Drogen „In der Schweiz ist die Legalisierung von Cannabis mehrheitsfähig“

Quelle: imago-images/Illustration: WirtschaftsWoche

Während Deutschland noch diskutiert, ist die Schweiz bereits auf dem Weg zur Legalisierung von Cannabis. Der Jugendschutz könne so besser gewährleistet werden, sagt der Züricher Rechtsanwalt Daniel Haymann. Die ersten Projekte starten bald.

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Der Jurist Daniel Haymann ist Spezialist für Handels- und Gesellschaftsrecht. Seit einiger Zeit nimmt er jedoch für die Kanzlei Meyerlustenberger Lachenal Froriep eine neue Aufgabe wahr: Er berät Unternehmen der Cannabisindustrie, etwa zu regulatorischen Fragen.

WirtschaftsWoche: Herr Haymann, Deutschland diskutiert über die Legalisierung von Cannabis. Kritiker sagen, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei und vor allem bei Heranwachsenden zu Krankheiten wie Psychosen führen könne. Sie vertreten in der Schweiz Unternehmen, die etwa mit Cannabis-Medikamenten Geld verdienen und von einer Liberalisierung profitieren würden. Geben Ihnen die Gegenargumente zu denken?
Daniel Haymann: Die Gegenargumente sind für mich nicht nachvollziehbar. Hochdosierte Schmerzmittel wie Opioide können süchtig machen und sind nachweislich viel gefährlicher. In Israel wird Cannabis bereits seit Jahrzehnten als Arzneimittel eingesetzt, auch gegen Alzheimer und Parkinson und weitgehend mit positiven Folgen. Als schweizerisch-israelischer Doppelbürger habe ich das im privaten Umfeld selbst miterlebt. Ich denke, dass die Bedenken vieler Mediziner damit zu tun haben, dass Cannabis und insbesondere das endocannabinoide System im menschlichen Nervensystem während des Medizinstudiums nicht behandelt wurde; da gibt es eine große Unwissenheit. Bei einer Legalisierung des Freizeitkonsums kann der Jugendschutz viel besser gewährleistet werden als bei einem florierenden Schwarzmarkt.

Will die Schweiz auch Cannabis legalisieren?
Die Legalisierung von Cannabis ist in der Schweiz bereits seit Längerem mehrheitsfähig. Laut einer Umfrage vom Juli stimmen zwei Drittel der Bevölkerung für die Liberalisierung von Cannabis – bei strenger Kontrolle. Mitte Oktober hat die zuständige Kommission des Ständerates, also die Vertretung der Kantone im Schweizer Parlament, mit deutlicher Mehrheit grünes Licht gegeben, dass die Schwesterkommission im Nationalrat Anbau, Produktion, Handel und Konsum umfassend neu regeln soll. Damit ist die Basis für einen regulierten – und legalen – Cannabismarkt in der Schweiz geschaffen worden. Für 2022 sind mehrere Modellprojekte zum Freizeitkonsum von Cannabis geplant. In Zürich etwa soll Cannabis kontrolliert über Apotheken und soziale Zentren abgegeben werden. So soll genau erforscht werden, welche sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen die Legalisierung hätte.

Rechnen Sie mit einem großen Ansturm bei den Projekten?
Eher nicht. In einigen Kantonen wird die Abgabe über Apotheken erfolgen, was meines Erachtens ungeeignet ist, um die notwendigen Probanden anzulocken. Teilweise sind auch Urinproben und Arztbesuche vorgesehen, was die Hürden weiter erhöht.

In Deutschland darf Cannabis seit 2017 zu medizinischen Zwecken verschrieben werden, um etwa Schmerzen zu lindern. Wie ist die Lage in der Schweiz?
Es gibt schätzungsweise bereits 100.000 Schweizer, die Cannabis aus medizinischen Gründen einnehmen. Davon beziehen nur 3000 bis 4000 Patienten ihr Cannabis über den legalen Weg mit Ausnahmegenehmigungen des Bundesamtes für Gesundheit, der Rest deckt sich im Schwarzmarkt ein. Im kommenden Jahr soll wird in der Schweiz das Betäubungsmittelgesetz geändert werden, um die Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu vereinfachen und den Export zu ermöglichen. Dann werden auch viele Unternehmen in den Markt einsteigen.

Sie vertreten Unternehmer, die mit Cannabis-Produkten Geld verdienen wollen Welche Vorteile bietet der Cannabis-Standort Schweiz?
Die Schweiz hat da eine Menge Standortvorteile zu bieten: Die politische Reform läuft. Es gibt zahlreiche private Investoren – Politiker, Sportler, Family Offices – die Geld in Cannabis-Projekte stecken. Und wir haben hier in der Schweiz auch großartige Universitäten mit entsprechenden Forschungsprojekten, die ETH Zürich etwa. Es gibt etwa Forschungen dazu, wie Hanfpflanzen als Kohlendioxid-Speicher genutzt werden können. Auf den Feldern wäre es denkbar, in Zukunft Baumwolle durch Hanf zu ersetzen, das bei einem Bruchteil des Wasserverbrauchs ebenfalls kräftige und haltbare Weichfasern ausbildet.



Und die Nachteile?
Schweizer Großbanken agieren da leider immer noch sehr konservativ. Als Gründer eines Cannabis-Unternehmens haben Sie dort große Probleme, ein Konto zu eröffnen. Mit den jüngsten politischen Entwicklungen bleibt aber die Hoffnung, dass sich dies bald ändern dürfte.

Mehr zum Thema: Das Hoch von Cannabis-Aktien endete im Absturz. Doch beim kanadischen Konzern Tilray floriert das Geschäft. Lohnt sich ein Investment?

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