Dresden nach dem Anschlag „Das Schäbigste, was man sich an Taten vorstellen kann“

Anschläge auf eine Moschee und einen der Veranstaltungsorte zur Einheitsfeier in Dresden alarmieren die Sicherheitsbehörden. Sie suchen mit Hochdruck nach den Tätern – und halten sich dazu bedeckt.

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Der Innenminister verurteilt die Anschläge. Quelle: dpa

Dresden Wenige Tage vor Beginn der Feiern zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden stehen die Ermittler bei der Suche nach den Verantwortlichen für zwei Sprengstoffanschläge unter Druck. Nach Angaben der Behörden wird intensiv nach Hinweisen gefahndet, wer hinter den Anschlägen auf eine Moschee und das Kongresszentrum in der sächsischen Landeshauptstadt steckt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilte den Anschlag auf die Moschee in den ARD-Tagesthemen als „mit das Schäbigste, was man sich an Taten vorstellen kann“. Am Dienstagabend versammelten sich vor der Fatih-Moschee rund 100 Menschen zu einer Mahnwache.

Die Sprengsätze waren am Montagabend innerhalb kurzer Zeit vor der Tür der Moschee und auf der Terrasse des Kongresszentrum explodiert. Menschen wurden nicht verletzt. Die Polizei fand an den Tatorten Reste professionell gebauter Sprengsätze.

Zumindest bei der Moschee gehen die Ermittler von einem fremdenfeindlichen Motiv aus, im zweiten Fall von einem Zusammenhang mit dem Fest zum Tag der Deutschen Einheit. Im Kongresszentrum ist am 3. Oktober der Empfang des Bundespräsidenten geplant.

Das für Extremismus zuständige Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei wertet nun Spuren von den Tatorten sowie Bilder aus Überwachungskameras aus und befragt Zeugen. Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte versichert, dass die Polizei alles unternehme, „dass der oder die Täter schnell identifiziert und bestraft werden“. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt noch gegen Unbekannt – wegen Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.

De Maizière sprach sich in der ARD dagegen aus, die Taten bereits als Rechtsterrorismus zu werten. Man müsse die Ermittlungsergebnisse abwarten. Mit Blick auf die Zunahme rechtsextremer Gewalttaten in Deutschland sprach er allerdings von einer besorgniserregenden Lage. „Es ist die Bildung rechtsterroristischer Strukturen in Deutschland in Betracht zu ziehen.“


Neue Stufe von Hass und Gewalt

Rechtsterrorismus dürfe mangels eines Bekennerschreibens nicht vorschnell ausgeschlossen werden, mahnte die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Das lehre die Terrorserie des rechtsextremen NSU. Der Verfassungsschutz müsse seine Analysemuster auf die aktuelle rechte Gefahr anpassen, die auch von losen Netzwerken und Einzeltätern ausgehe, so Mihalic.

Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) hatte am Dienstagabend am Rande der Mahnwache von einer neuen, inakzeptablen Stufe von Hass und Gewalt gesprochen. „Ich glaube, jetzt muss wirklich allen klar werden, dass man hier aufstehen muss und für eine Demokratie eintreten muss“, sagte er dem MDR. Das demokratische Zusammenleben stehe auf dem Spiel.

Der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), Bekir Alboga, sprach von einem tragischen Ereignis. „Terrorismus und Gewaltanwendung sind eine Gefahr für uns alle“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur nach einem Gespräch mit dem Imam der Dresdner Moschee. Für die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) zeigen die Anschläge „das drastische und gewalttätige Ausmaß menschenfeindlicher Stimmung“. Der Hass gegen Muslime sei alarmierend.

Seit Montagnacht werden drei Moscheen und zwei weitere islamische Einrichtungen der Stadt besonders geschützt. Die Polizei hat zudem ihren Einsatz zur Einheitsfeier früher als geplant begonnen. Sie gab keine weiteren Details zu den Anschlägen bekannt. „Wir können über die Erkenntnislage derzeit noch nichts sagen. Das ist Teil der Ermittlungen“, so Innenminister Ulbig. Es gehe nicht darum, Informationen vorzuenthalten. Vielmehr sollten die Verantwortlichen zügig gefasst werden.

Imam Hamza Turan wünscht sich zum traditionellen Freitagsgebet und nachts mehr Bewachung der Polizei, dann könnten sich die Gemeindemitglieder sicherer fühlen. Und er hofft schnell auf konkrete Ermittlungsergebnisse. Die Wohnung seiner Familie in der Moschee ist nicht bewohnbar. „Wir kommen bei Nachbarn unter“, sagte der 46-Jährige.

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