Dicke Luft wegen dicker Luft Auch Mainz vor möglichem Fahrverbot

Mainz muss Dieselfahrverbot erwägen Quelle: dpa

Wieder einmal kann ein Gericht Fakten schaffen – und die Politik schaut zu. Es geht um Diesel-Fahrverbote in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Im Nachbarland Hessen wird am Sonntag gewählt.

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Hamburg, Berlin, Stuttgart, Frankfurt, und nun Mainz: Am Mittwoch verhandelt das Verwaltungsgericht in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt über ein mögliches Fahrverbote für ältere Dieselautos – mitten in einer aufgeheizten politischen Debatte über die Folgen der Dieselkrise.

Um was geht es?
Erneut hat die Deutschen Umwelthilfe (DUH) geklagt. Sie will, dass der Luftreinhalteplan der Stadt aus dem Jahr 2017 verschärft wird. Denn auch in Mainz werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten. Die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) lag 2017 laut Umweltbundesamt im Jahresmittel bei 48 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel, der europaweite Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.

Im Fokus ist eine Messstation an einer viel befahrenen Straße nahe dem Hauptbahnhof mit den höchsten Werten. Die Stadt argumentiert, 2019 werde voraussichtlich auch dort im Jahresmittel der Grenzwert nicht mehr überschritten – durch Maßnahmen wie die Erweiterung des Straßenbahnnetzes und die Umrüstung der Busflotte. Die DUH dagegen fordert ein Fahrverbot für eine ganze Zone. Nur so könnten die Grenzwerte wirksam und schnell eingehalten werden. Das Gericht will noch an diesem Mittwoch eine Entscheidung verkünden.

Wie ist die Lage in anderen Städten?
Vor allem in vielen Großstädten ist die Luft schlecht, der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) wird oft überschritten. Der Stoff kann die Lungenfunktion stören oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Als ein Hauptverursacher gelten Dieselabgase. Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden, dass Fahrverbote grundsätzlich zulässig sind – sie müssen aber verhältnismäßig sein.

In der Folge hat Hamburg zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot für ältere Diesel geplant. Fahrverbote für die Innenstadt soll es von 2019 an auch in der Pendlermetropole Frankfurt am Main geben, ebenso wie auf viel befahrenen Straßen in Berlin. Das ist aber der Anfang: Nach Mainz stehen laut DUH weitere Entscheidungen an – am 8. November etwa soll vor dem Verwaltungsgericht Köln über Fahrverbote in Köln und Bonn.

Was bedeuten Fahrverbote?
Gerichte haben entweder streckenbezogene oder zonale Verbote – also etwa für eine Innenstadt – angeordnet. Betroffen von den Sperrungen sind Dieselfahrer mit einem Fahrzeug der Euro-Normen 4 oder 5. Viele befürchten, dass dadurch die individuelle Mobilität eingeschränkt wird. Pendler kämen zum Beispiel nicht zum Arbeitsplatz. Auch die Umsetzung ist umstritten, dabei geht es etwa um Kontrollen. Daneben könnten Ausweichverkehre zu einer höheren Belastung anderswo führen. Die Befürworter argumentieren, Fahrverbote seien das einzig wirksame Mittel, um den Schadstoff-Ausstoß so schnell wie möglich zu senken und dadurch die Luft sauberer zu machen.

Was macht die Bundesregierung?
Die Regierung hatte Anfang Oktober ein Maßnahmen-Paket beschlossen, das Fahrverbote vermeiden soll. Es sieht höhere Preisnachlässe der Hersteller vor, wenn Kunden alte Diesel in Zahlung geben und sauberere Autos kaufen. Daneben sind Hardware-Nachrüstungen geplant - dafür fehlen aber grundlegende Zusagen der Autohersteller etwa zur Finanzierung. Das Paket steht auch deswegen im Kreuzfeuer der Kritik.

Wie ist die Rolle von Kanzlerin Merkel?
Die CDU unter Ministerpräsident Volker Bouffier muss laut Umfragen bei der Landtagswahl am Sonntag herbe Verluste befürchten. Bouffier versucht mit seinem grünen hessischen Koalitionspartner mit aller Macht, das für Frankfurt drohende Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge noch zu verhindern.

Die Wahl gilt auch für Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel als besonders wichtig. Im Dezember steht der Parteitag an, Merkel will sich erneut zur Vorsitzenden wählen lassen. In der CDU rumort es bereits seit längerem. Merkel kündigte nach heftigen internen Konflikten in der Regierung an, sie wolle Vertrauen in die Koalition wiederherstellen und zur Sacharbeit zurückkehren – Beispiel Diesel.

Merkel ging am Wochenende in die Offensive und legte einen Plan der Koalition von Anfang Oktober noch einmal neu auf. Die Regierung will in Städten mit vergleichsweise geringer Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte Fahrverbote erschweren. Über das Immissionsschutzgesetz soll deutlich gemacht werden, dass solche Beschränkungen in Städten mit bis zu 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid in der Regel nicht verhältnismäßig seien – der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Die Pläne sind wegen europarechtlicher Vorgaben umstritten.

Frankfurt immerhin stieg zuletzt auf in den Kreis von besonders belasteten „Intensivstädten“ – auch weil der Schadstoff-Ausstoß in der Bankenmetropole höher ist als ursprünglich gedacht. Vor allem in diesen Städten soll es zu den „Umtauschprämien“ der Hersteller und zu Hardware-Nachrüstungen kommen.

Das zahlen die Hersteller von Dieselautos
Daimler wird bis zu 5000 Euro für einen Neuwagen zahlen. Auf Nachrüstungsforderungen reagierte Daimler zurückhaltend. Dem Konzernen steht mit den ab 2021 geltenden strengeren Grenzwerten für den Ausstoß von Kohlendioxid eine große Herausforderung bevor. Daimler-Chef Dieter Zetsche zeigt sich zwar zuversichtlich, die Werte einhalten zu können. Es sei aber klar, dass das ohne nennenswerten Anteil von rein elektrischen oder Hybrid-Fahrzeugen nicht gelingen werde.Quelle: dpa Quelle: dpa
Volkswagen will Dieselbesitzern so schnell wie möglich Umtauschprämien anbieten. Die geplanten Prämien der Volumenmarken des Konzerns sollten im Schnitt bei etwa 4000 Euro für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis Euro 4 liegen - und bei 5000 Euro für Euro-5-Diesel, teilte Volkswagen mit. Die Umtauschprämien seien abhängig vom Modell des Kunden. In den laut Bundesregierung 14 besonders betroffenen Städten mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung will VW fast eine Million Autobesitzer erreichen. Der Volkswagen-Konzern sei weiter bereit, einen Beitrag zu leisten, um seinen Kunden uneingeschränkte Mobilität zu sichern und Fahrverbote in besonders belasteten Städten zu vermeiden, sagte Konzernchef Herbert Diess. Eine volle Kostenübernahme von Nachrüstungen lehnt der Autobauer jedoch ab.Quelle: dpa, Reuters Quelle: dpa
BMW-Fahrer in Regionen mit hoher Stickoxid-Belastung bekommen vom Konzern 6000 Euro Rabatt, wenn sie ihren Euro-4- oder Euro-5-Diesel durch ein Neufahrzeug ersetzen. Beim Kauf eines jungen Gebrauchten oder eines Vorführwagens zahlt der Konzern 4500 Euro Umtauschprämie. Das Angebot gilt rückwirkend ab dem 1.10. Der alte Diesel müsse mindestens ein Jahr auf den Halter zugelassen sein, der die Umtauschprämie bekommen will. „Wir konzentrieren uns auf die Flottenerneuerung, weil sie schnell Verbesserungen bringt“, sagte der ein Sprecher. Die von der Koalition in Berlin ebenfalls vorgeschlagene Nachrüstung alter Dieselautos mit weiteren Abgas-Filtern dauere dagegen zu lange. Sie könne Gewicht, Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß des Autos verschlechtern. Dazu kämen noch Gewährleistungsfragen. Eine Umtauschprämie von 2000 Euro biete BMW weiterhin flächendeckend an - die höheren Prämien beschränkten sich auf die von der Koalition benannten 14 Regionen mit hohen Stickoxid-Werten. Zudem verringere BMW den Schadstoff-Ausstoß vieler Fahrzeuge durch freiwillige Software-Updates und habe im Mai 45 Millionen Euro in den vom Dieselgipfel geschaffenen Fonds eingezahlt, sagte der Sprecher.Quelle: dpa Quelle: AP
Der Autobauer Volvo bereitet Medienberichten zufolge für seine Kunden ein Angebot zur Nachrüstung von Dieselautos vor. Wie mehrere Medien berichteten, arbeitet Volvo dazu mit dem Bamberger Katalysatoren-Hersteller Dr. Pley zusammen. Die Kooperation konzentriere sich auf eine Version des Geländewagens XC60. Dieser sei bis zum Jahre 2017 mit der damals gültigen Schadstoffnorm Euro 5 verkauft worden. Volvo gab zunächst keine Stellungnahme ab. Volvo wurde in den Berichten mit den Worten zitiert, es handele sich um einen rein internen Vorgang. Quelle: Reuters Quelle: imago images
Renault kündigt nach der Einigung im Diesel-Streit eine Umtauschprämie an. Der französische Autobauer zahlt privaten Haltern alter Diesel-Pkw mit den Abgasnormen Euro 1 bis Euro 5 in Deutschland ab sofort beim Kauf eines Neuwagens gleich welcher Antriebsart bis zu 10.000 Euro Umtauschprämie, wie das Unternehmen am Dienstag bekanntgab. Die Prämien sind nach Modellen gestaffelt. Das Angebot gelte für Diesel-Fahrer aller Marken und sei bis zum 30. November befristet.Quelle: Reuters Quelle: REUTERS
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