Die ökologische Ursünde der Union Wie die CDU die Grünen groß macht(e)

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Konservative Grüne wurden verdrängt

Die ersten praktizierenden Ökologen gehörten vielmehr zu denen, gegen die die 68er aufbegehrten: Es waren Diener des verhassten Staates und konservative Politiker. Der Begriff „Umweltschutz“ stammt von einem leitenden Beamten des damals von Hans-Dietrich Genscher (FDP) geführten Bundesinnenministeriums. Wichtiger aber noch: Der lautstärkste und prominenteste Politiker im Zeichen der ökologischen Wende war ein Abgeordneter der CDU: Herbert Gruhl (1921-93).

Gruhl war und blieb immer ein bekennender Konservativer, ein deutscher Patriot, der die Wiedervereinigung ersehnte, und nicht zuletzt ein Anhänger der Marktwirtschaft und Bewunderer von Ludwig Erhard. Der CDU warf er in einem bemerkenswerten Gastbeitrag für den Spiegel den Verrat an Erhard vor. Und er war mit diesen ökokonservativen Positionen keinesfalls allein in den 1970er Jahren. Sein Buch Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik war 1975 ein Bestseller.

Im Laufe der 1970er Jahre vollzog sich dann ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel in der deutschen Politik und Gesellschaft, das in seiner fundamentalen Bedeutung noch viel zu wenig Beachtung gefunden hat. Die Unionsparteien, angeführt von Franz-Josef Strauß und Helmut Kohl, marginalisierten Gruhl. Er trat 1978 aus CDU und Bundestagsfraktion aus – und gründete die „Grüne Aktion Zukunft“, eine Keimzelle der späteren Grünen. Kohl sprach später von einem großen Fehler – sehr zurecht.

Profitiert von dieser ökologischen Ignoranz der Kohl-CDU haben dagegen andere, denen die Ökologie endlich ein zugkräftiges Thema bot, um aus der linken Subkultur auszubrechen. In einem Prozess, der noch erstaunlich wenig erforscht ist, haben sich in jenen späten 1970er Jahren viele frühere 68er und K-Gruppen-Aktivisten ökologische Themen – nicht zuletzt die Kritik an der Atomenergie – zu eigen gemacht und Anschluss an konservative ökologische Bewegungen wie Gruhls GAZ gesucht. Die Gründungsphase der Grünen war ein Verdrängungskampf der linken gegen die konservative Ökobewegung. Er dauerte bis zum Parteiaustritt Gruhls 1981. So wurden die Grünen, deren prominentester Mitgründer ein entschiedener Konservativer war, eine linke Partei.

Die verpasste Chance der CDU

Die CDU hat mit der Ausgrenzung Gruhls die historische Chance verpasst, den Schutz der Natur als zentrale Aufgabe eines zeitgemäßen Konservatismus anzunehmen. Sie ließ es zu, dass aus dem ursprünglich konservativen Thema des Schutzes und der Bewahrung der Natur mit dem Zugriff der Post-68-er ein progressives, teilweise durchaus utopisches Ansinnen wurde. Der Klimawandel ist vielleicht auch deswegen zu dem großen Thema der heutigen Grünen geworden, weil es ein übernationales, globales Problem ist. Klimaschutz ist ein entgrenztes Projekt wie die Weltrevolution, von der viele 68er träumten.

Seit der verheerenden Vertreibung Gruhls verfügt die CDU nicht mehr über die intellektuelle Kapazität, diesen Fehler zu korrigieren. Völlig Orientierungslos läuft sie seit nunmehr vierzig Jahren auf diesem Feld den Grünen hinterher – und wundert sich, dass ihr die idealistische Jugend abhandenkommt. Dabei gäbe es wahrlich genug Ansatzpunkte, um eine eigene, an konservativen, christlichen und marktwirtschaftlichen (statt wachstums- und staatswirtschaftlichen) Grundlagen ausgerichtete Öko-Politik zu betreiben.

Vor allem gälte es, die fatalen Schwachstellen des linken (Um-)Welt-Utopismus offen zu legen. Denn dieser hat die ökologische Katastrophe – bezeichnenderweise ist fast nur noch vom Klima die Rede, als ob andere Naturschäden nicht mindestens ebenso relevant wären – zu einer säkular-religiösen Frage erklärt. Die ökologische Katastrophe ist aber keine universelle Apokalypse, die man mit quasi-religiösen Prozessionen im Gefolge einer neuen Jungfrau und Buße-Predigten entkommen kann. Sie findet konkret allerorten, vor unser aller Augen statt.

Um sie zu erfassen braucht eigentlich niemand klimawissenschaftliche Studien, es genügt ein Blick aus dem Fenster. Die Erwärmung ist vielleicht nicht einmal die dramatischste Folge des seit rund 200 Jahren andauernden Überstrapazierens der natürlichen Lebensgrundlagen. Am absurdesten aber ist: Die bisherigen, praktisch-politischen Maßnahmen, die Erwärmung aufzuhalten, also die „Energiewende“, verstärken noch das Zerstörungswerk an der konkreten Natur. Wenn der Ausbau der Wind- und Solarenergie so wie zu erwarten voranschreitet, wird man in Deutschland bald fast keine windrad- oder solarpanelfreie Landschaft mehr erblicken können.

Was Not täte, wäre eine im besten Sinne konservative, also bewahrende, an einem Ausgleich von Ökologie und Ökonomie orientierte Politik. Mit Ludwig Erhard und Herbert Gruhl hatte die CDU zwei Politiker in ihren Reihen, die beides im Sinn hatten und an die es wieder anzuknüpfen gälte. Aber die Christdemokraten scheinen sich lieber an den Zukunftsträumen der Grünen orientieren zu wollen als an ihren eigenen Wurzeln.    

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