Editorial
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Gut gegen Böse, Sonne gegen Benzin

Quelle: Jann Höfer für WirtschaftsWoche
Horst von Buttlar Chefredakteur WirtschaftsWoche

Im Streit um Wärmepumpen und Verbrenner offenbart sich eine Kluft darüber, wie wir die Wirtschaft bis 2030 transformieren: über Vorgaben und Verbote oder über Anreize und den Glauben an Technologie? Eine Kolumne.

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Worüber haben wir nun wochenlang gestritten? Über Ausbauziele für Wärmepumpen und Enddaten für Gasheizungen? Über fiktive Auflagen, wie man synthetische Kraftstoffe dereinst in den 2030er-Jahren in Autos mischt? Ich hatte ehrlich gesagt den Überblick verloren und nicht nur die Heizung, sondern im Kopf abgeschaltet. Man spürte nur, dass es ans Eingemachte geht: Ums Haus und um das Auto, ums Wohnen und Fahren – und damit um die Frage: Wie teuer und anstrengend wird dies für uns?

Für Olaf Scholz stand der Streit in der Koalition „stellvertretend für die ganze Gesellschaft auf ihrem Weg in eine wirtschaftlich erfolgreiche Moderne“. Puh. Oder ist da was dran? Zumindest haben SPD und Grüne für jede Zumutung eine Lösung: „You never walk alone“, sagte der Kanzler, und das heißt offenbar auch: You never heat alone. You never drive alone.

Seit geraumer Zeit hat man den Eindruck, dass die Regierung in ihrer Fortschrittsgestaltung ein wenig überdreht, als sei Fortschritt vor allem eine Frage der straffen Organisation. Und so offenbart sich in dem Streit über Heizungen und E-Fuels tatsächlich ein tieferer Riss, eine Art Klima-Clash of Cultures: Auf welchem Weg will dieses Land seine Klimaziele bis 2030, bis 2045 erreichen? Bisher haben wir uns ja immer tolle Ziele gesetzt und sie meist gerissen, was wir dadurch kompensierten, uns noch strengere Ziele zu setzen – und parallel andere Länder zu belehren, dass sie sich mehr anstrengen sollen.

Warum die Dekade bis 2030 ein Schlüsseljahrzehnt ist

Ohne Frage sind die Jahre bis 2030 ein Schlüsseljahrzehnt: Die Erfindungen für diese Zeit sind im Grunde gemacht, wir brauchen keinen Daniel Düsentrieb: Solar, Wind, Wärmepumpen, Batterien, Speicher, Ladesäulen. All das muss noch besser und effizienter werden, aber wir reden vor allem über eine gewaltige Kapazitätsausweitung, ein Hochfahren der Produktion und der Installation. Ein Beispiel: Die Menschheit installiert derzeit etwa 1,5 Millionen Wärmepumpen pro Monat in einzelne Gebäude, bis 2030 müssen es laut einem Szenario der Internationalen Energieagentur fünf Millionen sein. Deshalb mahnen Politiker tagaus, tagein, dass wir „zwei bis drei Mal so schnell werden müssen“.

Die meisten Unternehmen haben erkannt, dass Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion Teil ihrer Strategie werden müssen. Und es war ein Fehler, zu glauben, dass die Klimatransformation der nur nächste große grüne Spuk ist – während sich die Perlen unserer Wirtschaft nach Standorten in North Carolina und Indiana umschauen.

Das Problem liegt nicht im Ziel, sondern in der Philosophie der Umsetzung: Das Ministerium von Robert Habeck haut seit Monaten Umbauplan um Umbauplan raus, für Industrie, Energie, Gebäude, der jeder für sich jede Behörde schon überfordern würde. Einem Projektmanager würde man zuflüstern: Du verzettelst dich – und, by the way: etwas viel Mikromanagement. Schalt mal einen Gang zurück.



Gut gegen Böse, Sonne gegen Benzin

Die Grünen sagen: Geht nicht, die Welt geht sonst unter. Sie sind dabei so hartnäckig, dass man sich nach einem Jahr Sorgen machen muss, dass nicht nur sie sich überheben, sondern die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt überfordern und in eine Art Fortschrittsstarre stürzen.

Die Liberalen versuchen in jedem Kapitel der „Großen Transformation“ das Schlimmste zu verhindern, was erstens kein kluges Gegenkonzept ist – und zweitens sich dummerweise in den beiden Figuren Habeck und Lindner personifiziert. Für die Grünen ist es ein Kampf Gut gegen Böse, Fortschritt gehen Stillstand, Sonne gegen Benzin, für die Liberalen zwischen Pragmatismus und Ideologie, Planwirtschaft und Markt.

Die Zuspitzung verhindert bisweilen, dass wir den Blick fürs große Ganze verlieren, weil wir uns im Kleinklein verhaken und am Ende der Spin bleibt: Habeck gestaltet, Lindner blockiert. Der Wuschelkopf verkörpert die Gestaltungsenergie, der Dreitagebart die Wand, an der sie abprallt. Was natürlich Unsinn ist. Die Liberalen müssten viel deutlicher machen, wie sie die Wirtschaft etwa über den CO2-Preis steuern wollen und nicht nur „Technologieoffenheit“ rufen, sondern Beispiele und Leuchttürme zeigen, die es zuhauf in diesem Land gibt.

Der Konflikt verbirgt sich auch in den Klimapaketen der USA und der EU, denn hinter jeder Milliarde lauert die Frage: Wie viel will man feinsteuern, wie viel vorgeben? Die USA haben so viel Geld ins Schaufenster gestellt, dass sie eine „Race-to-Zero“ ausgelöst haben – was nicht bedeutet, dass sie nicht regulieren. Dennoch wirkt die EU schwerfälliger, weil sie für jedes große Ziel Tausende Seiten Vorschriften verfasst.

Die reine Lehre gibt es bis 2030 nicht, denn überall mischt der Staat mit, dessen Geld gebraucht und gern genommen wird. Man kann also sagen: Es gibt im Grün kein Schwarz und Weiß, sondern viel Grau.

Lesen Sie auch: Was die Koalition ins Schaufenster stellt, lässt die Grünen schlecht aussehen

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