Dieter Salomon Grüner Bürgermeister muss in Freiburg um sein Amt bangen

Dem ersten grünen Oberbürgermeister einer Großstadt droht nach 16 Jahren im Amt die Abwahl. Für die Grünen wäre das ein schlechtes Zeichen.

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Der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (l.) auf seiner Wahlkampfveranstaltung mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Quelle: dpa

Berlin Am 22. April wurde Dieter Salomon auf ziemlich kaltem Fuß erwischt. Er, der 2002 erster Grüner Oberhaupt einer deutschen Großstadt wurde – und dem die Freiburger 2010 eine zweite Amtszeit gewährten. Es war durchaus eine grüne Erfolgsgeschichte im Südwesten der Republik, die der 57-Jährige 2018 fortsetzen wollte. Lange schien die Wahl entschieden, auch, weil CDU und SPD keinen Herausforderer präsentierten. Und Salomon setzte vor allem auf den Amtsbonus.

Parteiloser siegte im ersten Wahlgang

Doch die Rechnung ging nicht auf. Lediglich 31,3 Prozent der Stimmen entfielen im ersten Wahlgang auf Salomon, der später von einem „Denkzettel“ sprach, von einem Trend gegen das Establishment. Auf Platz eins in der Studentenstadt landete der 33-jährige Parteilose Martin Horn, ein politischer Newcomer, auf Platz drei die Stadträtin Monika Stein, 48, eine ehemalige Grüne, die für ein linkes Bündnis kandidiert hatte.

Am Sonntag steht der zweite Wahlgang an. Und wie Salomon, der von den Grünen und der CDU unterstützt wird, stellen sich auch Martin Horn und Monika Stein abermals zur Wahl. Dazu ein weiterer Parteiloser, Anton Behringer, der aber inzwischen zur Wahl von Horn aufgerufen hat. Einen weiteren Wahlgang wird es nicht geben. Wer an diesem Sonntag die meisten Stimmen bekommt, wird neues Stadtoberhaupt von Freiburg.

Sollte Salomon abgewählt werden, wäre das auch für den grünen Ministerpräsidenten im Land, Winfried Kretschmann, ein schlechtes Zeichen. Beide ticken politisch ähnlich. Beide verbindet, dass sie gegenüber den Grünen gerne ihre Eigenständigkeit betonen. Und dass sie eine Politik machen, die auch Konservative bedient, sagte jüngst der Freiburger Politikwissenschaftlicher Ulrich Eith der Stuttgarter Zeitung.

Doch Kretschmanns grün-schwarze Regierung im Ländle hat gerade nicht ihre beste Zeit. Und es besteht die Gefahr, dass die grünen-skeptische Stimmung nicht an den Grenzen Freiburgs haltmacht.

Möglicher Rückschlag für neu formierter Grüne

Eine Abwahl Salomons würde auch die Aufbruchstimmung der Bundesgrünen empfindlich treffen. Zwar sitzen sie, anders als von ihnen erhofft, nicht auf der Regierungsbank, sondern sind abermals in der Opposition gelandet – noch dazu als kleinste Fraktion.

Gepunktet haben die Grünen indes durch ihre ernsthaften Bemühungen, eine Koalition mit Union und FDP zu bilden. Dass das Jamaika-Bündnis nicht zustande kam, wird nicht den Grünen angelastet. Zudem hat sich die Parteispitze mit Robert Habeck und Annalena Baerbock neu formiert – und tritt seitdem geeint und mit frischem Engagement auf, was die Zustimmungswerte nach oben steigen lässt. Meinungsumfragen sehen sie derzeit zwischen 11 und 13 Prozent. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 waren sie über 8,9 Prozent nicht hinausgekommen.

„Die Grünen versuchen, sich in ihrer neuen Rolle als Oppositionspartei einzurichten“, sagte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte dem Handelsblatt. Das aber mit einigem Erfolg: „Potenzial ist vorhanden“, ist Korte überzeugt: „Vor allem Robert Habeck, der als Oppositionspolitiker nicht nur herummäkelt, sondern um Zukunftskonzepte ringt, macht die Grünen auch über ihre Stammwähler hinaus interessant.“

Er nehme es Habeck ab, „dass es ihm um die Sache geht“, so Korte. Im Übrigen seien die Grünen schon allein aufgrund ihrer noch immer zahlreichen Beteiligungen an Landesregierungen nicht zu unterschätzen: „Alle Gesetze, die durch den Bundesrat gehen, müssen so gedacht werden, dass die Grünen zustimmen.“ In Schleswig-Holstein regieren sie beispielsweise mit FDP und CDU, in Hessen als Juniorpartner der CDU, in Baden-Württemberg stellen sie mit Kretschmann gar den Regierungschef.

Habeck „kommt extrem gut an“

Die Situation sei gerade günstig für die Grünen, findet auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Baerbock sei bundesweit noch nicht so bekannt, aber Habeck komme extrem gut an. Das sei ein Typus, für den nicht nur Stammwähler ihr Kreuz bei den Grünen machen würden, vermutet er. Erstmals, sagte Güllner, beobachte man derzeit nicht nur Wanderungsströme von der SPD hin zu den Grünen, sondern auch von den Liberalen. „Das liegt an der Enttäuschung, dass die FDP nicht in die Regierung gegangen ist.“

Güllner beziffert das Grünen-Potenzial im Bund auf derzeit rund 15 Prozent, vor allem wenn Union und SPD weiter nach rechts beziehungsweise links strebten. Dann, so der Forsa-Chef, gebe es ein Vakuum in der Mitte, von dem die Grünen profitieren könnten. „Keine Partei“, sieht Politikwissenschaftler Korte darüber hinaus, „steht so für das Kosmopolitische, das unterscheidet sie noch mehr von den anderen Parteien als ökologische Themen.“

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