DIW-Studie „Wir sehen derzeit eine höchst unsoziale Inflation“

Von der starken Inflation sind vor allem einkommensschwache Haushalte betroffen. Anders als Gutverdiener könnten die Ärmeren die Preissteigerungen für lebensnotwendige Güter nicht durch Einsparungen oder Rücklagen ausgleichen, warnte Diakonie-Präsident Lilie. Quelle: dpa

Angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs steigt die Inflation weiter an. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht ärmere Haushalte überproportional stark betroffen. Die Diakonie sieht einen Ausweg.

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Aufgrund der immer weiter steigenden Inflation schlägt die Diakonie Deutschland eine zielgerichtete Entlastung einkommensschwacher Haushalte vor. Viele Menschen drohten wegen der gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel in Armut zu rutschen, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am Mittwoch und verwies auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Lilie plädierte für einen auf sechs Monate befristeten Krisenzuschlag von mindestens 100 Euro pro Monat für einkommensschwache Haushalte, die bereits staatliche Hilfen wie Wohngeld, Kinderzuschlag oder Grundsicherung erhalten. Der Vorschlag sei pragmatisch, zeitlich begrenzt und mit Kosten von etwa 5,4 Milliarden Euro auch bezahlbar, sagte Lilie.

Der DIW-Studie zufolge leiden ärmere Haushalte überproportional stark unter der rasanten Teuerung, was in vielen Fällen zu existenzbedrohenden Krisen führt. Demnach geben die einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushalte gut 62 Prozent ihres Konsums für die Preistreiber Nahrungsmittel, Wohnen und Haushaltsenergie aus. Bei den einkommensstärksten 20 Prozent seien es nur rund 44 Prozent.

Anders als Gutverdiener könnten die Ärmeren die Preissteigerungen für lebensnotwendige Güter nicht durch Einsparungen oder Rücklagen ausgleichen, warnte Diakonie-Präsident Lilie. „In einem Sozialstaat müssen diejenigen vorrangig entlastet werden, die von einer Krise am härtesten getroffen werden.“ Die bisherigen Einmalzahlungen kämen wie Almosen daher und reichten nicht aus.

„Wir sehen derzeit eine höchst unsoziale Inflation“, betonte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Bei einer Jahresteuerung von rund 7,1 Prozent im Jahresschnitt 2022 liege die relative Belastung der untersten zehn Prozent der Haushalte fast fünf Mal höher als die der einkommensstärksten zehn Prozent. „Die Politik muss einen Weg finden, die Härten insbesondere für einkommensschwache Haushalte abzufedern.“ Diese hätten kaum die Möglichkeit, ihr Konsumverhalten anzupassen, da ein Großteil des Einkommens ohnehin in Produkte des täglichen Bedarfs fließe. Einmalzahlungen stellten nur eine vorübergehende, aber keine dauerhafte Lösung dar. „Wir brauchen permanent höhere Löhne und Sozialleistungen“, erklärte der DIW-Chef.

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Die Inflation in Deutschland ist wegen staatlicher Entlastungen durch Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket im Juni zwar leicht auf 7,6 Prozent gesunken. Die Teuerung bleibt damit wegen der gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel aber nahe von Rekordwerten. Im Mai war die Inflation mit 7,9 Prozent so hoch ausgefallen wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr.

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