Dreckschleudern im Stadtverkehr Ein Bus bläst so viel Stickoxid in die Luft wie 100 Diesel-Pkw

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Was die deutschen Hersteller verschlafen haben

Die heimischen Marktführer MAN und Daimler – zusammen liegt ihr Marktanteil bei Bussen bei rund 90 Prozent – haben die Entwicklung lange unterschätzt, um nicht zu sagen: verschlafen. Nun verkaufen ausländische Hersteller E-Busse an die Verkehrsbetriebe deutscher Städte. Sie begannen weitaus früher als die deutschen Platzhirsche mit der Entwicklung rein elektrischer Stadtbusse. Vor allem chinesische Hersteller treiben die Entwicklung an.

Global gesehen nämlich boomt der Elektrobusmarkt. Bis 2025 erwartet das Forschungsinstitut Bloomberg New Energy Finance weltweit 1,2 Millionen E-Busse im Alltagsbetrieb, das wären fast 40 Prozent aller Busse im ÖPNV. Derzeit sind es 360.000 – die meisten davon in China. Hauptprofiteur ist bisher BYD. Das Unternehmen dominiert nicht nur den chinesischen Markt. Auch Los Angeles bestellte im vergangenen Jahr 600 E-Busse bei BYD.

Andere Busbauer ziehen nun nach. Der US-Hersteller GreenPower will seine Produktionskapazitäten für Elektrobusse verdreifachen. Das Auftragsbuch ist mit 120 Bussen randvoll – Tendenz steigend. Auch die polnische Firma Solaris setzte früh auf Elektrobusse.

„Elektromobilität ist keine Mode mehr, sondern ein Markterfordernis,“ sagt Solange Olszewska, Vorstandsvorsitzende von Solaris. Die Polen haben neben Hybrid- und Oberleitungsbussen drei batterieelektrische Modelle, die etwa in Wien, Barcelona, Warschau und Hamburg im Einsatz sind. 2500 rein elektrische Stadtbusse hat Solaris schon ausgeliefert. VDL aus den Niederlanden hat ebenfalls bereits einen Elektrobus mit 200 Kilometern Reichweite im Angebot. „Das ist für den Linienverkehr der meisten Städten völlig ausreichend“, meint der SPD-Verkehrspolitiker Andreas Rimkus.

Daimler beeilt sich aufzuholen

Die deutschen Hersteller müssen sich beeilen, wenn sie die nächste Welle der E-Bus-Bestellungen noch mitnehmen wollen. Noch vor einem Jahr versicherten sie unisono, die Zeit für rein elektrisch betriebene Busse sei nicht reif. Es fehle an Reichweite und Lademöglichkeiten.

Nun hat zumindest Daimler umgedacht und es plötzlich eilig: Auf der Nutzfahrzeugmesse Ende September stellten die Stuttgarter einen ersten rein-elektrischen Stadtbus vor: Der eCitaro hat mindestens 150 Kilometer Reichweite im Alltagsbetrieb und könnte damit bereits auf jeder dritten deutschen ÖPNV-Busroute mit einer einzigen Akkuladung fahren. Noch in diesem Jahr will Daimler die ersten 50 Exemplare des elektrischen Stadtbus an die ersten Kunden ausliefern: Ludwigshafen, Hamburg und Berlin bekommen jeweils 50 Stück.

So sieht der Elektro-Bus von Daimler aus
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler
Mercedes-Benz eCitaro Quelle: Daimler

Daimler hat hochfliegende Pläne: „Bereits in wenigen Jahren soll der eCitaro Stadtbusse mit Verbrennungsmotor nahezu vollständig ersetzen können“, sagt eine Sprecherin. Voraussetzung dafür sind allerdings Reichweiten von gut 300 Kilometern im Alltag – auch im Winter, wenn der Bus die Energie aus dem Antriebsakku teilweise benötigt, um den Fahrgastraum zu beheizen.

Das erfordert noch erhebliche Fortschritte bei den Akkus; und Experten sind uneins, ob zum Beispiel die von Daimler mittelfristig dafür angestrebten Festkörperakkus schnell genug in großen Stückzahlen zur Verfügung stehen werden.

Noch sind E-Busse zudem mehr als doppelt so teuer wie vergleichbare Dieselbusse. Doch sie haben für die Städte auch einen Riesenvorteil: Als Eigentümer der Verkehrsbetriebe können sie mit ihren E-Bussen drohenden Dieselfahrverboten sehr gezielt entgegenwirken. Etwa, indem sie sie auf besonders belasteten Strecken einsetzen. Bringen würde das der Atemluft sehr viel: Während ein Dieselbus mit bis zu 4500 Mikrogramm pro Kilometer rund 40 Mal mehr Stickoxid ausstößt als ein Diesel-Pkw, emittiert ein E-Bus in der Stadt gar nichts.

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