Diesel-Fahrverbote Die deutsche Wirtschaft warnt und bittet

Das Urteil aus Leipzig macht den Weg für Diesel-Fahrverbote frei. Für Handwerker und Unternehmer vielerorts ein Schock. Quelle: dpa

Das Urteil zu Diesel-Fahrverboten frei. Handwerkern und Unternehmern treibt das vielerorts Schweißperlen auf die Stirn. Die deutsche Wirtschaft zeichnet ein dunkles Bild von den Folgen.

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Diesel-Fahrverbote sind zulässig, hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt. Deshalb werden sie auch kommen. Dass dieser Zeitpunkt früher oder später erreicht würde, das war auch Unternehmen, Verbänden und Handwerkern klar. Viele hatten aber gedacht - oder vielleicht auch einfach gehofft - dass es bis dahin noch länger dauern würde. Einige Jahre zumindest, um bis dahin die eigenen Flottenfahrzeuge ausgetauscht zu haben. Oder bis Elektroautos tatsächlich erschwinglich sind. Nun hat das Urteil in Leipzig aber auch die letzten Diesel-Optimisten aufschrecken lassen. Denn nun könnten Städte jederzeit eigene Fahrverbote einführen. Hamburg gibt dafür bereits den Startschuss. Zwar vorerst nur für bestimmte Fahrzeuge in zwei ausgewählten Straßen. Aber die schnelle Reaktion der Hansestadt, die ihre Pläne für Fahrverbote bereits in der Schublade hatte, zeigt, wie schnell es nun gehen kann. Die Reste ist nicht mehr von ein paar Jahren, sondern ein paar Monaten.

Diese Entwicklung vor Augen malt ein großer Teil der deutschen Wirtschaft ein dunkles Bild von der Zukunft - vielleicht in der Hoffnung, dass Bund und Kommunen irgendwie doch noch erbarmen haben könnten. Auch sie waren darauf vorbereitet, dass die Fahrverbote Realität werden könnten und und warnen davor, dass die Folgen von Diesel-Fahrverboten für die Wirtschaft verheerend sein könnten. Gleichzeitig fordern die Branchenvertreter konkrete Regeln - und Ausnahmen für die eigenen Mitglieder. Ein Überblick:

Handwerk
Handwerksvertreter warnen nach dem Diesel-Urteil vor den Folgen für die Zünfte. "Den meisten Betrieben würde durch ein Fahrverbot die Existenzgrundlage entzogen. Die Folgen wären Unternehmensschließungen und Arbeitsplatzverluste", sagte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, dem "Handelsblatt". Viele Betriebe hätten Fuhrparks mit Dutzenden Dieselfahrzeugen. Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge seien drei, maximal vier Jahre alt. "Diese Betriebe könnten es wirtschaftlich nicht verkraften, wenn sie gezwungen wären, ihre Fahrzeugflotte zu erneuern." Auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer reagierte alarmiert: "Werden Dieselfahrzeuge aus der City verbannt, kann es zu großen Verwerfungen bei der Nahversorgung kommen." Zudem gab es Forderungen nach speziellen Vorgaben oder Ausnahmen für Handwerksbetriebe. Handwerksvertreter sehen hier Bund und Kommunen in der Pflicht. "Fahrverbote sind nicht alternativlos", so Wollseifer. Es gebe bessere Lösungswege für die Schadstoffprobleme in Städten.

Handel
Handelsvertreter fürchten verheerende Folgen sowohl für die Lieferketten als auch die Innenstädte. Der Handelsstandort Innenstadt müsse für Logistik und Kunden auch weiter erreichbar sein, hieß es vom Einzelhandelsverband HDE. Deshalb seien ganzheitliche Konzept für eine Verkehrswende nötig. Der Präsident des Handelsverbands, Josef Sanktjohanser, sagte: „Attraktive Innenstädte brauchen saubere Luft. Aber mit Fahrverboten macht man kaputt, was vielerorts über die letzten Jahre aufgebaut wurde.“ Kunden könnten sich auf Geschäfte auf der „grünen Wiese“ oder den Online-Handel umorientieren. Außerdem, so der Handelsverband, seien die meisten gewerblich genutzten Autos Diesel-Fahrzeuge. Deshalb drohten Unternehmen zu den Hauptleidtragenden von Fahrverboten zu werden. Die Politik müsse nun Weichen für eine Verkehrswende stellen und etwa neue Antriebsformen stärker fördern. Vorgaben für Belieferungen in der Nacht sollten gelockert werden, um den Verkehr am Tag entzerren zu können.

Mittelstand
Auch die Mittelständler hoffen auf Ausnahmeregelungen um Logistik- und Lieferketten aufrecht erhalten zu können. Das sei "unbedingt erforderlich" sagt der NRW-Landesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Herbert Schulte. Ansonsten könnten die Fahrverbote für viele Unternehmen existenzbedrohende Formen annehmen, so die Befürchtungen: "Die Entscheidung ... gefährdet die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen", warnte BVMW-Präsident Mario Ohoven.

Logistik
Ins gleiche Horn blasen die Spediteure: Sie sehen die Versorgung der Innenstädte wegen Fahrverbots-Urteils gefährdet. "Sollten die Kommunen das Urteil jetzt als Grundlage für weitere Verkehrsbeschränkungen nutzen, werden Speditionen und Paketlogistiker trotz moderner Fahrzeugflotten ihren Versorgungsauftrag für den innerstädtischen Handel und die Wohnbevölkerung kaum noch erfüllen können", sagte der Hauptgeschäftsführer des Speditions- und Logistikverbands, Frank Huster, dem "Handelsblatt".

Industrie
Die deutsche Industrie fordert genauso vehement, dass, nach Alternativen für Fahrverbote gesucht werden müsse. "Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sollte die Politik in Kommunen, Ländern und Bund veranlassen, alle Alternativen für Emissionsminderungen und intelligenter Verkehrslenkung schonungslos zu untersuchen", sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Niemand wolle den Gesundheitsschutz verringern, aber es gelte auch das Eigentum von Millionen Dieselhaltern zu beachten. Die Unternehmen bräuchten Rechts- und Planungssicherheit. Auch der Maschinenbau-Verband VDMA hält generelle Fahrverbote für Diesel-Autos für den falschen Weg, um Schadstoff-Probleme in Städten zu lösen. Weit besser wäre eine bessere Verkehrslenkung und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr, meinen die Maschinenbauer.

Mit Material von dpa und Reuters

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