Frank Stauss ist Teilhaber der Kommunikationsagentur „Richel, Stauss“. Er gehört zu den erfahrensten Wahlkampfberatern Deutschlands und hat unter anderen zwei Kampagnen für Olaf Scholz entworfen.
Über sechzehn Jahre hinweg haben die deutsche und die internationale Öffentlichkeit versucht, Angela Merkel zu verstehen. In den ersten Jahren war dies fast unmöglich, da ihre mäandernden Satzkonstruktionen selbst den geneigtesten Zuhörer in sofortigen Sekundenschlaf versetzten. Was ihr Ziel war.
Mit dem angekündigten Rückzug ab Oktober 2018 wurden Merkels Worte allerdings klarer, ihre Sätze kürzer. Parteipolitische Sprachbalance war ihr zunehmend gleichgültig. Nie gleichgültig war hingegen die Inszenierung ihrer Auftritte – die Inszenierung der Macht.
Diese Auftritte professionalisierte – oder manipulierte – ihr Stab bis ins kleinste Detail und sie verhinderten vor allem echte Debatten außerhalb der wenigen Wahlkampf-TV-Duelle (die sie auch fast alle verlor, um danach die Wahlen zu gewinnen.)
Merkel gab es immer nur noch solo. Als Einzelgast in Talkshows, die sonst mindestens vier Gäste zählten und nur in Formaten, die sie selbst so verändern konnte, bis sie zu ihr passten. Die Medien spielten mit – oder gingen leer aus.
Und jetzt Olaf Scholz. Noch nicht einmal im Amt, muss er schon liefern, da die Krisen nicht auf ihn warten. Es ist die berüchtigte Twilight-Zone der deutschen Politik, die zwischen Abwahl der einen und Formierung der neuen Regierung jegliches Handeln und damit auch jegliche Kommunikation erschwert.
Ein Bundeskanzler in spe, der bereits vor seiner Wahl deutliche Worte findet, wirkt schnell anmaßend, arrogant und auch respektlos gegenüber der geschäftsführenden Amtsinhaberin. Denn faktisch ist er noch nichts. Entsprechend vorsichtig agiert Scholz auch. Dennoch setzt er in den ersten Tagen schon Akzente, die berechtigte Hoffnung auf eine bessere Kommunikation zwischen Kanzleramt und Volk machen.
Auf der einen Seite liegt das in der Achtsamkeit im Umgang mit seinen Koalitionspartnern, die zu den geräuschlosen Koalitionsverhandlungen führten. Auf der anderen Seite liegt es daran, dass Scholz es wagt, neue Formate zu erschließen. Man hat fast den Eindruck, der lange, harte und wortreiche Bundestagswahlkampf habe in dem Mann eine Lust an der Kommunikation und am Erklären von Politik geweckt, die er bisher verbergen konnte.
Scholz hat mit seinem Fernseh-Auftritt bei „Joko und Klaas“ bewiesen, dass er erklären, argumentieren und vor allem auch überzeugen kann. Wenn er es will. Und wenn er es muss. Er musste jetzt die Rolle einnehmen, die er noch nicht hatte. Weil die Notwendigkeit das erforderte. Die Sprache klar, ohne anbiedernd zu sein, verständlich, ohne banal zu werden, menschlich, ohne kitschig zu sein.
In die Hände spielte ihm dabei das Bundesverfassungsgericht, das einer FDP, die sich im Irrgarten ihres zunehmend gefährlich überdehnten Freiheitsbegriffes ziellos verrannt hatte, den Ausweg aus ihrem Dilemma wies. Scholz sprach also, als er es konnte, Klartext.
Zu wünschen ist, dass er diesen Klartext beibehält und im Gegensatz zu seiner Vorgängerin auch medial wieder mehr Demokratie wagt – und mehr Debatten.
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