Von der Leyen entscheidet sich für Kampfdrohnen
Zu den größten der Talenten der Machtpolitikerin Ursula von der Leyen zählt Begabung für Selbstinszenierung: Ob sie medienwirksam die Kinderkrippe der Bundeswehr besucht, mit Drei-Wetter-Taft-Frisur und schusssicherer Weste in Afghanistan aufschlägt – oder sich beim „Public Viewing“ in Washington so vor den Kameras platziert, dass hinter ihr Fußballfans jubeln statt steifer Ehrengäste: Stets gibt die 55-Jährige mit den offenkundigen Ambitionen auf die Thronfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein perfektes Bild ab.
Damit ist Schluss. Die Schonfrist im Bundesverteidigungsministerium, derweil sich die CDU-Politikerin mit einem Kuschelkurs zur Work-Life-Balance temporär profilieren durfte, ist vorüber. In der Debatte um die Anschaffung von Kampfdrohnen muss von der Leyen nach Monaten des Schweigens endlich Farbe bekennen: Braucht die Bundesrepublik Kampfgeräte, die aus der Luft ihre Bomben auf Menschen werfen – gesteuert nur von Soldaten am Joystick, denen der Krieg so fern ist wie beim Videospiel? Oder ist es ethisch verwerflich, was die Amerikaner und andere hochgerüstete Armeen praktizieren? Was würde es für Deutschland bedeuten, wenn die Deutschen bei diesem neuen Wettrüsten nicht mitmachen, der Rest der Welt aber schon (alte und neue Schurkenstaaten inklusive)?
Was für Kampfdrohnen spricht
Kampfdrohnen können die eigenen Soldaten bei Patrouillen und in Gefechten besser schützen als bemannte Kampfjets oder Hubschrauber. Sie können 24 Stunden in der Luft sein, verfügen über exzellente Aufklärungstechnik und lasergelenkte Präzisionswaffen, mit denen sie ihre Ziele weitaus genauer treffen können als herkömmliche Kampfflieger. Sie können zudem direkt reagieren, wenn sie eine Bedrohung erkennen.
In Afghanistan war die Bundeswehr lange Zeit auf die US-Verbündeten angewiesen, was die Unterstützung von Bodentruppen aus der Luft angeht. Erst in der Schlussphase ihres im Dezember endenden Kampfeinsatzes wurde sie mit Kampfhubschraubern vom Typ „Tiger“ ausgerüstet. Mit eigenen Kampfdrohnen könnte sie bei solchen Einsätzen unabhängiger agieren.
Eigene Soldaten werden beim Einsatz unbemannter Kampfflugzeuge nicht gefährdet. Die Drohnen können aus Hunderten oder Tausenden Kilometern Entfernung gesteuert werden. Viele der in Pakistan oder im Jemen eingesetzten US-Kampfdrohnen werden von Luftwaffenstützpunkten in den USA gelenkt.
Drohnen sind deutlich kostengünstiger als bemannte Kampfjets. Ein „Eurofighter“-Kampfjet ist mehr als zehn mal so teuer wie eine US-Drohne vom Typ „Reaper“. Das gilt auch für Wartung und Instandhaltung.
Merkels machthungrigste Ministerin steckt im Dilemma: Ihre Behörde steht einig hinter den Kampfdrohnen, weil sie im Gefecht Soldatenleben retten können. Dem Wähler aber sind die Dinger unheimlich, ihr Einsatz ethnisch verwerflich. Sachlich gibt es für beide Positionen gute Argumente, die am Montag im Verteidigungsausschuss zur Sprache kamen. Politisch fällt die Abwägung schwer: Wenn es sich von der Leyen wegen eines Anti-Drohnen-Kurses mit ihren Soldaten verscherzt, könnten die der „Mutter der Kompanie“ noch eine Menge Mühlsteine beim McKinsey-mäßigen Umbau der Behörden in den Weg rollen. Aber „UvdL“ als Wegbereiterin der Killer-Ufos? Das könnte ihr den Traum vom Kanzleramt vermasseln.
Was gegen Kampfdrohnen spricht
Da keine eigenen Soldaten gefährdet werden, sinkt die Schwelle zum Einsatz von Gewalt. Drohnen-Kritiker befürchten eine Kriegführung wie im Computerspiel.
Drohnen sind der Einstieg in die Automatisierung von Kriegen. Sie könnte zur Entwicklung autonomer Waffensysteme führen, die ohne menschliches Einwirken agieren. Die Bundesregierung lehnt solche Waffensysteme ab. International geächtet sind Kampf-Roboter aber noch nicht.
Die USA setzen Kampfdrohnen für die gezielte Tötung mutmaßlicher Terroristen in Pakistan, Afghanistan, Somalia oder im Jemen ein. Das Vorgehen ist völkerrechtlich umstritten, der Bundeswehr würden solche Einsätze aber verboten. Trotzdem wird das US-Beispiel von Kritikern als ein Hauptargument gegen bewaffnete Drohnen angeführt.
Ursula von der Leyen antwortet mit einem klaren „jein“: Die Bundeswehr wird Drohnen vorerst mieten, nicht kaufen – allerdings solche, die man auch bewaffnen kann. Im Bundestag sprach sie sich bei einer Neuentwicklung für eine „europäische Lösung“ aus, die allerdings mindestens zehn Jahre dauern werde. Rhetorisch schlüpfte sie – wenn wundert’s – in die Rolle einer „Mutter der Kompanie“: Soldaten, die im Einsatz ihr Leben riskierten, benötigten „die bestmögliche Ausrüstung, und die sollte man ihnen nicht verwehren“. Die Abgeordneten beteuerte sie: „Der Einsatz von Drohnen ist nur möglich, wenn alle völkerrechtlichen Bedingungen beachtet werden – und zwar nach der Billigung durch den Bundestag.“
Indem sie die heiße Kartoffel an den Bundestag zurückgibt, will sich von der Leyen in der brisanten Drohnen-Debatte aus der Affäre ziehen. Im Interesse der Bundesrepublik ist das nicht. Diesseits von nebulösen Proklamationen diverser Spitzenpolitiker, wonach Deutschland „mehr Verantwortung in der Welt“ übernehmen solle, ist das „Wie“ noch völlig ungeklärt. Und daran hängt auch die Drohnen-Frage: Wenn sich die deutsche Politik eine militärische Rolle bei der Befriedung von Konflikten wie in der Ukraine, im Irak oder in Syrien vorstellen kann, dann braucht man Drohnen. Wenn man glaubt, dass dies sowieso nichts bringt, kann auf die Anschaffung der Kampfmaschinen verzichten. Dazwischen gibt es viele weitere Optionen.
Entscheidend ist, dass Deutschland die passende sicherheitspolitische Strategie verpasst bekommt – und davon sollte auch die Frage nach der Beschaffung von Drohnen abhängen. Von einem schlüssigen Konzept deutscher Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert ist die Bundesregierung im Moment weit entfernt. Ursula von der Leyen sollte langsam aus der Kuschelecke der Bundeswehr-Kinderkrippe bequemen und Realpolitik machen. Sonst kann sie auch nicht Kanzler.