Drohende Energiekrise im Winter Schluss mit der Taktiererei, Deutschland braucht jetzt Lösungen!

Das Atomkraftwerk Isar 2 in Bayern. Wirtschaftsminister Habeck zögert noch immer, die Laufzeit zu verlängern. Die Opposition ist nicht ganz unschuldig daran. Quelle: dpa

Längere Laufzeiten der Atomkraftwerke und Fracking in deutschen Gasfeldern könnten die Energiekrise im Winter abmildern. Regierung und Opposition müssen jetzt endlich ihrem Volk dienen und Fakten schaffen. Ein Kommentar.

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Die Uhr tickt. In vier Monaten beginnt der Winter. Und der dürfte dank Gasmangel für viele Deutsche eine eisige und dunkle Erfahrung werden. Oder zumindest eine sehr teure. Doch in der deutschen Politik scheint der Ernst der Lage nicht angekommen zu sein. Noch immer wird dem Volk Polemik und Populismus serviert. Es wird gezögert, gezaudert, politisch taktiert.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beispielsweise hat mittlerweile Monate wertvoller Zeit verstreichen lassen, die es braucht, um die deutschen Atomkraftwerke fit für einen vorübergehenden Weiterbetrieb zu machen. Nach wie vor ist darum ungeklärt, ob die Meiler rechtzeitig mit frischen Brennelementen versorgt werden können. Stattdessen wird von Streckbetrieb geschwafelt, der am Ende kaum etwas bringt. Denn das Kraftwerk Emsland etwa müsste seinen Betrieb jetzt massiv zurückfahren, um im Januar, Februar und März mit den vorhandenen Brennelementen noch ein bisschen Strom liefern zu können. Schließlich hätten die Brennstäbe ohnehin nur im Streckbetrieb bis Jahresende gereicht.

Auch müssen die Betreiber Personalpläne aufstellen – vielleicht sogar den einen oder anderen wichtigen Mitarbeiter aus einem neuen Job zurückholen. Das gilt besonders für den Fall, dass schon stillgelegte Meiler wieder hochgefahren werden sollen, was offenbar ebenfalls im Rahmen des Möglichen wäre.

Zwar wird die Atomkraft Deutschland nicht vor einem harten Winter retten. Sie kann aber das Problem ein bisschen mindern. Immerhin liefern die verbliebenen drei Kraftwerke etwa zehn Prozent des deutschen Kraftwerksstroms. Das ist nicht nichts – selbst wenn die Atomkraft die Probleme der Fernwärme nicht lösen wird, weil sie an dieses Netz nicht angeschlossen ist.

Ähnlich knapp wird es so langsam beim Fracking in hiesigen Gasfeldern. Schon im April war völlig klar, dass Deutschland einen relevanten Teil seines Gasbedarfs aus eigener Kraft stemmen könnte, wenn sich Habeck und das Land Niedersachsen dazu durchringen, das strenge Frackingverbot zu lockern. Stillgelegte Felder könnten dann wieder ihre Arbeit aufnehmen. Experten hatten erklärt, dass das Risiko für Wasser, Mensch und Umwelt minimal sei, weil die Gasfelder hierzulande in sechs bis sieben Kilometern Tiefe liegen, unter dicken Deckgesteinsschichten. Anders als beispielsweise in den USA, wo das Gas mitunter nicht einmal Tausend Meter tief lagert.

Doch um die Gasförderung hierzulande wieder anzuwerfen und eventuell ein paar neue Bohrlöcher zu setzen, braucht es geschultes Personal und Technik, die in Europa aufgrund der Verbote mittlerweile knapp sind. Beides müssten die Unternehmen kurzfristig in den USA oder in Nahost beschaffen. Auch hier drängt nicht erst seit heute die Zeit, wenn bis zum Winter etwas passieren soll.

Opposition und FDP machen mit ihrer plumpen Kommunikation die Lage auch noch schlimmer. So kommt aus Reihen der Liberalen vermehrt die Forderung, die Atomkraftwerke bis 2024 zu betreiben. Das aber erhöht den Widerstand in den Reihen der Grünen, den in der Partei ohnehin unpopulären Schritt zu gehen. Und auch Markus Söder (CSU) schafft mit seiner einfach so herausgehauenen Äußerung, in Niedersachsen gebe es einiges Potenzial für Fracking, nur noch mehr Widerstand – zumal er sich zu möglichem Fracking in Bayern um eine klare Antwort herummogelt. Pendant Stephan Weil (SPD) kontert daher wenig verwunderlich: „Lieber Markus Söder, wie wär’s endlich mit Windkraft in Bayern?“ 

Jahrelange gab es von Umweltorganisationen und Politikern eine Kommunikation zum Thema Fracking, deren Horrorszenarien schon an Desinformation grenzen. Vor allem SPD und Grüne haben sich so in eine Lage manövriert, aus der sie nun kaum gesichtswahrend wieder rauskommen. Will Söder eine Lösung der Probleme zum Wohle des Volkes, muss er dem politischen Gegner die Hand reichen. Zugeständnisse bei der Windkraft in Bayern könnten da ein Schritt sein. 

Denn klar ist schon jetzt: Viele Rentner, Familien, Alleinerziehende, Geringverdiener, aber auch viele große und kleine Unternehmen werden diesen Winter in eine prekäre Lage rutschen, wenn die Bundesregierung und die Opposition nicht alles daran setzen, die Energiekrise abzumildern. Die 300 Euro Energiegeld aus Berlin werden da jedenfalls nicht reichen.

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