Drohende Fahrverbote Bundesregierung erwägt Hardware-Umrüstung von Euro-5-Dieseln

Scheuer erwägt Hardware-Umrüstung von Euro-5-Dieseln Quelle: dpa

Sollen umweltschädliche Diesel-Motoren nachgerüstet werden, um Fahrverboten vorzubeugen? „Bei Euro 5 kann man das ins Augen fassen“, findet Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

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In die Debatte um Hardware-Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen kommt Bewegung. Auch das Bundesverkehrsministerium wollte am Freitag eine solche Lösung nicht mehr ausschließen, der Druck auf die Politiker nahm zuletzt zu. Bundessverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält eine technische Nachrüstung an den Motoren von Euro-5-Dieselautos inzwischen für möglich. „Bei Euro 5 kann man das ins Augen fassen“, sagte Scheuer am Freitag im Fernsehsender n-tv auf die Frage, ob eine solche Hardware-Umrüstung nun von der Bundesregierung angestrebt werde. „Wenn man Hardware nachrüstet, muss auch jedem klar sein: Wir investieren in altes Material“, fügte er hinzu. Ihm sei es „lieber, moderne Fahrzeuge zu haben, und dazu haben wir konkrete Überlegungen im Bundesverkehrsministerium“.

Seit Monaten ist umstritten, ob die Abgasreinigung älterer Diesel nicht nur über die Motor-Software, sondern auch direkt am Motor nachgerüstet werden sollen. Hintergrund der Debatte ist, dass in vielen deutschen Städten Fahrverbote für Dieselwagen drohen, weil die Luft stark mit gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx) belastet ist.

Scheuer kündigte an, er werde in den nächsten Tagen ein Konzept erarbeiten. Details nannte er jedoch nicht. „Wir werden uns technisch Gedanken machen, wie wir bestehende Fahrzeuge noch sauberer bekommen", sagte der CSU-Politiker in einer Videobotschaft. Es gehe darum, „das Richtige zu tun ohne Steuergeld zu verschwenden". Dazu brauche man die Hilfe der Autobauer. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) plädierte erneut für technische Nachrüstungen und begrüßte Scheuers Ankündigung: „Wichtig ist, dass das Signal jetzt da ist, dass wir als Bundesregierung hier gemeinsam handeln werden.“

Die von Audi und Bosch programmierte Betrugssoftware soll zunächst ohne Wissen von VW in dessen Fahrzeuge gelangt sein. Erst später habe ein VW-Entwickler die Software entdeckt, so ein Bericht der Kriminalpolizei.
von Martin Seiwert

Scheuer sagte zu n-tv: „Unsere Priorität ist die Ausweitung schlauer Umstiegsmodelle.“ Die 3,1 Millionen Diesel-Pkw der Euro-4-Norm seien technisch „gar nicht umrüstbar“. Von den 5,5 Millionen Euro-5-Wagen könnte ein Drittel bis zur Hälfte umgerüstet werden. Der Minister betonte, die technische Lösungen müssten zusammen mit den Herstellern gefunden werden. „Ohne die geht es nicht.“ Außerdem müsse man „die rechtliche Machbarkeit im Blick haben“.

Anders als Schulzes Ministerium hat sich Scheuers Ressort bisher skeptisch zu Hardware-Nachrüstungen geäußert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine Entscheidung noch für September angekündigt. Bereits zu Wochenbeginn signalisierte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, ihre Partei sei offen für eine begrenzte Hardware-Nachrüstung bei Diesel-Fahrzeugen. Bewegung gab es nach Reuters-Informationen aus Regierungskreisen bei einem Treffen zwischen Scheuer, Merkel und Kanzleramtschef Helge Braun. Scheuer betonte nun, es gehe darum, Fahrverbote zu vermeiden, die Zukunft des Diesels zu sichern und „saubere Mobilität in den Innenstädten garantieren". Auslöser ist vor allem das Fahrverbot gegen ältere Diesel in Frankfurt, das Tausende Pendler betrifft. Ende Oktober finden in Hessen Landtagswahlen statt.

Schulze sieht technische Nachrüstungen für Diesel-Autos als den einzigen richtigen Weg. „Sie machen die Luft sauberer, sie sorgen dafür, dass man Fahrverbote vermeiden kann und sie tun etwas gegen den Wertverlust des Diesels.“ Auch die SPD-Ministerin sieht die Autohersteller in der Verantwortung. „Die Industrie hat uns das Problem eingebrockt, und sie muss jetzt auch helfen das Problem wieder zu lösen.“ Details würden nun noch in der Regierung und mit der Branche erörtert.

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol forderte eine rasche Entscheidung. „Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel es nicht schafft, die Frage der technischen Nachrüstung in der Bundesregierung zu klären, müssen die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD im Bundestag eine Entscheidung herbeiführen", sagte Bartol den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die SPD sei dazu bereit. Dem Vorabbericht zufolge wollen die Sozialdemokraten durch einen Bundestagsbeschluss mit der Union herbeiführen, dass Regierung und Autobauer verhandeln. Dabei sollen „schnellstmöglich wirksame Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 auf Kosten der Hersteller“ erreicht werden. Sinnvoll sei es, mit Hilfe eines Stufenplans vor allem Fahrzeuge von Haltern umzurüsten, die in Städten konkret von Fahrverboten bedroht sind.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wird im Stuttgarter Prozess um die Diesel-Abgasmanipulationen nicht als Zeuge aussagen. Als Grund für seine Weigerung führt er das Bundesministergesetz an.
von Benedikt Becker, Sven Böll, Christian Ramthun

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf der Politik nach drei Jahren „Diesel-Gate“ Versagen vor. Die Bundesregierung müsse endlich „die elf Millionen-Betrugs-Diesel“ auf Kosten der Hersteller mit Hardware nachrüsten lassen, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Merkels Regierung müsse sich „gegen die betrügerischen Automobilkonzerne und für die betroffenen Menschen“ einsetzen. Messungen der Umwelthilfe ergaben, dass auch die meisten neuen Diesel-Fahrzeuge offizielle Emissionsvorgaben überschreiten. Messungen des verbandseigenen Instituts EKI hätten ergeben, dass die untersuchten Euro 6 Autos im Schnitt 444 Milligramm Stickoxid pro Kilometer emittierten und damit 5,5-fach mehr als im realen Fahrbetrieb erlaubt. Nur 8,4 Prozent dieser Fahrzeuge hätten den Grenzwert eingehalten.

Die Umwelthilfe hat in einigen deutschen Städten, jüngst etwa in Frankfurt, vor Gericht Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge durchgesetzt. Insgesamt laufen 28 Klagen. Die nächste Entscheidung fällt am 9. Oktober in Berlin. Laut DUH folgen Anfang November große Städte im Ruhrgebiet wie Gelsenkirchen, Essen, Dortmund und Bochum.

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