Eigentlich wollte Tomáš Trefil Anfang November von Ostrava nach Oberursel reisen, dem deutschen Standort seines Joint Ventures Weppler & Trefil, spezialisiert auf Präzisions- und Mikrofilter für Verbrennermotoren – doch jetzt hat er den Termin kurzfristig abgeblasen: „Ich lass mich doch nicht testen, nur, um über die Grenze zu dürfen“, sagt der 54-jährige Geschäftsführer.
Die Grenze, darüber mussten sich EU-Bürger wie Trefil lange keine Gedanken mehr machen. Das hat sich durch Corona nun verändert. Zur ersten Welle im Frühling fielen die Schlagbäume an vielen Grenzposten wieder, ein traumatisches Erlebnis für viele Menschen. Wie wird es nun in der zweiten Welle sein?
Mit den steigenden Infektionszahlen kommen immer weitere Einschränkungen hinzu. Tschechien ist besonders hart getroffen von der zweiten Welle, das Land kämpft mit einer der am schnellsten steigenden Infektionsraten in Europa. Mehr als 13.000 Neuinfektionen meldeten die Behörden vorm Wochenende innerhalb eines Tages, damit kommt Tschechien mit seinen rund 10,7 Millionen Einwohnern auf insgesamt mehr als 310.000 nachgewiesene Ansteckungsfälle. Schulen und die meisten Geschäfte sind bereits wieder geschlossen, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, Regierungschef Andrej Babis warnt vor weiteren, verschärften Maßnahmen. Das gilt auch für den Grenzverkehr.
Beide Länder haben sich jeweils als Risikogebiet eingestuft, touristische Reisen nach Tschechien sind untersagt, Berufs- und Geschäftsreisen nach Tschechien nur für diejenigen möglich, die sich in den letzten 14 Tagen nicht länger als zwölf Stunden in einem Land der roten Kategorie wie Deutschland aufgehalten haben.
„Nach dem Frühling brauchen wir das kein zweites Mal“
Wer wiederum wie Trefil als Geschäftsreisender von Tschechien nach Deutschland will, muss sich testen lassen und sich bis zum Ergebnis in häusliche Quarantäne begeben. Maßnahmen, die Trefil für „nicht gerechtfertigt“ hält. Sie bremsen ihn, sein Geschäft, die gesamte Wirtschaft, ist Trefil überzeugt: „Nach dem Frühling brauchen wir das kein zweites Mal.“
1100 Angestellte hat Trefil noch vor einem Jahr in seinem Werk in Ostrava beschäftigt, heute sind es 370. Das liegt nicht allein am Virus, sondern auch an Umstellung auf alternative Antriebe in der Automobilindustrie, aber: „Corona wirkt wie ein Katalysator“, sagt Trefil, der fließend deutsch spricht.
Täglich lässt er am Werkseingang die Temperaturen der Mitarbeiter messen, auf dem Gelände gilt drinnen wie draußen Maskenpflicht, und trotzdem stecken sich immer wieder Beschäftigte an.
Der Betrieb muss weiterlaufen, aber die Reisebeschränkungen erschweren den Betrieb. Neulich wollte Trefil etwa drei seiner Mitarbeiter ins deutsche Werk nach Oberursel schicken, sie sollten eine neue Maschine in Betrieb nehmen, dann nach Ostrava bringen. Aber der Test und die vorgeschriebene häusliche Quarantäne waren Trefil zu viel Aufwand. Die Maschine bleibt jetzt erstmal in Oberursel stehen, dort produziert sie zwar, aber zu höheren Kosten produziert. „Zum Glück haben wir Kunden, die dafür Verständnis haben“, sagt Trefil.
Ein Freund lag 40 Tage im Koma
Die Herausforderungen sieht Trefil aber nicht nur in der Wirtschaft: „Die tschechische Gesellschaft ist gespalten“, erklärt er, „und zwar zwischen Anhängern der scharfen Maßnahmen einerseits, und den Widersachern andererseits, zu denen auch ich gehöre.“
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Dabei kennt Trefil auch aus seinem Bekanntenkreis schwere Coronaverläufe, einer seiner besten Freunde liegt noch immer im Krankenhaus, 40 Tage künstliches Koma, „eine knappe Kiste“, sagt Trefil – und trotzdem plädiert er für das schwedische Modell im Umgang mit Corona. Wohl auch deshalb, weil er an seinem eigenen Unternehmen sieht, wie sehr die Pandemie zum Beschleuniger werden kann.
Wann er seine deutschen Kollegen nicht mehr nur virtuell, sondern auch persönlich wiedersieht, weiß Trefil noch nicht. Reisen will er jedenfalls erst wieder dann, wenn er keinen Test mehr machen muss.
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