Dobrindt-Pläne SPD stellt Bedingungen für selbstfahrende Pkw

Verkehrsminister Dobrindt macht ernst. Mit 80 Millionen Euro fördert er Testfelder für das automatisierte Fahren. Auch einen Rechtsrahmen für den Autopilot im Pkw will er schaffen. Doch der Koalitionspartner bremst.

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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) testet in Ingolstadt (Bayern) einen selbstfahrenden Audi A7 (Archivbild vom 10.04.2015). Quelle: dpa

Berlin Für Alexander Dobrindt (CSU) war es ein Erlebnis der besonderen Art, als er im vergangenen Jahr erstmals ein selbstfahrendes Auto testete. Danach stand für den Verkehrsminister fest: „Automatisiertes Fahren ist keine Science Fiction, in wenigen Jahren werden automatisierte Fahrzeuge im Straßenverkehr unterwegs sein.“

Allerdings sind noch viele, vor allem rechtliche Fragen ungeklärt. Um Rechtssicherheit für die Autofahrer zu schaffen, plant Dobrindt deshalb Ergänzungen im Straßenverkehrsgesetz (StVG). Seinen Gesetzentwurf will der Minister noch in diesem Jahr durch den Bundestag bringen. Derzeit befinde sich der Entwurf „in der internen Abstimmung und wird nach der Sommerpause vorgelegt“, teile das Ministeriums auf Anfrage mit.

Doch die SPD drückt auf die Bremse. Denn sie hat ganz eigene Vorstellungen über den Einsatz automatisierter Fahrsysteme. „Da in Deutschland jährlich leider immer noch 3500 Verkehrstote zu beklagen sind, ist die Verkehrssicherheit für die SPD ein zentraler Aspekt auch in Zeiten der Digitalisierung“, sagte Johannes Fechner, rechts- und verbraucherschutzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, dem Handelsblatt. Es müsse daher noch „sehr detailliert geprüft werden, was Assistenzsysteme leisten können, wie zuverlässig sie sind und was das für die Haftung des Fahrers, des Halters und des Herstellers bedeutet“.

Fechner betonte, wenn der Autofahrer das Lenkrad loslasse und die Technik übernehme, müsse „klar geregelt“ sein, für was der Fahrer verantwortlich sei. „Angesichts der derzeit noch beschränkten Fähigkeiten der Technik muss der Fahrer immer in der Lage sein, in kritischen Situationen rechtzeitig die Steuerung des Autos wieder zu übernehmen“, betonte der SPD-Politiker.

Ob tatsächlich Änderungsbedarf im „bewährten Haftungssystem“ des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besteht, werde derzeit intensiv geprüft. „Gerichte werden allerdings auch zukünftig im Einzelfall prüfen, ob Unfallbeteiligte Sorgfaltspflichten verletzt haben“, so Fechner.

Kritisch sieht der SPD-Politiker die Aufzeichnung von Fahrtdaten in einer sogenannten Blackbox, wie im Gesetzentwurf von Dobrindt vorgesehen. „Was den Datenschutz angeht, müssen wir verhindern, dass Bewegungsprofile von Personen ohne deren Einwilligung erstellt werden können“, sagte Fechner. „Personenbezogene Daten dürfen deshalb nur mit Zustimmung der Fahrer weitergegeben werden.“ Er teile daher die Einschätzung des Verkehrsgerichtstags, dass Verbraucher umfassend aufgeklärt werden müssen, welche Daten erhoben werden und wer diese Daten erhalten soll. „Der Verbraucher muss über seine personenbezogenen Daten die Hoheit behalten. Nur so lässt sich die Gefahr des Datenmissbrauchs verhindern“, so Fechner.


Testfelder in sechs deutschen Städten

Der möglichen Zulassung des komplett automatisierten Fahrens in Deutschland erteilte Fechner eine klare Absage. Derzeit gehe es lediglich darum, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen „Assistenzsysteme“ eingeführt werden könnten. Diskutiert werde hierzu, welche Sorgfalts- und Aufmerksamkeitspflichten trotz Assistenzsystemen für den Fahrer verbleiben.

Laut dem Gesetzentwurf, über den das Handelsblatt zuerst berichtet hatte, sollen künftig Fahrzeuge betrieben werden dürfen, „die für eine bestimmte Zeit und in bestimmten Situationen“ die Kontrolle übernehmen. Erlaubt sein solle, „dass sich der Fahrzeugführer während der Fahrzeugführung mittels automatisierter Fahrfunktion vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden darf“. Dobrindt hat das selbst auf der A 9 in seiner bayerischen Heimat getestet – und war begeistert.

Die Neuregelung sieht vor, dass der Fahrer weiter am Lenkrad sitzt und „wahrnehmungsbereit“ bleibt, damit er „nach Aufforderung durch das automatisierte System“ wieder übernehmen kann. Vorgeschrieben werden solle in solchen Autos auch ein Chip, der aufzeichnet, wann das System aktiv war und wann der Fahrer fuhr.

Bereits im April hatte das Bundeskabinett eine Regelung auf den Weg gebracht, damit in Autos mehr automatisierte Systeme eingesetzt werden können. Demnach dürfen Computer selbstständig neue Fahraufgaben übernehmen. Die Technik müsse aber so gestaltet sein, dass Fahrer sie jederzeit übersteuern oder abschalten können. Hierbei geht es zum Beispiel um Brems- und Spurhalteassistenten.

Dobrindt forciert derweil sein Projekt und weitet die Testmöglichkeiten für selbstfahrende Autos aus. München, Hamburg, Dresden, Düsseldorf, Ingolstadt und Braunschweig haben den Zuschlag erhalten, Testfelder für das automatisierte Fahren auszuweisen. „Automatisiertes Fahren soll nicht nur im Labor, sondern im Realverkehr entwickelt werden“, sagt Dobrindt zur Begründung. „Dazu wollen wir Straßen in den Innenstädten mit Sensorik und neuen Mobilfunktechnologien ausstatten.“ Am Geld soll es nicht scheitern. Dobrindt will die Einrichtung der Testfelder mit 80 Millionen Euro fördern.

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