DIW zur Frauenquote in Vorständen „Frauen haben den Mutti-Malus“

In der deutschen Wirtschaft sind Frauen in Führungspositionen noch immer die Ausnahme. Warum das so ist und warum die Lage in der Finanzbranche besonders schlimm ist, erklärt DIW-Ökonomin Elke Holst.

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Vor allem in Vorständen der Finanzbranche sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Quelle: dpa

Berlin Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) untersucht jährlich die Repräsentation von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen sowie in Aufsichts- und Verwaltungsräten der größten Unternehmen in Deutschland. Die Ergebnisse werden in Form des DIW-Managerinnen-Barometers veröffentlicht. So auch heute. Die Ergebnisse sind vor allem für den Finanzbereich ernüchternd. Danach ist der Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten der 100 größten Banken in Deutschland im vergangenen Jahr jeweils leicht auf knapp neun beziehungsweise 23 Prozent gestiegen. Bei den 60 größten Versicherungen ist die Dynamik hingegen zum Erliegen gekommen: In beiden Gremien ging der Frauenanteil etwas zurück, auf gut neun beziehungsweise knapp 22 Prozent. Wie der Rückgang zu erklären ist, erläutert Elke Holst. Sie leitet den Forschungsbereich Gender Studies beim DIW.

Frau Holst, „die Quote wird Strukturen aufbrechen und Frauen auf allen Ebenen zu Gute kommen“, hat Justizminister Heiko Maas einmal gesagt. In den Führungsgremien des Finanzsektors ist dem aber nicht so, wie Ihre Untersuchung zeigt. Warum sind die Spitzenposten dort nach wie vor fest in Männerhand?
Das ist eine gute Frage. Studien deuten auf eine besonders männerdominierte Führungskultur im Finanzbereich hin. Es gibt dann weniger Anreize, Geschlechterstereotype und Rollenzuschreibungen zu ändern. Eine Modernisierung der Unternehmenskultur ist aber sehr wichtig.

Welche Rolle spielt dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Eine sehr große. Denn oft arbeiten Frauen – die letztlich fast immer noch für die unbezahlte Arbeit in Haushalt und Familie verantwortlich sind – in Teilzeit. Diese Beschäftigungsform hindert sie dann daran, so weit aufzusteigen, dass sie für eine hohe Führungsposition infrage kommen. Es braucht eine moderne Unternehmenskultur, die dies berücksichtigt und Menschen in der „Rush Hour“ des Lebens mehr Flexibilität gewährt, ohne damit ihre Karrierechancen zu beschneiden.

Hätten denn Frauen, die Vollzeit arbeiten können, bessere Chancen, eine Führungsposition im Finanzsektor einzunehmen?
Bessere Chancen schon. Aber nicht unbedingt gleiche Chancen wie Männer, wenn Frauen zum Beispiel klischeehaft als Mütter oder Sorgende gedacht werden, die für die Kinder da sind oder die Pflege der Eltern übernehmen und dann ein Loch in die Personaldecke reißen. Frauen, die noch keine Kinder haben, werden übrigens auch oft als potenzielle Mütter gesehen und unterliegen damit indirekt dem sogenannten Mutti-Malus. Hier muss dringend umgedacht werden.

Wie können die Karrierehemmnisse für Frauen im Finanzbereich abgebaut werden?
Wichtig ist mehr Zeitsouveränität. Das wollen übrigens auch Männer und insbesondere junge Väter. Auch spätere Karrieren im Alter ab 40 Jahren sollten möglich sein. Insgesamt müssen konsequent Geschlechter-Stereotype bekämpft werden. Heute beinhaltet Führung häufig noch, dass der Mann eine hohe Position ausfüllt und die Frau ihm den Rücken freihält. Das mag im Einzelfall gehen, als generelle Rollenverteilung ist das aber nicht mehr zeitgemäß.

Braucht es auch stärkeren politischen Druck – möglicherweise durch eine Verschärfung bzw. Ausweitung der gesetzlichen Frauenquote auch auf Vorstände?
Ich wünsche mir, dass die Unternehmen es endlich selber schaffen, alle Hierarchieebenen – auch unterhalb des Vorstands – ausreichend mit Frauen zu besetzen. Das vergrößert den Pool an Frauen, die für Spitzenpositionen infrage kommen. Hier sollte der Druck ansetzen, um eine nachhaltige Entwicklung zu beschleunigen. Auf diese Weise können Unternehmen auch die Ausdehnung der Geschlechterquote auf Vorstände verhindern. Wenn nichts passiert, wird der öffentliche Druck definitiv steigen.

Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da? Sind im Ausland die Führungsebenen im Finanzbereich auch männerdominiert?
Wir haben uns das nur indirekt anschauen können, indem wir uns die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen im europäischen Vergleich angeschaut haben. Sie ist ja Ausdruck der Verteilung von gut bezahlen Stellen und Posten auf die Geschlechter. Und in der Tat war diese Lücke bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen im Branchenvergleich meist am größten. Im Jahr 2015 – das ist das aktuellste Jahr, für das Vergleichsdaten vorliegen – lag der Gender Pay Gap im europäischen Durchschnitt bei knapp 15 Prozent, im Finanzbereich jedoch bei 28,5 Prozent und damit fast doppelt so hoch.

Und bei uns?
In Deutschland betrugen die Verdienstlücken 22 beziehungsweise knapp 29 Prozent. Am geringsten war die Differenz in Spanien, wo der Gender Pay Gap bei durchschnittlich knapp 15 Prozent und gut 18 Prozent im Finanzbereich ausmachte; am höchsten lag die Differenz in Polen mit knapp acht Prozent und fast 37 Prozent im Finanzsektor.

Wenn es in der Geschwindigkeit der vergangenen Jahre weiterginge, wie lange würde es dann dauern, bis genauso viele Frauen wie Männer in den Vorständen der Finanzbranche säßen?
Eine einfache lineare Fortschreibung der Entwicklung seit 2006 würde rechnerisch einen Zeitraum von noch etwa 70 Jahren ergeben, bis in den Vorständen von Banken und Versicherungen beide Geschlechter gleich stark vertreten sind. Diese Entwicklung erscheint aber noch zu optimistisch angesichts der nachlassenden Dynamik der vergangenen Jahre und der Tatsache, dass Unternehmen ihre Frauenanteile in Vorständen spätestens ab der Schwelle von 25 Prozent meist nicht weiter erhöhen.

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