
Der Ton am späten gestrigen Abend, als die Kanzlerin und die 16 Ministerpräsidenten ihre Beratungen beendet hatten, war zufrieden, bisweilen geradezu erleichtert. Es hatte länger gedauert als geplant, deutlich länger sogar, aber von dem, was in mehreren Stunden Ringen entscheiden worden war, gaben sich alle Seiten zufrieden. Endlich Einigkeit, lautete die Botschaft. Endlich Lösungen.
Dabei sind Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels gemischt: Es ist in der Tat viel Zuckerbrot für die Länder dabei, also neues Geld vom Bund auf Basis von Kopfpauschalen (670 Euro pro Asylbewerber pro Monat), aber eben auch viel Peitsche, gerade was die Einigung auf weitere, sichere Herkunftsländer im Westbalkan und mehr Sachleistungen in den Erstaufnahmelagern angeht. Vor allem jedoch stellen sich auch nach dem gestrigen Abend weiterhin viele Fragen. Politiker suggerieren nach solchen Runden gerne, dass nun alles in bester Ordnung sei. Dem ist noch lange nicht so.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Erstens: Da wäre das wieder erneuerte Kern-Versprechen, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll dafür deutlich mehr Personal bekommen. Auch wenn das Vertrauen in die Krisenmanagementfähigkeiten von Frank-Jürgen Weise (nebenbei immerhin noch Chef der Bundesagentur für Arbeit) groß ist: dieses Versprechen gibt es seit mindestens einem Jahr. Und zwar nicht eingelöst. Seitdem ist der Berg der unbearbeiteten Asylverfahren nämlich größer, nicht kleiner geworden. Auch Weise kann keine neuen Entscheider herbeizaubern, es muss (um-)geschult werden – und das wird dauern.
Zweitens: In den kommenden vier Jahren investiert die Bundesregierung eine halbe Milliarde Euro jährlich mehr in den sozialen Wohnungsbau. Wichtig wäre, dass mit diesem Geld nicht einfach die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden: als sozialer Wohnungsbau nämlich vor allem ein üppiges Subventionsprogramm für findige Unternehmer war, die sich den billigen Wohnraum bequem von der öffentlichen Hand finanzieren ließen. Kreativere Lösungen sind gefragt.
Drittens: Integrationskurse werden künftig auch schon für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive geöffnet, nicht erst für diejenigen, deren Antrag positiv beschieden wurde. Das ist gut und richtig, weil Sprache der Schlüssel für alle weiteren Integrationsschritte ist. Allerdings: Auch hier muss erst der Praxistest gelingen. Mehr Kurse heißt mehr Angebot, mehr Lehrer, mehr Geld. All das - siehe BAMF – wächst nicht von selbst, nur weil Politiker es nachts so entscheiden.
„Erfolgreich“ sei der Abend gewesen, sagte Angela Merkel. „Ich bin sehr froh“, sekundierte Brandenburgs Landeschef Dietmar Woidke, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Wenn sich da beide nicht zu früh gefreut haben.