Diesel-Abgasaffäre „Den Ruf des Industriestandorts Deutschland retten“

Das Verbraucherschutzministerium sieht wegen der Abgasermittlungen gegen Daimler den Standort Deutschland in Gefahr. Im Interview sagt SPD-Staatssekretär Kelber, was jetzt zu tun ist - auch von Verkehrsminister Dobrindt.

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„Der Verkehrsminister braucht dringend eine Korrektur seines zurückhaltenden Umgangs mit der Autoindustrie.“

Berlin Die Ermittlungen zu möglichen Abgasmanipulationen beim Stuttgarter Autobauer Daimler sorgen für Alarmstimmung innerhalb der Bundesregierung. Die Sorge ist, dass der Standort Deutschland Schaden nehmen und damit womöglich auch Arbeitsplätze gefährdet werden könnten. Die Ermittlungen zu möglichen Manipulationen bei Daimler-Fahrzeugen betreffen laut Medienberichten weitaus mehr Diesel-Fahrzeuge als gedacht: Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR könnten bei mehr als einer Million Fahrzeugen Motoren mit manipulierten Abgaswerten eingebaut sein. Das gehe aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart hervor. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bestellte als Reaktion auf den Bericht Verantwortliche des Unternehmens ein. Was jetzt zusätzlich noch geschehen muss, sagt der Verbraucherschutz-Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Ulrich Kelber (SPD), im Interview.

Herr Kelber, wie stehen Sie dazu, dass es womöglich auch bei Daimler Abgasmanipulationen gab?
Wenn sich herausstellen sollte, dass ein weiterer deutscher Weltkonzern seine Kunden und Behörden betrogen hat, dann wäre das ein deutlicher Schaden für den gesamten Industriestandort Deutschland.

Welche Konsequenzen sind jetzt nötig?
Darauf muss jetzt mit Maßnahmen reagiert werden, die auch international Wirkung zeigen. Das heißt, wir brauchen zum Beispiel unabhängige Tests, einen Verbraucherbeirat im Kraftfahrtbundesamt, und es muss auch Sanktionsmöglichkeiten geben.

Wer soll die unabhängigen Tests durchführen?
Zusätzlich zu den Typgenehmigungen sollte es eine bessere Marktüberwachung geben. In anderen Bereichen haben wir auch unabhängige Organisationen, die mit Überprüfungen beauftragt werden.

Was verstehen Sie unter Verbraucherbeirat?
Beim Kraftfahrtbundesamt sollte künftig verstärkt auch der Verbraucherschutz eine Rolle spielen. Wie bei anderen Institutionen auch, etwa der Bafin, sollte deshalb ein Verbraucherbeirat eingesetzt werden, wo Vertreterinnen und Vertreter der Verbraucherseite in die Aufgaben der Behörde miteingebunden werden.

Wie können die Verbraucherrechte verbessert werden?
Wenn sich der aktuelle Verdacht bewahrheiten sollte, zeigt das einmal mehr, wie wichtig unser Vorstoß für eine Musterfeststellungsklage ist. Wir brauchen endlich ein Instrument, wo Verbraucherinnen und Verbraucher sich gegen große Konzerne, die massenhaft Schaden verursachen, endlich gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisiko einzugehen und ein großer Experte sein zu müssen. Deshalb fordere ich: Keine Blockade mehr der Musterfeststellungsklage durch den Koalitionspartner, sondern mutiges Voranschreiten.

Was erwarten Sie von Bundesverkehrsminister Dobrindt, der ja für das Abgas-Thema zuständig ist?
Der Minister hat sich etwas zu sehr schützend vor die Unternehmen gestellt. Der Verkehrsminister braucht dringend eine Korrektur seines zurückhaltenden Umgangs mit der Autoindustrie.

Wie meinen Sie das?
Herr Dobrindt muss jetzt helfen, gegen die Betrüger innerhalb der Automobilindustrie vorzugehen, um den Ruf der Branche und des Industriestandorts Deutschland zu retten. Die Unterstützung der Musterfeststellungsklage wäre ein erster Schritt. Denn: Es geht jetzt um den Schutz der gesamten deutschen Automobilindustrie. Es sollte doch im eigenen Interesse der Branche liegen, ihre Glaubwürdigkeit und damit auch viele Tausend Arbeitsplätze in Deutschland zu bewahren. Wenn die Technologien, die verbaut werden, nicht dem Stand der Technik entsprechen und dann die Luftreinhaltung torpediert wird, dann muss der Druck deutlich erhöht werden.

Herr Kelber, vielen Dank für das Gespräch.

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