Seit Jahren ist bekannt, dass künftigen Rentnern die Altersarmut droht. Denn nicht mal 40 Beschäftigungsjahre reichen aus, um die Grundversorgung vom Staat zu erreichen. Und bei der privaten Vorsorge setzen viele aufs falsche Pferd, auch wenn es in der derzeitigen Zinssituation schwierig ist, überhaupt ein passendes Pferd zu finden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Rentenbescheid, persönlicher Rentenlücke und wie Sie am besten privat vorsorgen.
1. Warum droht so vielen Beschäftigten die Altersarmut?
Mit den Rentenreformen von 2001 und 2004 hat der Gesetzgeber eine langfristige Senkung des Rentenniveaus eingeleitet, um die Beitragsbelastung der künftigen Erwerbstätigen zu begrenzen. Zugleich wurden staatliche Fördermaßnahmen eingeführt, mit denen der Aufbau einer individuellen ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge subventioniert wird. Damit soll gezielt auch Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen der Aufbau einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge ermöglicht werden. Sofern Versicherte diese Förderung nutzen, wird – nach den Berechnungen der Bundesregierung, wie sie im Rentenversicherungsbericht 2011 veröffentlicht wurden – im Alter zwar ihr Rentenniveau geringer, das Niveau ihrer Alterseinkünfte aus gesetzlicher Rente und Zusatzvorsorge insgesamt aber sogar höher ausfallen als heute. Das Rentenniveau (vor Steuern) sinkt danach zwar im Zeitraum von 2008 bis 2025 von 50,5 Prozent auf 46,2 Prozent, das Versorgungsniveau (vor Steuern) einschließlich Riester-Rente steigt aber auf 51,3 Prozent an.
Wichtige Änderungen für Rentner im Jahr 2012
Ab 2012 sinkt der Rentenversicherungsbeitrag von 19,9 auf 19,6 %.
Die Altersgrenze für die gesetzliche Regelaltersrente wird angehoben. Der erste betroffene Jahrgang ist 1947. Ab Geburtsjahrgang 1964 gibt es Altersrente erst ab 67 Jahren.
Wichtige Ausnahme: Wer 45 Jahre lang in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hat, kann weiterhin mit 65 Jahren ohne finanzielle Abschläge in den Ruhestand treten.
Wer 2012 erstmals Rente erhält, muss 64 % der Rentenbezüge versteuern. Der Restbetrag von 36 % ist der persönliche Rentenfreibetrag, der zeitlebens unverändert berücksichtigt wird. Eine Rentenerhöhung nach Festschreibung des Rentenfreibetrags unterliegt in vollem Umfang der Besteuerung.
Wer als Rentner neben der Rente Zusatzeinkünfte bezieht, verfügt über einen sogenannten Altersentlastungsbetrag. also einen zusätzlichen Steuerfreibetrag.
Die Höhe des Altersentlastungsbetrags beträgt 1.900 EUR, wenn der Rentner bereits vor 2011 seinen 64. Geburtstag vollendet hat. Hat der Rentner im Jahr 2011 das 64. Lebensjahr vollendet, erhält er ab 2012 zeitlebens einen Altersentlastungsbetrag von 28,8 % der Einkünfte, höchstens aber 1.368 EUR.
Der Altersentlastungsbetrag steht jedem Ehegatten gesondert für eigene Einkünfte und Nebeneinkünfte zu.
2. Wer kann jetzt die Grundversorgung überhaupt noch erreichen?
Laut der neuen Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums kommen nur dann Beschäftigte auf die Grundversorgung von 688 Euro, wenn ein konstantes Bruttoeinkommen von 2500 Euro über 35 Beschäftigungsjahre vorliegt. Laut Statistischem Bundesamt betrug das Bruttoeinkommen eines Ein-Personen-Haushalts 2010 im Schnitt 2282 Euro. Es wird deutlich, dass weit mehr Menschen von Altersarmut betroffen sein werden als die so genannten Geringverdiener. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt deshalb vor "massenhafter Altersarmut" der breiten Mittelschicht. "Die Senkung des Rentenniveaus wird geradewegs in die massenhafte Altersarmut führen", sagt Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Die Rentenlücke ermitteln
3. Wie kann ich selbst in Erfahrung bringen, ob meine Rente zu niedrig ist?
Zunächst ist es laut Bundesversicherungsamt wichtig, keine Schnellschüsse in Sachen private Vorsorge zu betreiben, sondern zu analysieren, wie es um die eigene Versorgung(slücke) bestellt ist. Unser Rentenrechner bietet die Möglichkeit zu ermitteln, wie groß eine konkrete Rentenlücke derzeit ist. Ein viel größeres Problem neben der Ausgleichsfrage zu Versorgungslücke ist jedoch die laut Bundesverband der Rentenberater häufig fehlerhafte Berechnung der staatlichen Rente.
Was arbeitswillige Rentner wissen sollten
Jenseits des regulären Rentenalters darf man unbegrenzt hinzuverdienen. Für alle, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, liegt die Grenze bei 65 Jahren. Für die später Geborenen erhöht sie sich schrittweise auf 67 Jahre.
Ja. Allerdings werden Rentenleistungen dann entsprechend gekürzt oder ganz gestrichen. Minijobs bis zu einem Monatsverdienst von 400 Euro werden nicht angerechnet.
Ja. Es gilt wie für die Rente der individuelle Steuersatz.
Vollrentner sind von der Versicherung befreit. Nur wer die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat, muss Beiträge zahlen. Wer als Rentner arbeitet, muss da bei der Rentenversicherung anmelden.
4. Warum werden in Rentenbescheiden so viele Fehler gemacht?
„Bei den von uns geprüften Rentenbescheiden finden wir immer wieder viele Fehler, bei fast der Hälfte sind Korrekturen nötig", sagt Martin Reißig, Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater. „Wir finden fast immer etwas, Zeiten, die nicht oder falsch ausgewiesen oder Zuschläge, die einfach nicht angerechnet wurden." Der Verband empfiehlt, den Bescheid von einem unabhängigen Rentenberater prüfen zu lassen „Rentner verlassen sich darauf, dass die Berechnungen korrekt sind, immerhin kommen die ja von einer Behörde. Aber Rentenbescheide sind noch komplizierter als Steuerbescheide.“
Fehlerhafte Rentenbescheide
5. Was sind die häufigsten Fehler und was kann ich selbst tun, um Fehler zu vermeiden?
Typische Fehlerquellen im Rentenbescheid sind die fehlende Anrechnung von Auslandsaufenthalten, Kinderbetreuungszeiten oder nicht nachgewiesene Ausbildungszeiten. Arbeitnehmer sollten daher alle Belege über Beschäftigungs- und Ausbildungszeiten, Erziehungsurlaub oder Arbeitslosigkeit lückenlos aufbewahren und der Rentenversicherung zeitnah melden. Zudem sollte man den Versicherungsverlauf überprüfen. Wer dies nicht selbst kann, sollte sich an einen Fachmann, etwa an einen im Rentenrecht spezialisierten Rechtsanwalt, wenden. Bei der Rentenversicherung haben Arbeitnehmer aber auch einen Anspruch auf so genannte Kontenklärung. Dadurch erfährt man den Versicherungsverlauf und kann sehr leicht erkennen, ob alle Phasen des Erwerbslebens für die Berechnung der Rente berücksichtigt wurden.
6. Was mache ich, wenn mein Rentenbescheid falsch ist?
Zunächst muss ein Arbeitnehmer erst einmal selbst seinen Antrag bei der Rentenversicherung stellen, dass es zur Auszahlung der monatlichen Rente kommt. Wer nach seinem letzten Arbeitstag auf Zahlungen wartet, wird vergebens auf Zahlungseingang hoffen. Sind die Formalia erledigt, stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund (vormals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) einen Bescheid aus. Gegen diesen kann kann innerhalb eines Monats nach Erhalt schriftlich Widerspruch eingelegt werden. Falls Arbeitnehmern der Rentenbescheid im Ausland zugestellt wurde, beträgt die Widerspruchsfrist sogar drei Monate. Den Widerspruch gegen den Rentenbescheid sollten Antragsteller begründen und darlegen, welche Fehler bei der Rentenberechnung beanstandet werden.
9. Kann ich auch einen rechtskräftigen Bescheid noch überprüfen lassen?
Wurde die Widerspruchsfrist von einem Monat versäumt, wird der Rentenbescheid rechtskräftig. Auch dann kann dieser auf Richtigkeit geprüft werden. Die Überprüfung ist auch möglich, wenn sich die Rechtslage geändert hat oder neue Urteile, etwa vom Bundessozialgericht oder vom Bundesverfassungsgericht, gibt und sich diese zu Gunsten der Rentner auswirken. Zur Beruhigung: Wenn festgestellt wird, dass der Rentenbescheid fehlerhaft war, wird nachträglich das laufende Jahr der Überprüfung und bis zu vier Jahre rückwirkend neu berechnet und nachgezahlt.
Sinnvoll selbst vorsorgen
7. Ich stehe mitten im Berufsleben, sollte ich angesichts des drohenden Renten-Desasters jetzt sinnvoll privat vorsorgen, etwa durch Sparen auf Tages- oder Festgeldkonten?
Die bei den traditionell vorsichtigen Deutschen beliebten defensiven Tages- und Festgeldkonten bringen momentan so wenige Zinsen, dass selbst über Jahrzehnte und unter Berücksichtigung des Zinseszinses keine nennenswerten Beträge zusammenkommen. Sie gleichen derzeit im besten Fall die Inflation aus.
8. Kann die Zuschussrente die Lösung sein?
Nein. Die Hürden, diese zu erhalten, sind so hoch, dass sie kaum jemand in Anspruch nehmen kann. Die Zuschussrente soll es nur für diejenigen geben, die jahrzehntelang in die Rentenkasse eingezahlt und - nach 2019 - auch zusätzlich privat fürs Alter vorgesorgt haben. Geringverdiener sollen eine Aufstockung auf bis zu 850 Euro erhalten. Eine Entscheidung über die Zuschussrente soll Mitte Oktober fallen. Es ist davon auszugehen, dass es bei Einführung der Zuschussrente zu Mehrbelastungen käme, die von den künftigen Steuerzahlern und auch von den Beitragszahlern finanziert werden müssten.
9. Gibt es Alternativmodelle?
Die CDU hat kein konkretes Modell, fordert allerdings die Diskussion über eine steuerfinanzierte Grundrente. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth denkt laut über eine Garantierente nach. Der Deutsche Gewerkschaftsbund verlangt, auf die von den Bürgern ohnehin nicht gewollte Senkung des Rentenbeitrags zu verzichten und die Überschüsse in der Rentenkasse zu einer Demografie-Reserve auszubauen.
10. Ist die Anlage in Staatsanleihen eine Alternative?
Wer früher auf vermeintlich sichere Staatsanleihen setzte, sollte sich das in diesen Tagen dreimal überlegen: Sicher – das zeigt derzeit täglich die Eurokrise – ist fast kein Staat. Und die Renditen der solidesten Länder werfen so gut wie gar nichts ab – bei einigen liegen die Zinsen sogar im Minus.
11. Taugt die Riester-Rente?
Die Meinungen der Experten über die Riester-Rente gehen zurzeit auseinander. Grundsätzlich sollten sich diejenigen, die bereits eine Riesterente abgeschlossen haben, gut überlegen, ob sie diese wieder kündigen wollen - da die Kosten, die sich aus den bis Vertragsende einzuzahlenden Beiträgen berechnen, in den ersten Vertragsjahren abgezogen werden, erhält man im Falle einer frühen Kündigung deutlich weniger zurück, als man eingezahlt hat. Wer noch nicht "riestert", sollte das aber nicht unbedingt jetzt nachholen, sondern darauf warten, dass die Riester-Rente, wie von der Politik zuletzt angekündigt, nachgebessert wird.
12. Warum ist das Zinsniveau derzeit so niedrig?
Die Zinsen sind wegen der sogenannten finanzielle Repression so niedrig, also der finanziellen Unterdrückung der Staaten: Regierungen schrauben ihre in den vergangenen Monaten und Jahren durch Finanz- und Schuldenkrise angehäuften Finanzierungskosten nach unten. Das erreichen sie unter anderem dadurch, dass ihre Notenbanken massiv Staatsanleihen kaufen. In der Folge sinkt der Zinssatz. Genau das hat zur Folge, dass die Zinsen für andere Anlageklassen nach unten gezogen werden – was Sparen für Sparer zurzeit so schwierig macht.
13. Ist das nicht nur ein temporärer Effekt?
Ein Ende dieses von den Medien zuletzt auch als „Zinsraub“ und „Enteignung“ angeprangerten Vorgangs ist vorerst nicht in Sicht. Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, sagte etwa neulich gegenüber WirtschaftsWoche Online: „Finanzielle Repression wird zunehmend wichtiger, um den Staat finanziell handlungsfähig zu halten.“ Daher glaubt er auch an eine Fortsetzung: „Ich bezeichne die finanzielle Repression als 3-Phasen-Reiniger. In der ersten Phase werden die Zinsen künstlich niedrig gehalten, in der zweiten Phase wird die Inflation geschürt und in der dritten Phase – wenn sich keine Entspannung der Staatsschuldenkrise eingestellt hat – werden die institutionellen Anleger durch regulatorische Auflagen angehalten, Staatspapiere zu kaufen.“ Dieser Prozess kann sich also noch Monate, wenn nicht Jahre hinziehen.
14. Kann ich dann überhaupt privat vorsorgen?
Viele Experten raten zum Kauf von Sachwerten, etwa von Aktien. Hier sollten aber vor allem Papiere solider Unternehmen, die eine üppige Dividendenrendite mit sich bringen, ausgewählt werden. Auch Immobilien kommen in Frage, allein schon, da im Alter dank des Eigentums keine Miete die Rente schmälert. Hier sollte allerdings überprüft werden, inwieweit das Niveau der Immobilienpreise im fraglichen Gebiet in den vergangenen Monaten aufgrund des Niedrigzinsniveaus schon gestiegen sind. Als weitere Alternative gilt unter Experten auch Gold, hier insbesondere physisches Gold. Gold wirft zwar keine Dividende ab – aber das tun Anleihen auch nicht. Gold hingegen gilt als wertbeständig, schützt daher vor Inflation und bringt zudem die Aussicht auf Wertsteigerung mit sich.