein, Boris Pistorius darf kein Zauderer sein. Es ist richtig, wenn der Kanzler von einer Zeitenwende spricht. Aber fast zwölf Monate nach Kriegsbeginn muss Deutschland jetzt mal vor die Lage kommen. Sicher wird Herr Pistorius gegenüber dem Kanzler loyal sein, sonst wäre er nicht an den Kabinettstisch geholt worden. Deutschland muss aber deutlich stärker als bisher eine Führungsrolle einnehmen, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht. Pistorius muss beweisen, dass er das kann.  

Aber Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er auf Konfrontation mit dem Kanzler gehen wird?
Vogel: Die Entscheidung für die Marder-Lieferung ist doch bereits ein entscheidender Schritt nach vorne. Wir alle haben die jüngsten Bilder von dem brutalen Raketenangriff auf Dnipro gesehen. Nun sollten auf die Marder auch Leoparden folgen.



Das wurde im Kanzleramt bisher offensichtlich anders gesehen.
Vogel: Es gibt nur ein Szenario, das moralisch und sicherheitspolitisch überzeugt: Die Ukraine muss den Krieg um ihr Territorium gewinnen. Und je stärker wir die Ukraine unterstützen, umso schneller wird der Krieg enden. Es ist absolut richtig, dass wir uns dabei eng mit unseren internationalen Partnern in Europa und den USA abstimmen, aber Boris Pistorius sollte Deutschland dabei vom Getriebenen zum Treiber machen.

Sie sind also zuversichtlich, dass Deutschland Kampfpanzer liefern wird?
Vogel: Wir haben in den letzten Wochen gesehen, dass erhebliche Bewegung möglich ist – auch im Kanzleramt. Ich setze darauf, dass Pistorius dazu schon in Ramstein mit den Partnern Weiteres auf den Weg bringen wird. 

Johannes Vogel (FDP) Quelle: imago images

Strack-Zimmermann: Boris Pistorius ist als Verteidigungsminister der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, er kann also nicht bei jedem strittigen Thema erstmal einen Stuhlkreis aufbauen und alles durchdiskutieren. Wenn er zügig Erfolg haben will, muss er auch Befehle erteilen.

Befehle ins Leere hinein bringen jedoch wenig, bei vielen Geräten steht die Truppe nahezu blank da, die Industrie verweist auf lange Lieferzeiten.   
Strack-Zimmermann: Pistorius wird den Leopard 2 aus dem Bestand der Bundeswehr nehmen müssen, weil die Industrie die Fahrzeuge nicht so schnell liefern kann, wie die Ukraine sie braucht. Gleichzeitig muss er der Truppe dann aber auch signalisieren, dass das Material dann sofort nachbestellt wird. Die Soldatinnen und Soldaten haben unglaubliche Sorge, dass der Grundbetrieb deshalb leiden könnte – eben, weil genau das in der Vergangenheit auch der Fall war. 

Beispielsweise wann? 
Strack-Zimmermann: Als die Bundeswehr vor 15 Jahren im Nordirak im Einsatz war, hat sie von Milanraketen bis zur Feldküche viel Material abgegeben, das wurde bis heute nicht ersetzt. Wenn Pistorius jetzt am Kabinettstisch sitzt, muss er deshalb zuallererst die Interessen aller Soldatinnen und Soldaten vertreten. Dazu gehört auch, keine Scheu im Umgang mit der Rüstungsindustrie zu haben.

Marie-Agnes Strack Zimmermann (FDP) Quelle: imago images

Boris Pistorius hat 1980 seinen Wehrdienst absolviert. Macht ihn das zu einem besseren Verteidigungsminister?
Vogel: Das schadet sicher nicht.  Man kann es in einem Land wie Deutschland, das die Wehrpflicht seit 2011 aus sicherheitspolitischen Überlegungen nicht mehr für angemessen hält, aber auch nicht voraussetzen. Sonst würden wir schon bald erhebliche Probleme bekommen, denn die nächsten Generationen werden ja keinen Grundwehrdienst mehr absolviert haben und trotzdem das Amt des Verteidigungsministers besetzen müssen. Eine Affinität zur Truppe zu haben, ist aber sicher zwingend Voraussetzung für die Position – aber eine solche Affinität kann man auch ohne Wehrdienst haben.

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Mit der Ernennung von Boris Pistorius bricht Scholz jedoch sein Versprechen, das Kabinett gleichberechtigt nach Frauen und Männern besetzen zu wollen. Spielt Parität jetzt keine Rolle mehr? 
Vogel: Wir haben einen Krieg auf dem europäischen Kontinent, der Handlungsbedarf ist enorm, deshalb ist es richtig, wenn der Kanzler eine aktuelle Schlüsselposition wie die des Verteidigungsministers einzig nach einem Kriterium nachbesetzt: Wer nach seiner Überzeugung den Job am besten machen kann. Daher gilt für mich einfach: Viel Erfolg unserem neuen Verteidigungsminister.

Strack-Zimmermann: Parität ist immer sinnstiftend – und wenn das Thema Gleichberechtigung für den Kanzler von großer Bedeutung ist, könnte er ja auch einen anderen SPD-Minister austauschen. Möglichkeiten würde es geben.

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