Eine Woche nach Todesfall Köthen steht wieder im Zeichen von Demos

Nach dem Tod eines 22-Jährigen wird die Kleinstadt Köthen erneut zum Schauplatz von Demos. Auch Chemnitz kommt nicht zur Ruhe.

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Vor Beginn der Kundgebung wehten bereits Deutschlandfahnen auf dem Markt. Quelle: dpa

Köthen Eine Woche nach dem Tod eines 22-Jährigen ist die Kleinstadt Köthen in Sachsen-Anhalt wieder Schauplatz von Demonstrationen und Kundgebungen. Am Bahnhof versammelten sich am Sonntagnachmittag Teilnehmer zu einer Kundgebung gegen rechte Hetze und Gewalt. Für den frühen Abend war zudem eine Demonstration rechtsgerichteter Gruppierungen – darunter das fremdenfeindliche Dresdener Pegida-Bündnis – geplant.

Vor Beginn der Kundgebung wehten bereits Deutschlandfahnen auf dem Markt. Das sächsische Chemnitz kommt ebenfalls nicht zur Ruhe – die Polizei musste eine selbst ernannte Bürgerwehr stoppen, die Ausländer bedroht haben soll.

In der gut 26.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Köthen hatte es seit dem Tod des jungen Deutschen vor einer Woche mehrere rechtsgerichtete Demos, zu denen es auch Rechtsextreme zog, gegeben. Auch Gegenprotest formierte sich. Für diesen Sonntag erhöhte die Polizei die Zahl der Einsatzkräfte. Mehr als 1000 Kräfte seien zeitversetzt an Schwerpunkten im Einsatz, sagte eine Polizeisprecherin. Die Lage sei bislang ruhig, Auffälligkeiten gebe es derzeit nicht, hieß es am Nachmittag.

Nach Behördenangaben starb der schwer herzkranke 22-Jährige an einem Infarkt, nachdem der Deutsche sich schlichtend in einen Streit zwischen mehreren afghanischen Staatsbürgern eingeschaltet hatte und ins Gesicht geschlagen wurde. Zwei 18 und 20 Jahre alte Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft.

Der Tod des jungen Mannes in Köthen hatte Befürchtungen aufkommen lassen, dass sich die Kleinstadt zu einem zweiten Chemnitz entwickeln könnte. In Sachsens drittgrößter Stadt hatte es ausländerfeindliche Übergriffe gegeben, nachdem Ende August ein 35-Jähriger Deutscher erstochen worden war. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber. Nach der Tat war es zu Demos von Rechtsgerichteten, Neonazis, Gegnern der Flüchtlingspolitik sowie zu Gegenprotesten gekommen.

Am Freitagabend soll es zu einem weiteren Vorfall in Chemnitz gekommen sein. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft kreisten 15 mutmaßliche Mitglieder einer selbst ernannten Bürgerwehr eine Gruppe aus Deutschen, Iranern und Pakistanern ein. Ein Iraner erlitt eine Platzwunde am Kopf. Gegen einige der mutmaßlichen Täter wurde Haftbefehl erlassen.

In Köthen hielt die Polizei am Sonntag für das Demonstrationsgeschehen auch Wasserwerfer und eine Reiterstaffel bereit, wie es weiter von der Polizei hieß. Personelle Unterstützung gebe es von Polizisten aus Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg, Berlin, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Baden-Württemberg sowie aus anderen Regionen Sachsen-Anhalts. Auch die Bereitschaftspolizei des Landes und die Bundespolizei waren eingeplant.

Die Hochschule Anhalt in der Kleinstadt riet auf ihrer Internetseite zur Vorsicht wegen „potenziell gefährlicher Demonstrationen“. Annähernd jeder vierte der fast 8000 Studenten kommt aus dem Ausland. Und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ zu den Demonstrationen: „Mein Vorschlag wäre ja, dass die Bürger dann am Sonntag, wenn die Rechten demonstrieren, einfach in ihren Wohnungen bleiben und die Rollläden zumachen. Nicht, weil wir die Sicherheit nicht gewährleisten können, sondern um ein Zeichen zu setzen, dass man die nicht sehen will.“

Vor den Demos feierten in der Köthener Jakobskirche am Sonntag Hunderte Menschen einen Friedensgottesdienst. „Die Stimmung in der Stadt ist ganz ohne Zweifel angespannt“, sagte der Kirchenpräsident der Anhaltischen Landeskirche, Joachim Liebig, am Nachmittag. Er äußerte die Hoffnung, dass sich keine Köthener der Demonstration mehrerer rechter Gruppierungen anschließen.

Zu den Gottesdienstbesuchern gehörte der stellvertretende Landtagspräsident Wulf Gallert (Linke). Er sagte, die Demokratie müsse entschieden verteidigt werden. Köthen dürfe nicht zum Aufmarschplatz rechter Kräfte werden. Fremdenhass und Rassismus dürften nicht die Straßen erobern. Aus Protest gegen die anreisenden Demonstranten hatten die Köthener am Vortag ihren Marktplatz bunt angemalt mit Friedenszeichen.

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