Einsatz von Steuergeldern Die grüne Lastenesel-Milliarde ist Ausdruck riskanter Allmachtsfantasien

Quelle: dpa

Was haben Autozulieferer und Hersteller von Lastenfahrrädern gemeinsam? Politiker wollen sie mit Milliarden Euro pampern. Staatliche Beihilfen avancieren plötzlich zum gefährlichen Allheilmittel bei den Parteien. Ein Kommentar.

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Endlich mal keine Nachricht über Plagiate oder verunglückte Lach-Bilder aus dem Ahrtal. Die Grünen wollen in der nächsten Legislaturperiode eine Milliarde Euro zur Förderung von (auch privat genutzten) Lastenfahrrädern ausgeben. Eine Million dieser Drahtesel sollten vom Bund mit jeweils 1.000 Euro Zuschuss gefördert werden, sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Tickermeldung heizt gerade die Gemüter an. Endlich geht es um politische Inhalte in diesem Wahlkampf. Darum, was die Parteien tun wollen, wenn sie an die Regierung kommen. Die Grünen wollen also diese Fahrräder subventionieren, die auf Vorbauten Kids und Kästen transportieren können und die man inzwischen vor allem in grün-bourgeoisen Trendvierteln wie dem Berliner Prenzlauer Berg entlangdüsen sieht.

Natürlich kann man jetzt vorbringen, dass diese Lastenfahrräder eigentlich keinen öffentlichen Streit wert sind und dass eine Milliarde Euro an Zuschüssen ohnehin nicht richtig ins Gewicht fällt. Man kann sagen, dass dieses Sachthema vom politischen Desaster des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet und auch von der desaströsen Performance der grünen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock nur ablenke. Andererseits kann man aber auch argumentieren, dass eine Milliarde Euro immer noch verdammt viel Geld ist. Und dass Zuschüsse für dieses ohnehin schon boomende Segment am leergefegten Fahrradmarkt auszugeben, zweifelhaft ist und den Eindruck erwecken könnte, da wolle jemand seiner (zum Teil ordentlich betuchten) Klientel mal etwas Geld aus der Staatskasse zuschieben.



Doch es gibt auch eine höhere Bedeutung in diesem Lastesel-Streit, nämlich wie Politiker es mit dem Umgang mit Steuergeldern halten. Diese Gretchenfrage verdient eine größere Aufmerksamkeit beim Wähler. Wollen wir immer weniger der lenkenden Kraft der Bürger als Konsumenten und der Anpassungs- und Innovationskraft der Unternehmen vertrauen und stattdessen lieber an die Weisheit des Staates beziehungsweise seiner Politiker und Beamten glauben?

Vielleicht haben wir uns in der Corona-Pandemie ja daran gewöhnt, dass der Staat massiv in unser Leben eingreift und daher nun auch am besten weiß, wie wir zum Beispiel zu fahren haben (nämlich mit einem Lastenfahrrad). Aber mit unserem Leitbild einer sozialen Marktwirtschaft, das uns diesen Wohlstand beschert hat, verträgt sich die sich ausbreitende Interventionitis nicht.

Das Thema ist also viel größer als die Milliarde für Lastenräder und betrifft auch nicht die Grünen allein. Vor ein paar Tagen verkündete Bundesfinanzminister Olaf Scholz von der SPD, dass ein neuer Hilfsfonds für die deutsche Autoindustrie startklar sei. Der neue „Zukunftsfonds“, den die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD zuvor beschlossen hatte, soll bis 2025 eine Milliarde Euro bereitstellen. Ausgerechnet die Autobranche, die immense Gewinne macht und hohe Dividenden ausschüttet, soll nun noch mehr Steuergelder dafür bekommen, dass „sie die klimafreundlichen Autos der Zukunft baut, neue Arbeitsplätze entstehen und Wertschöpfung erhalten bleibt“, so Scholz.

Ist das wirklich nötig, mag sich der hart arbeitende Arbeiter fragen, der Steuern zahlt und den Scholz zu vertreten vorgibt? Überhaupt nutzen Autokonzerne wie Daimler derzeit auch die öffentlichen Kassen, um Arbeiter in Kurzarbeit zu schicken (Stichwort Corona-Hilfe, obwohl die Kurzarbeit auf Chip-Mangel zurückzuführen ist). Ist das anständig? Nun ja, die Regierung lässt es geschehen.

Subventionen sollten sehr vorsichtig eingesetzt werden, insbesondere um soziale Härten zu vermeiden und vielleicht eine positive Lenkungswirkung zu entfalten. Doch inzwischen scheint die Politik ein anderes Verständnis zu entwickeln. Etwa im Kampf gegen andere Staaten bei der Ansiedlung von Fabriken – quasi als verdecktes Steuerdumping.

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Tesla um Beispiel kassiert für seine Gigafactory in Grünheide bei Berlin wohl mehrere Milliarden Euro an staatlichen Hilfen. Genaue Zahlen gibt es nicht, sie werden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Doch es zeigt sich, dass Deutschland offenbar bereit ist, die Subventionskeule ohne Skrupel überall dort zu schwingen, wo ihre Politiker dies für opportun halten. Politischen Allmachtsfantasien sollten wir aber mit allergrößter Vorsicht und Skepsis begegnen, gerade in der Wirtschaft. Auch unter diesem Aspekt sollten wir die Parteien betrachten, wenn wir uns eine Vorstellung über die nächste Regierung machen wollen.

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