Dresden-Rede zu Facebook-Gesetz Justizminister Maas trotzt AfD-Protesten

Ein Auftritt von Heiko Maas in Dresden wird überschattet von Gegendemonstrationen, darunter auch AfD-Politiker. Der Justizminister kontert dem Protest mit einem Exkurs zur Bedeutung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

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Bei einer Veranstaltung der TU Dresden sieht sich der Bundesjustizminister heftiger Kritik ausgesetzt. Quelle: dpa

Berlin Das Bundesland Sachsen ist für Justizminister Heiko Maas (SPD) kein einfaches Pflaster. Bei einer Kundgebung zum Tag der Arbeit im vergangenen Jahr in Zwickau wurde der Minister bereits mit Trillerpfeifen und Buh-Rufen empfangen. Sein Auftritt musste von der Polizei geschützt werden. Ein Novum, wie die DGB-Vorsitzende der Region Südwestsachsen, Sabine Zimmermann, seinerzeit bemerkte. „Ich habe es noch nicht erlebt, dass bei einer Gewerkschaftskundgebung an einem 1. Mai die Bühne von der Polizei geschützt werden muss.“

Am heutigen Montag weilt Maas erneut in Sachsen. Diesmal in Dresden. Wie erwartet, kam es zu Protesten. Mehrere Hundert Demonstranten aus dem AfD- und Pegida-Umfeld begleiteten den Besuch des SPD-Politikers mit Trillerpfeifen, „Volksverräter“- und „Hau ab“-Rufen.

Maas war für einen Vortrag über Fake News und Hetze im Netz in der Stadt, zu dem das Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden eingeladen hatte. Auf Transparenten wurde Maas „Gesinnungsjustiz“ vorgeworfen. Als Zeichen des Protests trugen viele Demonstranten Binden mit „Stasi 2.0“ um Hals oder Kopf. Die Polizei war mit einem starken Aufgebot vor Ort. Bis auf die Beschimpfungen des Justizministers habe es keine größeren Zwischenfälle gegeben, sagte Polizeipräsident Horst Kretschmar. „Mit dem Pöbel muss man in Dresden bedauerlicherweise immer rechnen. Die Kultur des menschlichen Miteinanders lässt leider zu wünschen übrig.“

Eigentlich sollte Maas im Hörsaalzentrum der Uni sprechen. Doch angesichts der erwarteten Störaktionen verlegte die TU  den Vortrag kurzfristig in die Ballsportarena am Rande der Altstadt. Maas ließ es sich dann auch nicht nehmen, gleich zu Beginn seiner Rede, den Protestlern die Leviten zu lesen.

Proteste und Demonstrationen gehörten zur Demokratie dazu, das sei Ausdruck der Meinungsfreiheit in einer freien und offenen Gesellschaft, sagte Maas laut Redetext. „Aber die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt.“ Dieses Prinzip der Aufklärung sei auch die Grundlage des demokratischen Rechtsstaates. „Und das bedeutet: Die TU Dresden hat mich heute eingeladen, und ich lasse mir von keinem Demonstranten der Welt mein Recht nehmen, hier zu sprechen.“

Maas ist Anfeindungen gegen seine Person gewohnt. Vielen Anhängern der AfD und der Pegida gilt er schon länger als Feindbild. Zuletzt wetterte die AfD massiv gegen das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) des Ministers, womit soziale Netzwerke zum Löschen rechtswidriger Nutzer-Postings gezwungen werden sollen.  „Hier wird die Meinungsfreiheit im Grunde genommen abgeschafft“, sagte AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland, der selbst nie im Internet surft. Es sei ganz klar, dass sich dieses Gesetz gegen die AfD richte.

Der Bundesrat hatte das Gesetz zur Bekämpfung von Hassbotschaften und Hetze im Internet am vergangenen Freitag gebilligt. Es sieht unter anderem vor, dass soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter strafbare Inhalte, wenn sie einen Hinweis erhalten, binnen 24 Stunden löschen müssen.


„Mit irgendwelchen Standard-Phrasen abgewimmelt“

In Dresden ist das Gesetz nun wieder Thema. Die Uni hatte Maas gebeten, im Rahmen der Vorlesung „Struktur und Organisation der Massenmedien“ zu dem umstrittenen Thema zu sprechen. Der Minister macht deutlich, warum das Gesetz notwendig ist. Und er betonte, dass es gar nicht nur um „überbordenden Hass“ auf den Kommunikationsplattformen im Internet geht, sondern auch um den Einfluss von Fake News.

Was mache es eigentlich mit der demokratischen Streitkultur, wenn ohne Konsequenzen die „gemeinsten Lügen“ verbreitet würden? Beispielhaft nannte er den fall der Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise habe sie gesagt, erzählt Maas: „Ja, ich nehme auch bei mir zu Hause zwei Menschen in Not auf.“ Seit dieser Zeit werde im Internet verbreitet, sie würde zwei Terroristen des Islamischen Staats verbergen.

Natürlich, betonte der Minister, seien solche Äußerungen eine Straftat, denn sie erfüllten den Straftatbestand der „üblen Nachrede“. Trotzdem seien diese strafbaren Fake News bis heute im Netz auffindbar. „Aber das Internet darf doch kein rechtsfreier Raum sein“, betonte der SPD-Politiker. Was offline verboten sei, das dürfe doch auch online nicht erlaubt sein.

Da aber die sozialen Netzwerke Beschwerden von Bürgern viel zu oft „mit irgendwelchen Standard-Phrasen abgewimmelt“ hätten, habe der Bundestag letztlich das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verabschiedet.

Den Kritikern hielt er entgegen, dass das Gesetz keine Einschränkung der Meinungsfreiheit sei, sondern vielmehr die Meinungsfreiheit aller schütze. Manche meint, nun werde der Justizminister Maas „persönlich“ darüber entscheiden, was man im Internet noch sagen dürfe oder nicht. „Was für ein Humbug“, so Maas. „An den Grenzen der Meinungsfreiheit wird mit dem neuen Gesetz kein Deut geändert.“ Diese Grenzen bestimmen auch in Zukunft weder Maas noch Facebook. Maßgeblich seien einzig und allein die Strafgesetze, die der Bundestag „demokratisch“ beschlossen habe.

Das neue Gesetz werde deshalb mithelfen, dass die Meinungsfreiheit allen zustehe. Und nicht nur denen, die am lautesten schreiten und versuchten, andere mundtot zu machen und einzuschüchtern. „Wie wichtig das nicht nur in der digitalen Welt ist, das zeigt der heutige Tag in Dresden ja sehr deutlich“, so Maas.

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