Diesel-Debatte Wirtschaft trommelt gegen Fahrverbote

Findet die Politik mit den Autokonzernen keine Lösung im Dieselstreit, drohen Fahrverbote. Die will die Wirtschaft verhindern. Die Südwest-Arbeitgeber hoffen auf einen für Anfang August geplanten Diesel-Gipfel in Berlin.

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Demonstration in Stuttgart gegen die Feinstaubbelastung (Archivbild)- Quelle: dpa

Berlin Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat die Politik eindringlich vor Diesel-Fahrverboten gewarnt. Dafür gebe es derzeit „keine rechtliche Grundlage“, sagte Verbandschef Stefan Wolf dem Handelsblatt. „Wir lehnen sie auch ab, da sie den Wirtschaftsstandort schädigen würden.“ Durch Fahrverbote könnten etwa der Lieferverkehr und damit die Lieferketten der Metallarbeitgeber im Südwesten „empfindlich“ gestört, Mitarbeitern der Weg zur Arbeit erschwert und letztlich sogar Arbeitsplätze gefährdet werden.

Wolf setzt in der Diesel-Frage auf „Nationale Forum Diesel“ am 2. August, bei dem die Bundesregierung mit den Autokonzernen gemeinsam Lösungen suchen will, um Fahrverbote durch zu hohe Emissionen zu vermeiden. „Wir sehen die Chance, dass die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Euro-5-Norm einen erheblichen Beitrag zur Emissionsminderung leisten kann und damit Fahrverbote obsolet gemacht würden“, sagte der Südwestmetall-Chef. „Wir hoffen, dass der Diesel-Gipfel Anfang August entsprechende Vorschläge und Ergebnisse bringen wird.“

Geht es nach Bundesumweltministerin Barbara Hendricks müssen nun die Autokonzerne liefern, um Fahrverbote noch abzuwenden. „Ich sehe die Autoindustrie in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es soweit nicht kommt. Sie muss die betroffenen Fahrzeuge schnellstmöglich nachrüsten, und zwar auf eigene Kosten“, sagte Hendricks dem Handelsblatt. Hendricks sagte allerdings auch: „Fahrverbote sind kein Selbstzweck, sondern können allenfalls das letzte Mittel sein.“ Die SPD-Politikerin leitet Anfang August gemeinsam mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Diesel-Gipfel.

Eine Lösung zeichnet sich im Diesel-Streit aber bisher nicht ab. Die Landesregierung von Baden-Württemberg übt deswegen heftige Kritik am Verkehrsminister.  Das ganze Problem hätte von Dobrindt vermieden werden können, hätte er sich nicht gegen die „blaue Plakette“ für sauberere Autos gesträubt. „Wir sind mehr als irritiert über den Verkehrsminister, der offenbar nichts Besseres zu tun hatte, als sich um die Ausländermaut zu kümmern und alles andere, was den Automobilstandort Deutschland bedroht, hat liegen lassen“, sagt der Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Rudi Hoogvliet, dem Handelsblatt.

Unter bestimmten Voraussetzungen haben die Südwest-Arbeitgeber auch keine Einwände für eine „Weiterentwicklung der Umweltzonen“ durch den Bundesgesetzgeber. „Wenn es denn politischer Wille sein sollte, eine blaue Plakette ab der Norm Euro 6 einzuführen, so muss dies in einem geordneten Verfahren mit ausreichenden Übergangsfristen geschehen“, sagte Verbandschef Wolf. Bis dahin dürfe sich die baden-württembergische  Landesregierung „auf keine weiteren gerichtlichen Vergleiche einlassen, die Fahrverbote zwingend nach sich ziehen würden“.

Zu dem Thema hat Südwestmetall ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, da man der Auffassung sei, dass das Land und die Stadt Stuttgart von sich aus keine Fahrverbote aussprechen können. „Denn hier setzt nämlich der Bundesgesetzgeber den rechtlichen Rahmen über die bundeseinheitliche Einrichtung von Umweltzonen“, sagte Wolf. „Dies schließt regionale Sonderlösungen ausdrücklich aus.“ Einerseits ermöglichten die Umweltzonen Fahrverbote für Fahrzeuge ohne grüne Plakette, andererseits schützten sie aber Fahrzeuge mit grüner Plakette vor Fahrverboten.

Unterdessen erhöht die Politik den Druck auf Daimler. Dem schwäbischen Automobilkonzern wird wie VW vorgeworfen, Manipulationen bei den Abgaswerten vorgenommen zu haben. „Von Daimler erwarte ich umfassende Aufklärung“, sagte der Verkehrsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger (CDU), dem Handelsblatt. „Von deutschen Herstellern wird ganz besonders Korrektheit und Gesetzestreue erwartet. Das sollte allen Beteiligten nun endgültig bewusst sein.“

Die Bundesregierung will auch selbst alles Nötige tun, um zur Aufklärung beizutragen, wie das Handelsblatt aus Regierungskreisen erfuhr. Derzeit lasse sich noch nicht mit Gewissheit sagen, ob die betroffenen zwei Motorreihen eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielten. Die Prüfungen über das Kraftfahrbundesamt (KBA) liefen noch. Zugleich wurde in den Kreisen die Erwartung geäußert, dass Daimler mit den Ermittlungsbehörden kooperiere und sich „aktiv“ an der Aufklärung der Vorwürfe beteilige. 


Grüne attackieren Dobrindt

Überlegungen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verbraucherschutzministerium, Ulrich Kelber (SPD), für ein schärferes Vorgehen gegen Abgasbetrug stoßen indes beim Koalitionspartner auf Ablehnung. „Was Herr Kelber fordert, ist größtenteils bereits in Arbeit“, sagte CDU-Verkehrsexperte Bilger. Es habe einen Untersuchungsausschuss zum Abgas-Skandal gegeben, der aufgeklärt habe. Der Bundesverkehrsminister habe zudem bereits „umfangreiche Konsequenzen gezogen“. So sei das Kraftfahrtbundesamt (KBA) beispielsweise mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet worden. „Zukünftig wird nicht nur auf dem Prüfstand gemessen, sondern auch im realen Fahrbetrieb“, erläuterte Bilder. Es sei „besser konkret zu handeln“, als etwa neue Verbraucher-Beiräte einzuführen, wie von Kelber vorgeschlagen.

Der SPD-Staatssekretär hatte von Dobrindt einen Kurswechsel im Umgang mit der Autoindustrie gefordert und zugleich Maßnahmen ins Spiel gebracht, „die auch international Wirkung zeigen“. Neben Sanktionsmöglichkeiten solle es in Zukunft unabhängige Tests geben. „Zusätzlich zu den Typgenehmigungen sollte es eine bessere Marktüberwachung geben“, sagte Kelber dem Handelsblatt. Beim Kraftfahrtbundesamt sollte zudem künftig verstärkt auch der Verbraucherschutz eine Rolle spielen, so Kelber weiter. Wie bei anderen Institutionen auch, etwa der Bundesfinanzaufsicht Bafin, sollte deshalb ein Verbraucherbeirat eingesetzt werden, wo Vertreter der Verbraucherseite in die Aufgaben der Behörde miteingebunden würden.

Wie Kelber hält auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, Konsequenzen für unabdingbar. Die Verbraucher hätten jegliches Vertrauen in die Qualität der Kontrollen verloren „mit schweren Folgen für den Automobilstandort Deutschland“, sagte Janecek dem Handelsblatt. Daher seien „nachvollziehbare unabhängige Kontrollen“ nötig, um den Vertrauensverlust wieder gut zu machen. Doch „Dobrindt als Schutzherr der Trickser und Täuscher“ sei hierzu „augenscheinlich nicht bereit“. 

Die Dieselkunden seien vielmehr „die Gelackmeierten einer Politik, die über Jahre die betrügerischen Machenschaften der Industrie bewusst in Kauf genommen und gedeckt hat“. Gerade Dobrindt habe jede Glaubwürdigkeit hinsichtlich „ehrlicher und konsequenter Kontrollen“ verspielt. „Er sollte endlich zusammen mit der Industrie die Verantwortung dafür übernehmen, dass Millionen Dieselbesitzer jetzt mit Fahrverboten und Wertverlust zu rechnen haben.“

Auch Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, sieht eine Mitverantwortung der Bundesregierung im Dieselskandal. „Natürlich kann man nur sauber und streng prüfen, wenn man dazu die rechtlichen Grundlagen geschaffen hat“, sagte Dudenhöffer dem Handelsblatt. Das Bundeskabinett habe aber mit der EU-Kommission in Brüssel die sogenannten Thermofenster geschaffen, „also Schlupflöcher, um die Abgasreinigung von Diesel-Pkw ganz oder teilweise auszuschalten“.  Und diese Thermofenster sei „noch nicht mal sauber definiert“, kritisiert der Autoexperte. „Kein Mensch weiß heute, welche Thermofenster legal, halblegal oder illegal sind.“ 

Das Thermofenster regelt die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunter. Die Hersteller argumentieren, dass so Bauteile im Motor geschützt werden. Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe hingegen kritisieren, dass die entsprechende EU-Verordnung zu weit ausgelegt werde. 

Dudenhöffer sagte dazu: „Um nicht noch mehr volkswirtschaftlichen Schaden zu verursachen, sollten die Politiker endlich ihre Thermofenster schließen.“ Auch brauche man keine „Kanzler-Gipfel für Software-Nachbesserungen“, genauso wenig wie Verbraucherbeiräte beim Kraftfahrtbundesamt. „Wir brauchen richtige Abgasgesetze und kompetente Umweltbehörden wie in den USA“, so der Experte. Wenig hilfreich seien hingegen „moralische Appelle“ an die Autoindustrie oder „wenig kompetente“ Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt.

Die Bundesregierung sieht indes trotz der laufenden Ermittlungen gegen Daimler keinen Anlass, an der Dieseltechnologie zu zweifeln. Dieselfahrzeuge würden gebraucht, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, hieß es in Regierungskreisen. Es sei daher falsch, den Diesel „pauschal als nicht zeitgemäße Technologie zu verurteilen und innerstädtische Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu fordern“.

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