Digitalisierung Angst vor zu vielen Regeln

Pünktlich zur Technikmesse Cebit hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Weißbuch für eine neue digitalen Ordnungspolitik vorgelegt. Die Kritik von Wirtschaft und Politik ließ nicht lange auf sich warten.

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A robot is displayed at the Robotics Innovation Center booth during preparations at the CeBit computer fair, which will open its doors to the public on March 20, at the fairground in Hanover, Germany, March 18, 2017. REUTERS/Fabian Bimmer Quelle: Reuters

Berlin Die Bundesregierung ist sich einig: Der digitale Wandel verunsichert die Deutschen. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Auftakt der Technikmesse Cebit betont. Und nur wenige Stunden später hat Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig vorgelegt, wie sich das Bundeswirtschaftsministerium eine Antwort auf diese Unsicherheit vorstellt.

Auf mehr als 100 Seiten plädiert das SPD-geführte Wirtschaftsministerium für mehr Transparenz im Internet, mehr Durchgriffrechte bei Marktmachtmissbrauch, eine rechtliche Gleichstellung von sogenannten OTT-Diensten wie WhatsApp und Skype mit klassischen Telekommunikationsunternehmen und mehr Anreize zum Ausbau der Netzinfrastruktur. Die Kritik an dem Mammutwerk, mit dem nicht weniger als eine „neue digitale Ordnungspolitik“ angestrebt wird, ließ nicht lange auf sich warten.

„Das Weißbuch geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung“, sagte Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht beim Internetverband Eco dem Handelsblatt. Zu dem Zusammenschluss gehören unter anderen Facebook und Google, die von den im Weißbuch aufgeführten neuen Regeln besonders betroffen wären. „Eine Verschärfung der Regulierung sowie die pauschale Hochregulierung sogenannter OTT-Dienste widerspricht allen praktischen Bedürfnissen der digitalen Ökonomie, für wettbewerbsrechtlich riskant halten wir insbesondere die separate Regulierung von digitalen Plattformen“, so Süme. Das Weißbuch tendiere zu „überzogenen regulatorischen Ansätzen“, wie beispielsweise dem Eigentumsrecht an Daten, hieß es auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Etwas milder gestimmt war der IT-Verband Bitkom, der das Weißbuch grundsätzlich begrüßte. „Wir teilen das Ergebnis dieser ersten Analyse, dass in der Plattformwirtschaft ein enormes wirtschaftliches Potenzial steckt“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder dem Handelsblatt. Von zentraler Bedeutung sei es nun aber, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, damit sich die Erkenntnisse auch in dem richtigen praktischem Handeln niederschlagen. „Ganz wichtig dabei ist, dass wir uns nicht in einem europäischen Regulierungs-Klein-Klein verlieren“, mahnte Rohleder.


„PR-Aktion der Bundesregierung“

Auch Hubertus Porschen, der als Vorsitzender des Verbands „Die Jungen Unternehmer“, insgesamt 1500 von jungen Inhabern geführte Familienunternehmen vertritt, ist skeptisch. „Der Schutz bestehender Geschäftsmodelle gegen technische Entwicklungen darf kein Leitmotiv von Regulierung sein“, mahnte er. Im Weißbuch werde einerseits darauf hingewiesen, dass Regulierung junge Unternehmen nicht behindern soll, so Porschen. „Andererseits bieten viele der einzelnen Vorschläge genau hierfür viel Potential“, kritisierte er.

Kritik kam auch von Union und Grünen. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und netzpolitischer Sprecher der Grünen, bezeichnete die Vorstellung des Weißbuchs als „PR-Aktion der Bundesregierung, um von ihrer netzpolitischen Untätigkeit abzulenken.“ Zwar teilte er die Einschätzung, dass Verbraucherschutz und Wettbewerbsrecht dringend auf die digitale Dynamik eingestellt werden müssen. „Weil man in den vergangenen vier Jahren eine konkrete Reform verschlafen hat, wird nun kurz vor Torschluss ein Weißbuch vorgelegt, das allein dem Wahlkampf geschuldet ist.“ Es brauche klare Wettbewerbs- und Transparenzregeln, um monopolitische Verzerrungen auf digitalen Plattformen effektiv zu verhindern, so von Notz.

In die gleiche Kerbe schlägt auch die Union. „Das Weißbuch ist sinnvoll, aber es kommt zu spät, so hat es vor allem Wahlkampfcharakter“, sagte Thomas Jarzombek, digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „In dem Weißbuch wird vor allem darauf eingegangen, wo noch Grenzen gezogen werden müssen“, kritisierte er. „Neben der Risikobewertung ist aber auch eine Chancenbewertung nötig. Wie Daten zugänglicher für neue Geschäftsmodelle gemacht werden können, kommt darin zum Beispiel nicht vor“

Für Kritik sorgte unter anderem auch die vor allem von Wirtschaftsstaatssekretär Machnig vorangetrieben Idee einer Digitalagentur, die als zusätzlich Behörde neben Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur unter anderem die Internetwirtschaft im Auge haben soll. „Hier ist Doppelregulierung quasi schon vorprogrammiert“, meint Eco-Vorstand Süme.

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