Diplomatische Spannungen Polen zitiert deutschen Botschafter ins Außenministerium

Wegen „antipolnischen Äußerungen deutscher Politiker“ hat der polnische Außenminister den deutschen Botschafter in Warschau in sein Ministerium zitiert. Für das Verhältnis bedeutet das eine Belastungsprobe.

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Witold Waszczykowski bei einem Besuch im Auswärtigen Amt in Berlin. Quelle: dpa

Warschau Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat Rolf Nikel, den deutschen Botschafter in Warschau, für Montag um ein Treffen im Ministerium gebeten. Grund seien die „antipolnischen Äußerungen deutscher Politiker“, hieß es in einer Mitteilung von Ministeriumssprecher Artur Dmochowski vom Sonntag. Nach Angaben eines Sprechers der deutschen Botschaft handele es sich nicht um eine formelle Einbestellung. „Wir erwarten ein Gespräch unter Partnern“, fügte er hinzu. Das Ministerium habe am Samstagabend zu dem Gespräch am Montagmorgen gebeten.

Mehrere deutsche Politiker hatten in den vergangenen Tagen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit mehrerer Gesetze der nationalkonservativen Regierung in Warschau geäußert. In der kommenden Woche berät die EU-Kommission über die Lage in Polen.

Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz warf Deutschland und anderen westlichen Staaten vor, sich in die Souveränität Polens einzumischen. „Wir werden unser Programm umsetzen“, sagte Macierewicz in der Sendung „Die Stimme Polens“ des rechtskatholischen Fernsehsenders „TV Trwam“. Der Minister reagierte damit auf Kritik an umstrittenen Gesetzen der neuen nationalkonservativen Regierung. Polen werde sich nicht von Deutschland „über Demokratie und Freiheit belehren“ lassen, sagte Macierewicz.

Die Proteste gegen das neue Mediengesetz, das der Regierung die Besetzung der Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien ermöglicht, wies er zurück. „Wir haben es mit einem Aufstand eines Teils der früheren Eliten gegen das Volk zu tun, gegen diejenigen, die die Wahlen gewonnen haben“, sagte Macierewicz. „Niemandem wird die Redefreiheit genommen, im Gegenteil, sie kehrt zur Mehrheit des Volkes zurück, dem sie (unter der liberalkonservativen Vorgängerregierung) entzogen war.“

In Polen hatten am Samstag Zehntausende Menschen im ganzen Land gegen das neue Mediengesetz und die ersten Entlassungen von Journalisten protestiert. In der kommenden Woche berät die EU-Kommission über die Lage in Polen. Sie werde am Mittwoch in die vertiefte Prüfung von Polens Rechtsstaatlichkeit eintreten, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" vorab. Der Schwerpunkt der Prüfung liege dabei auf der Reform des Verfassungsgerichts, die von der Kommission als unhaltbar angesehen werde.


Oettinger droht mit Konsequenzen

Die Prüfung werde in Abstimmung mit der so genannten Venedig-Kommission des Europarates stattfinden, berichtete die Zeitung. Der Rat arbeite an einem Gutachten dazu, das bis Mitte März vorliegen solle, wegen der Dringlichkeit aber auch vorgezogen werden könne. Auf dieser Grundlage müsse die Kommission dann entscheiden, ob sie formell in einen Prozess einsteige, der Änderungen in Polen zum Ziel habe.

Die rechtsnationale Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) war aus der Wahl in Polen im Oktober als Sieger hervorgegangen und regiert seit Mitte November mit absoluter Mehrheit. Die seither beschlossene Reform des Verfassungsgerichts hatte bereits für massive Verärgerung in der EU-Kommission gesorgt, die dagegen rechtsstaatliche Bedenken geltend machte. Mit dem kurz vor Jahresende verabschiedeten Mediengesetz versucht die Regierung zudem, die öffentlich-rechtlichen Medien an die Leine zu legen. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hat deswegen bereits mit der Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus gedroht. Im Extremfall könnte Polen damit das Stimmrecht in der EU entzogen werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet aber nicht, dass es dazu kommt. Die nationalkonservative Regierung in Ungarn hat Polen bereits ihre Unterstützung zugesagt und angekündigt, notfalls ein Veto gegen Strafen für Warschau einzulegen.


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