Digitalisierung Anwälte warten immer noch auf das elektronische Postfach

Ein elektronisches Anwaltspostfach für den Rechtsverkehr mit Gerichten sollte längst am Start sein. Doch das System ist weiter offline.

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Der Mailverkehr zwischen Anwälten und Gerichten sollte über ein separates Netzwerk elektronisch ablaufen. Wegen Sicherheitslücken verzögert sich der Start. Quelle: dpa

Berlin Der Berliner Pannenairport BER und das elektronische Anwaltspostfach haben eine unerwartete Gemeinsamkeit: Bei beiden scheint in den Sternen zu stehen, wann der Betrieb endlich aufgenommen werden kann. Im Falle des „besonderen elektronischen Anwaltspostfachs“ (beA) war zumindest ein Empfang von Nachrichten ursprünglich für Januar 2016 geplant.

Dann kam es zu technischen Verzögerungen und Zwischenfällen, dem An- und wieder Abschalten der Mailplattform. Die zuständige Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kann derzeit keinen Starttermin für das Anwaltspostfach nennen.

Und auch das Bundesjustizministerium (BMJV), das die Staatsaufsicht über die BRAK führt, tappt offenbar im Dunkeln. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. „Der Bundesregierung ist derzeit noch kein konkreter Termin für die Wiederinbetriebnahme des baA bekannt“, heißt es in dem Schreiben. Die Staatsaufsicht über die BRAK beschränke sich darauf, dass Gesetz und Satzung beachtet würden. Das BMJV stehe mit der BRAK in Kontakt, um sicherzustellen, dass das beA entsprechend den gesetzlichen Vorgaben „so zügig wie möglich“ wieder in Betrieb genommen werden könne.

„Die Antworten des Bundesjustizministeriums sind nicht gerade befriedigend“, sagte die FDP-Abgeordnete und Rechtsanwältin Katrin Helling-Plahr dem Handelsblatt. „Wichtige Fragen konnte die Bundesregierung bisher nicht beantworten: Wann geht das beA wieder ans Netz?“, kritisiert Helling-Plahr. Das System betrifft alle 165.000 Anwälte der Republik.

Eigentlich war es gesetzlich vorgeschrieben, dass ab dem 1. Januar 2018 Anwälte für Kollegen und Gerichte über das Anwaltspostfach erreichbar sein müssen. Doch kurz vor Jahresende musste die Mailplattform wegen Sicherheitslücken abgeschaltet werden. Ein geheimes Zertifikat von der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer erwies sich als Einfallstor für Hacker-Attacken.

Die Anwaltschaft wurde aufgefordert, die aktuelle Software auf den Kanzleirechnern sofort zu deinstallieren. Zuvor hatten zunächst technische Probleme den Start zum Jahresbeginn 2017 verhindert. Dann gab es juristische Auseinandersetzungen vor dem Anwaltsgerichtshof, weil sich Rechtsanwälte gegen die Nutzungspflicht wehrten. Das kurzeitig in Betrieb genommene System ging dann wieder offline, als der Chaos Computer Club auf eklatante Sicherheitslücken aufmerksam machte.

Der Bundesregierung seien die momentan diskutierten Fragen zur Sicherheit des beA bekannt, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Sie prüfe im Rahmen ihrer Staatsaufsicht die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben zur Sicherheit des beA. „Diese Überprüfung ist derzeit noch nicht abgeschlossen“, heißt es in dem Schreiben.

Der FDP-Abgeordneten Helling-Plahr reicht das allerdings nicht. „Wer hat eigentlich Zugriff auf die privaten Schlüssel der Rechtsanwälte?“, hinterfragt sie. Das Bundesjustizministerium und sein geschäftsführender Minister Heiko Maas (SPD) müssten dringend mehr tun, als nur „zu prüfen“ und mit der Bundesrechtsanwaltskammer „in Kontakt“ zu stehen, fordert sie.

Eine beruhigende Nachricht für die Anwaltschaft fand sich indes in dem Schreiben der Bundesregierung. Demnach wird das anwaltliche E-Mail-System nicht als öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienst gewertet. Das beA biete seine Funktion zum Senden und Empfangen von Nachrichten lediglich Rechtsanwälten und damit „einer geschlossenen Benutzergruppe“ an, erklärt die Bundesregierung.

Öffentlich zugänglich im Sinne des Telekommunikationsgesetzes sei dagegen nur ein Telekommunikationsdienst, „der nicht nur einem begrenzten, sondern einem grundsätzlich unbeschränkten Personenkreis zur Verfügung steht.“ Diese Festlegung hat mit Blick auf Überwachung und Terrorabwehr Folgen: „Im Hinblick auf das Thema Vorratsdatenspeicherung ist die Antwort immerhin positiv“, betont denn auch Helling-Plahr. „Im beA muss nach Ansicht des BMJV keine Schnittstelle zur Telekommunikationsüberwachung vorgehalten werden.“

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