Einflussnahme Die Empörung beim ZDF ist scheinheilig

Angeblich hat der zurückgetretene CSU-Sprecher Michael Strepp mit einem Anruf beim ZDF versucht, die Berichterstattung zu beeinflussen. Wie man das besser macht, hätte Strepp von der Rechtsabteilung des Südwestrundfunks lernen können.

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CSU-Sprecher Hans Michael Strepp (links), hier während einer Klausurtagung im Kloster Banz mit Parteichef Horst Seehofer, ist zurückgetreten. Strepp hatte am Wochenende in der

Ausgerechnet Horst Seehofer. Das ZDF ist schon ziemlich undankbar gegenüber dem CSU-Vorsitzenden, der vor nicht allzu langer Zeit mit seiner praktizierten totalen Transparenz – „Das dürfen Sie alles senden“ – der heute-Redaktion einen legendären Moment der Fernsehgeschichte bescherte.  Nun soll also sein Sprecher, Hans Michael Strepp, beim gleichen Sender angerufen haben, um zu verhindern, dass dieser über den SPD-Landesparteitag berichtet. An die ARD-Kollegen hat er offenbar nur eine SMS geschrieben. Ein unerhörter Versuch der politischen Einflussnahme auf die Pressefreiheit? Skandal?

Strepp ist mittlerweile von seinem Posten zurückgetreten. Und warum? Weil er in der heute-Redaktion anrief und angeblich in Aussicht stellte, ein Bericht über die SPD könne „Diskussionen“ nach sich ziehen. Da müssen den öffentlich-rechtlichen Kollegen vor Angst die Beine geschlottert haben. Schließlich sitzt Seehofer im ZDF-Verwaltungsrat. Aber dann besannen die heute-Redakteure sich wohl auf das hohe Gut der Pressefreiheit, nahmen all ihren Mut zusammen und brachten den Anruf von Herrn Strepp ihrerseits an die Öffentlichkeit. Das ZDF jedenfalls behauptet, empört zu sein und brüstet sich damit, sehr wohl über den SPD-Parteitag berichtet zu haben. Strepp habe nicht geklärt, "warum und mit welcher Intention" er angerufen habe. Chefredakteur Peter Frey jedenfalls ist stolz auf seine Leute: „Die ‚heute‘-Redaktion hat ihre Unabhängigkeit bewiesen“, verkündet er.

Die GEZ-Gebührenzahler-Nation kann also beruhigt sein: Wenn es um die publizistische Unabhängigkeit geht, versteht das öffentlich-rechtliche Fernsehen keinen Spaß, die korrupten Partei-Propagandisten beißen bei den Fernsehjournalisten auf Granit.

Wie die Öffentlich-Rechtlichen Einfluss nehmen

Keinen Spaß versteht das öffentlich-rechtliche Fernsehen aber auch, wenn es selbst einmal zum Gegenstand der Berichterstattung wird. Eine Autorin der WirtschaftsWoche hatte es in einem Kommentar gewagt, die GEZ als "überflüssig" zu bezeichnen. Auch die „Welt am Sonntag“ hat das Gebührensystem scharf kritisiert. Hermann Eicher, der Justitiar des SWR, der auch die Gebühreneinzugszentrale vertritt, schrieb an beide Briefe. Er bittet darin den Chefredakteur der WirtschaftsWoche, "sich diesen Beitrag einmal gründlich anzuschauen." Unter anderem sei es "grob falsch", dass in dem WiWo-Artikel von einer "indirekten Mediensteuer" die Rede sei, schließlich handele es sich "abgabenrechtlich" um einen "Beitrag". Natürlich enthält sich Eicher jeglicher Drohung, wenn er schreibt, dass er zwar kein Interesse habe, „dagegen juristisch vorzugehen, wenngleich das überhaupt kein Problem wäre“. Aber es führe wohl kein Weg daran vorbei, so Eicher, „den Artikel komplett aus dem Netz zu nehmen“.

Da wir als nicht-öffentlich-rechtliche Journalisten Spaß und noch einiges anderes verstehen, verlangen wir natürlich nicht, dass Herr Eicher die Frage beantwortet „warum und mit welcher Intention" er an die WiWo und die Welt am Sonntag geschrieben hat. Denn sein freundlicher Hinweis dient sicherlich nur der reinen Wahrheitsfindung und der Verbesserung der journalistischen Fähigkeiten der Autoren. Natürlich hat das mit einem Versuch, „Einfluss“ auf die Berichterstattung zu nehmen, absolut nichts zu tun.

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