
CDU, CSU, FDP und Grüne versuchen in der Verhandlungsrunde am Donnerstag auszuloten, ob sie bei den größten Streitpunkten Migration, Klimaschutz und Energiepolitik eine gemeinsame Linie finden können.
Vor Beginn der ganztägigen Gespräche markierten die Unterhändler noch einmal ihre unterschiedlichen Positionen. So kündigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) harten Widerstand der Union gegen die Energie- und Klimapolitik der Grünen an und drohte mit einem Scheitern der Verhandlungen.
In der ersten inhaltlichen Sondierungsrunde hatten sich die Unterhändler Anfang der Woche auf Grundzüge einer gemeinsamen Haushalts- und Finanzpolitik verständigt. Dazu zählt das Ziel, in der neuen Legislaturperiode weiter ohne zusätzliche Schulden auszukommen. Über die Interpretation kam es dann im Nachhinein aber zum Streit. Kubicki kritisierte mit Blick auf die Grünen: "Es fehlt hier ein Grundvertrauen zwischen den Verhandlern".
Dazu merkte Grünen-Chef Cem Özdemir an: "Was nicht geht ist, dass man sich auf gemeinsame Papiere als Arbeitsgrundlage verständigt und dann einzelne Teilnehmer die doch sehr mutwillig in ihrem Sinne interpretieren und so tun, als ob da Dinge drinstehen, die da nicht drinstehen."
Weiterer Streit ist beim Thema Einwanderung vorprogrammiert. Für die CSU, die sich mit ihrem Plädoyer für eine Obergrenze beim Flüchtlingszuzug monatelang mit ihrer Schwesterpartei CDU gestritten hat, ist dies "das Thema schlechthin", wie sie im Vorfeld deutlich machte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte im Deutschlandfunk, hier könne es für seine Partei, etwa beim Familiennachzug, kein Zurückweichen geben. Deutschlands Integrationsfähigkeit sei begrenzt.
Mehr als maximal 200.000 Menschen könnten aus humanitären Gründen nicht ins Land kommen. "Ohne eine Begrenzung der Zuwanderung wird Jamaika eine Insel der Karibik bleiben, aber auf keinen Fall eine Koalition in Berlin werden", sagte Dobrindt.
Die Grünen befürworten dagegen großzügigere Regeln für den Familiennachzug und lehnen eine Obergrenze für Flüchtlinge ab. Die FDP wiederum will ebenfalls den Zuzug von Flüchtlingen wirksamer beschränken, wie ihr Parteichef Christian Lindner dem "Spiegel", sagte. "Wenn das System der Begrenzung und Kontrolle funktioniert, kann man beim Familiennachzug wieder offener sein", schränkte er aber ein. Von dem "plumpen Wort" Obergrenze halte er bei allem Verständnis für die CSU jedenfalls nichts.
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Im Wahlkampf hat die Ökopartei stark auf ihren Markenkern gesetzt. Nun muss sie liefern, sonst droht das Veto der Basis - oder die Quittung bei der nächsten Bundestagswahl. Das wissen die anderen Verhandlungspartner auch. Sie könnten es nutzen und den Preis etwa für einen Kohleausstieg möglichst hoch treiben, so dass die Grünen an anderer Stelle Zugeständnisse machen müssen. Klimaschutz werde „ganz besonders schwierig“, nahm Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schon als ein Resultat aus der ersten großen Sondierungsrunde mit.
Damit sie mit ihren Forderungen nicht gegen eine Wand laufen, haben die Grünen sich eine Strategie ausgedacht: „Es kann keine Arbeitsteilung geben, die so aussieht: Die Grünen machen Vorschläge und die anderen arbeiten sich daran ab, aber machen keine eigenen Vorschläge“, hat Parteichef Cem Özdemir erklärt. Von allen müsse was kommen. Wer die besseren Ideen habe, darüber könne man dann streiten.
Angela Merkel hat - oder hatte - den Beinamen Klimakanzlerin. Sie hat das Pariser Klimaabkommen und einen Klimaschutzplan mit verabschiedet. Der sieht vor, dass Deutschland bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um 55 Prozent mindert im Vergleich zu 1990. Dann ist da noch das 2020-Ziel - das fällt in diese Legislaturperiode. Bis dahin soll der Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent runter. Das Ziel ist von 2007, damals regierte Merkel mit der SPD. Schwarz-Gelb bekräftigte es im Koalitionsvertrag 2009. Aber erst vor zwei Wochen belegte das Umweltministerium (mal wieder), dass das Nahziel nur mit umfassenden zusätzlichen Maßnahmen noch zu halten ist.
International ist Klimaschutz ein großes Thema. 2015 bejubelten Klimaschützer weltweit das Abkommen von Paris, 2017 gingen sie mit US-Präsident Donald Trump ins Gericht, weil er es aufkündigen will. Von 6. November an werden in Bonn bis zu 25 000 Teilnehmer der nächsten Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen erwartet. Die Präsidentschaft hat Fidschi, aber Deutschland ist Gastgeberland - und damit noch stärker als sonst im Fokus der internationalen Klima-Diplomatie.
Zwar ist die Zahl derjenigen, die in der Braunkohleindustrie arbeiten, stark zurückgegangen. Nach Angaben der Bundesverbands Braunkohle und einem neuen Gutachten im Auftrag der Grünen-Fraktion sind es aber noch rund 20 000. Vor allem das Rheinland und die Lausitz trifft es, wenn die Jobs wegfallen.
Beim Klimaschutz geht es nicht nur um Kohle - allerdings ist schon das extrem kompliziert. Ökostrom-Ausbau, Stromnetze, EEG-Umlage, Einspeisevorrang für Erneuerbare, europäischer Emissionshandel sind nur ein paar Stichworte. Dazu kommen Gebäudesanierung, Heizungen, Benzin- und Dieselmotoren und die Kraftstoffsteuern, Industriesubventionen und die Landwirtschaft. Aus alldem ein Gesamtpaket zu schnüren, ist eine echte Mammut-Aufgabe.
Ebenfalls umstritten sind die Klima- und Energiepolitik. Einigkeit zeichnet sich zwar in dem grundsätzlichen Ziel ab, dass Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen sollte. Strittig aber dürfte vor allem der von den Grünen geforderte rasche Kohleausstieg werden. Grünen-Chefin Simone Peter sagte der Funke Mediengruppe, Deutschland müsse seine nationalen Klimaziele 2020 erreichen, und dazu zähle ohne Zweifel der verbindliche Kohleausstieg und der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien.
Der Grünen-Energieexperte Oliver Krischer plädierte für Härte. Mit Blick auf das Klimaziel unterstrich er: "Wenn Union und FDP das Ziel anders als mit Kohleausstieg und emissionsfreier Mobilität erreichen wollen, müssen sie erklärten wie." Bisher habe er aber keine Vorschläge gesehen.
NRW-Regierungschef Laschet hielt dagegen. "Wenn der Industriestandort Deutschland gefährdet wird, können wir keine Koalition machen", sagte der Verhandlungsführer der CDU für den Bereich Energie und Klima der "Rheinischen Post". Klimaschutz sei wichtig, aber auch der Erhalt von Arbeitsplätzen sei ein moralisches Ziel. "Wenn Braunkohlewerke in der Lausitz schließen und das die Erwerbsgrundlage für Tausende Menschen entzieht, dann haben Sie demnächst 30 Prozent AfD", warnte er. Die von den Liberalen geforderte Streichung der Ökostromumlage wiederum dürfte auf heftigen Widerstand der Grünen treffen.