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Einigung auf Flüchtlingsgipfel Zuckerbrot, Peitsche und offene Fragen

Probleme besprochen, Probleme gelöst: So lautet die Botschaft der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten. Dem ist nicht so.

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Dietmar Woidke (l), Angela Merkel (m), Reiner Haseloff (r) Quelle: dpa

Der Ton am späten gestrigen Abend, als die Kanzlerin und die 16 Ministerpräsidenten ihre Beratungen beendet hatten, war zufrieden, bisweilen geradezu erleichtert. Es hatte länger gedauert als geplant, deutlich länger sogar, aber von dem, was in mehreren Stunden Ringen entscheiden worden war, gaben sich alle Seiten zufrieden. Endlich Einigkeit, lautete die Botschaft. Endlich Lösungen.

Dabei sind Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels gemischt: Es ist in der Tat viel Zuckerbrot für die Länder dabei, also neues Geld vom Bund auf Basis von Kopfpauschalen (670 Euro pro Asylbewerber pro Monat), aber eben auch viel Peitsche, gerade was die Einigung auf weitere, sichere Herkunftsländer im Westbalkan und mehr Sachleistungen in den Erstaufnahmelagern angeht. Vor allem jedoch stellen sich auch nach dem gestrigen Abend weiterhin viele Fragen. Politiker suggerieren nach solchen Runden gerne, dass nun alles in bester Ordnung sei. Dem ist noch lange nicht so.

Was Flüchtlinge dürfen

Erstens: Da wäre das wieder erneuerte Kern-Versprechen, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll dafür deutlich mehr Personal bekommen. Auch wenn das Vertrauen in die Krisenmanagementfähigkeiten von Frank-Jürgen Weise (nebenbei immerhin noch Chef der Bundesagentur für Arbeit) groß ist: dieses Versprechen gibt es seit mindestens einem Jahr. Und zwar nicht eingelöst. Seitdem ist der Berg der unbearbeiteten Asylverfahren nämlich größer, nicht kleiner geworden. Auch Weise kann keine neuen Entscheider herbeizaubern, es muss (um-)geschult werden –  und das wird dauern.

Zweitens: In den kommenden vier Jahren investiert die Bundesregierung eine halbe Milliarde Euro jährlich mehr in den sozialen Wohnungsbau. Wichtig wäre, dass mit diesem Geld nicht einfach die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden: als sozialer Wohnungsbau nämlich vor allem ein üppiges Subventionsprogramm für findige Unternehmer war, die sich den billigen Wohnraum bequem von der öffentlichen Hand finanzieren ließen. Kreativere Lösungen sind gefragt.

Drittens: Integrationskurse werden künftig auch schon für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive geöffnet, nicht erst für diejenigen, deren Antrag positiv beschieden wurde. Das ist gut und richtig, weil Sprache der Schlüssel für alle weiteren Integrationsschritte ist. Allerdings: Auch hier muss erst der Praxistest gelingen. Mehr Kurse heißt mehr Angebot, mehr Lehrer, mehr Geld. All das  - siehe BAMF – wächst nicht von selbst, nur weil Politiker es nachts so entscheiden.

„Erfolgreich“ sei der Abend gewesen, sagte Angela Merkel. „Ich bin sehr froh“, sekundierte Brandenburgs Landeschef Dietmar Woidke, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Wenn sich da beide nicht zu früh gefreut haben.

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