
WirtschaftsWoche: Herr Hoffmann, im Verkehrssektor droht eine neue Streikwelle. Dürfen die Kollegen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Pilotenvereinigung Cockpit auf Ihre Solidarität hoffen?
Hoffmann: Alle Gewerkschaften haben das Recht, für ihre tarifpolitischen Interessen zu kämpfen. Aber dazu gehört auch: Das Prinzip der Einheit hat die Gewerkschaften nach dem Krieg stark gemacht. Konkurrierende Arbeitnehmervertretungen und tarifpolitische Zersplitterung schaden nur. Wir wollen zur alten Regel zurück, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gilt. Das hat uns gestärkt. Und das sehen die Arbeitgeber genauso.
Genau dieses Prinzip der Tarifeinheit will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles in Kürze in ein Gesetz gießen. Hat sie Ihren Rat dazu schon eingeholt?
Der DGB ist bei diesem Thema in einer ständigen Diskussion, nicht nur mit Andrea Nahles, sondern auch mit dem Justiz- und dem Innenministerium.
Die Tarifeinheit ist 2010 vom Bundesarbeitsgericht gekippt worden. Viele Juristen halten die Wiedereinführung für verfassungswidrig. Ist ein Kompromiss möglich, der Spartengewerkschaften nicht die Existenzgrundlage raubt?
Es muss eine verfassungsgemäße Lösung her, die das Streikrecht auch für kleine Gewerkschaften nicht beschneidet. Das ist juristisch kompliziert. Ein Hinweis dazu: Im Vertrag zur Schaffung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gibt es die bisher einzige Definition, was Gewerkschaften ausmacht. Danach muss eine Gewerkschaft unter anderem überbetrieblich organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen.
Wollen Sie die Existenzberechtigung der GDL infrage stellen, einer der ältesten Arbeitnehmervertretungen Deutschlands?
Als reiner Berufsverband hat die GDL früher einen guten Job gemacht. Sie ist ja in Zeiten entstanden, als die Bahn noch ein Staatsunternehmen war und die Belegschaft aus Beamten bestand. Da gab es kein Streikrecht und keine Tarifverträge. Derzeit verweigert sich die GDL leider einer konstruktiven Zusammenarbeit mit DGB-Gewerkschaften.
Die GDL ist unter dem Dach des Beamtenbunds organisiert. Sie haben dessen Chef Klaus Dauderstädt in einem Brief aufgefordert, die GDL zu disziplinieren. Haben Sie schon Antwort erhalten?
Ja. Kollege Dauderstädt und ich sind uns einig, dass Gewerkschaften nicht in eine Schmutzkonkurrenz zueinander treten sollten. Wir haben Probleme miteinander, die es zu lösen gilt. Wenn es GDL-Chef Claus Weselsky nach seinen jüngsten Entgleisungen gelingt, zu einem konstruktiven Dialog zurückzufinden, kriegen wir das auch hin.
Müssen Sie dann nicht auch die im DGB organisierte Bahngewerkschaft EVG zur Ordnung rufen? Die umwirbt derzeit die Lokführer, was die GDL als Affront betrachtet...
...aber umgehrt wildert die GDL im Bereich der EVG und will jetzt auch Zugbegleiter organisieren. Soll ich da etwa den EVG-Kollegen raten: Nur keinen Streit, lasst alles mit euch machen? Nein, wenn die GDL den Konflikt will, kann sie ihn haben.