DIW-Chef Marcel Fratzscher "Wenn ihr Steuern senken wollt, macht es richtig"

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Senkung der Mehrwertsteuer?

Die Mehrwertsteuer fällt bei den Unternehmen an. Wer sagt denn, dass sie die überhaupt an die Verbraucher weitergeben?
Das ist tatsächlich eines der Fragezeichen. Es gibt aber Studien, die belegen, dass die Unternehmen die Senkung mittelfristig weitergeben müssen – alleine schon wegen des Wettbewerbs. Bei Nahrungsmittel wird das schneller geschehen als bei Autos. Insgesamt glaube ich, dass die Senkung in weniger als zwei bis drei Jahren fast komplett bei den Leuten ankommen wird.

In Ihrem Bericht führen Sie noch ein zweites Argument für die Senkung der Mehrwertsteuer an: Die Verringerung der oft geschmähten deutschen Exportüberschüsse. Sind dafür aber nicht eher die Politik der EZB und der niedrige Euro-Kurs verantwortlich?
Das ist ehrlich gesagt kompletter Unsinn. Politiker führen dieses Argument gerne ins Feld, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Aber der Euro-Wechselkurs spielt für die deutsche Handelsbilanz nur eine geringe Rolle. Schließlich exportieren wir vor allem in europäische Länder oder Staaten, deren Währung an den Euro-Kurs gekoppelt ist. Viel wichtiger sind die geringen Importe.

Und was haben die mit der Mehrwertsteuer zu tun?
Wenn die Mehrwertsteuer sinkt, haben die Menschen mehr Geld zur Verfügung. Also geben sie auch mehr aus. Der Konsum steigt. Dadurch steigen automatisch die Importe, die ja einen Teil unseres Konsums ausmachen.

Mehrwertsteuer-Senkung: Ja oder Nein?

Aber die Kauflaune der Deutschen ist doch ohnehin schon sehr hoch. Das HDE-Konsumbarometer hat zuletzt einen Höchststand nach dem anderen gerissen.
Naja, aber es ist trotzdem noch recht viel Luft nach oben, denn so stark sind Löhne und Einkommen auch in den letzten Jahren nicht gestiegen. Ich behaupte übrigens auch nicht, dass die Senkung der Mehrwertsteuer der größte Wurf ist, um den deutschen Handelsbilanzüberschuss zu drücken. Aber es wäre ein guter Nebeneffekt einer Mehrwertsteuersenkung und wäre auch ein wichtiges Signal an unsere Nachbarn, dass wir deren Kritik an unseren Handelsüberschüssen ernst nehmen. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen sozusagen.

Angst vor Inflation haben Sie nicht?
Ach, es ist doch nicht so, dass sich die Deutschen gerade massiv verschulden würden. Von einer Überhitzung der Wirtschaft sind wir noch deutlich entfernt.

Die AfD würde die Mehrwertsteuer am liebsten gleich um sieben Prozentpunkte senken. Wären Sie da auch noch dabei?
Sieben Prozentpunkte sind absolut unrealistisch. Das würde mindestens 77 Milliarden Euro kosten, die Verschuldung wieder erhöhen und zu Lasten der jungen Generation gehen.

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