Digitalsteuer Finanzminister Scholz eiert – aus Liebe zu Frankreich

Digitalsteuer: Olaf Scholz gibt zugunsten Frankreichs nach Quelle: REUTERS

Der Bundesfinanzminister hat kein Interesse an einer Google-Steuer, weil sie die internationalen Besteuerungsregeln zulasten Deutschlands ändern würde. Doch für Paris nimmt er einen faulen Kompromiss in Kauf.

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Einen Durchbruch haben die EU-Finanzminister bei der Besteuerung großer US-Digitalkonzerne verkündet. Einen typischen für 28 Mitglieder: Man wolle bis zum nächsten Frühjahr noch auf einen Vorschlag der OECD warten, und wenn der nicht komme, dann wolle die EU ab 2021 die Online-Werbeumsätze mit drei Prozent besteuern. Es klingt wie ein Stufenplan, ist jedoch in Wirklichkeit das weitere Herauszögern einer Entscheidung. Zu groß war diesmal wohl der Druck der Franzosen, und gerade der deutsche Vertreter Olaf Scholz (SPD) wollte seinen Pariser Kollegen Bruno Le Maire nicht weiter brüskieren.

Tatsächlich hätte Scholz aber drei gute Gründe, nicht um Le Marie herumzutänzeln. Erstens widerspricht die in Aussicht gestellte Ausgleichssteuer den internationalen Regeln, die klar eine Besteuerung des Gewinns dort vorsieht, wo die Wertschöpfung stattfindet. Zweitens profitiert gerade Deutschland als exportorientiertes Land von diesem Wertschöpfungs-Grundsatz. Und drittens sorgt die US-Steuerreform von Ende 2017 dafür, dass die US-Digitalkonzerne keine weißen Einkünfte mehr im Ausland erwirtschaften können, sondern es zu einer Mindestbesteuerung kommt. Mit anderen Worten: Die Franzosen führen einen gestrigen Feldzug gegen Google, Apple, Facebook und Co, sie wollen genauso wie viele linke Politiker hierzulande die Digitalsteuer um jeden Preis.

Ist die Zustimmung von Scholz zu einem Digitalsteuerpakt nun Realpolitik? Vielleicht, wenn diese Steuer wichtig ist für den Fortbestand der deutsch-französischen Achse. Vielleicht könnte Scholz aber auch an anderer Stelle die deutsch-französischen Bande stärken. Dort, wo es sinnvoller für beide Länder und die EU wäre. Etwa in der Verteidigungspolitik, bei der Sicherung der EU-Außengrenzen oder industriepolitischen Leuchtturmprojekten. Man könnte denken: Weil Deutsche und Franzosen hier aber nicht aus dem Quark kommen, einigen sie sich auf einen faulen Kompromiss bei der Digitalsteuer.

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von Silke Wettach

Das gleiche gilt übrigens auch für die Finanztransaktionssteuer (FTT). Hier eiern die Deutschen schon seit sieben Jahren herum. Dabei ist schon das ursprüngliche Ziel, Börsengeschäfte insbesondere für Spekulanten zu verteuern, auf seinen Sinn zu hinterfragen. Der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war zumindest so geschickt, es nie zu einer Einigung auf die FTT kommen zu lassen. Nachfolger Scholz aber sehnt sich nach einem Erfolg und kam den Franzosen entgegen, die nur Aktiengeschäfte besteuern möchten. Eine solche FTT light würde aber den ganzen Derivatehandel ausgrenzen und damit den ohnehin zweifelhaften Sinn völlig infrage stellen. Schade, dass Europa solch eine Politik ertragen muss.

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