Einwanderungspolitik der FDP Schärfere Regeln für Migranten, aber Abgrenzung von der AfD

Die FDP will sich ihre Einwanderer künftig gezielter aussuchen – mit einer Politik, die stärker auf Abschreckung abzielt. Die Partei will ihre Positionen jedoch nicht als Angebot für potenzielle AfD-Wähler verstanden wissen.

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„Wir halten es für notwendig, dass die Mittelmeerroute geschlossen wird“. Quelle: dpa

Berlin „Wenn ich es richtig sehe, Joachim, bist du der erste Flüchtlingsminister, den es in Deutschland gibt“, sagt FDP-Chef Christian Lindner am Montag in Berlin gut gelaunt in Richtung des nordrhein-westfälischen Ministers für Familie und Integration, Joachim Stamp. Digitalisierung, Bildung, Steuerentlastungen – mit diesen Themen hat sich die FDP in den vergangenen Wochen im Bundestagswahlkampf in erster Linie positioniert. Auf den letzten Metern konkretisiert die Partei nun ihre Positionen bei der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Integrationsminister Stamp ist dafür wichtigster Kronzeuge.

„Wir sind de facto seit vielen Jahren ein Einwanderungsland“, sagt er gleich zu Beginn des Termins vor Journalisten, bei dem er das Papier zur Einwanderungspolitik seiner Partei vorstellen wird. Es gebe aber bisher keine „strukturierte Möglichkeit“ nach Deutschland zu kommen als über das Asylrecht.

Zwar brauche Deutschland eine „gesteuerte Einwanderung von Fachkräften“ und müsse auch weiterhin humanitäre Verantwortung übernehmen, heißt es in dem Papier. Die Gesellschaft dürfe aber nicht durch „unkontrollierte Migration überfordert werden“.

Die Partei will, dass alle Asylbewerber zunächst in „Zentralen Unterbringungseinrichtungen“ wohnen müssen. Dort sollen sie nur Sachleistungen, aber kein Geld erhalten. Wer nach seinem Verfahren in Deutschland bleiben darf, darf die Unterkunft verlassen, die anderen werden abgeschoben.

„Zur Beschleunigung der Verfahren sind die Länder Algerien, Marokko und Tunesien umgehend als sichere Herkunftsstaaten einzustufen“, heißt es in dem Papier. Diese Einstufung ist in Deutschland durchaus umstritten.

Der Bundestag hatte eine entsprechende Maßnahme zwar bereits vergangenes Jahr beschlossen, allerdings ist dazu die Zustimmung des Bundesrats nötig. Anfang des Jahres hatten sich die Grünen und die Linken mit Verweis auf die erhebliche Verletzung von Menschenrechten in diesen Ländern jedoch gegen die neue Einstufung ausgesprochen.


Schärferer Grenzschutz gefordert

Die FDP will zudem eine neuen Rechtsstatus für Kriegsflüchtlinge. Nach einer Identitäts- und Sicherheitsüberprüfung sollen Menschen, die vor Krieg in ihrem Land geflüchtet sind, sofort Bleiberecht in Deutschland bekommen. Dann sollen sie auch sofort arbeiten dürfen. Allerdings soll dieser Status mit dem Ende des Krieges sofort erlöschen, heißt es in dem Papier. Die Beurteilung, wann auch nur Teile eines Landes wieder sicher sind, will die FDP dem Urteil des Auswärtigen Amts überlassen.

„Gut integrierte Steuerzahler und ihre Familien“ wollen die Liberalen aber nicht sofort abschieben, sie sollen sich dafür bewerben dürfen, zum Einwanderer zu werden.

Mit einer reformierten Blue Card will sich die FDP Einwanderer demnächst selbst aussuchen. Wer einen Arbeitsvertrag mit einem branchenüblichen Einstiegsgehalt abschließt, soll in Deutschland leben dürfen. „Um geeignete Fachkräfte und Spezialisten zu gewinnen, wird für eine jährlich festzulegende Anzahl qualifizierter Einwanderer nach einem Punktesystem mit klaren Kriterien wie Alter, Sprache, berufliche Qualifikation und Bedarf des Arbeitsmarktes eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr gewährt“, heißt es in dem Papier.

Die FDP setzt auch auf einen schärferen Grenzschutz. Die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache Frontex soll ausgebaut werden und „hoheitliche Durchgriffsrechte“ bekommen. Was die Staaten, deren Hoheitsgebiete damit untergraben werden, davon halten würden, ist fraglich.

„Wir halten es für notwendig, dass die Mittelmeerroute geschlossen wird“, fordert Stamp. Stattdessen will die FDP mehr Flüchtlingslager unter Leitung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR aufbauen. Perspektivisch soll über Asylanträge schon vor Ort in Afrika entschieden werden. Wie der vermutlich enorme Personalbedarf vor Ort für all die dann wahrscheinlich massenweise gestellten Anträge herkommen soll, davon steht in dem Papier jedoch nichts.

„Um einen massiven Zuzug von nicht-registrierten Migranten wie 2015 zu verhindern“ will die FDP die nationale Grenze in vergleichbaren Situation im Rahmen des Schengen-Abkommens umfassend kontrollieren.

Lindner nannte die Forderungen einen wichtigen „Prüfstein“ für eine mögliche Koalitionsbeteiligung nach der Bundestagswahl und versuchte, dem Eindruck entgegenzutreten, dass er sich mit seiner Partei an potenzielle AfD-Wähler wendet. Er sage schon seit langem, dass die AfD in ihrem Grundverständnis eine „völkisch-autoritäre“ Partei sei. Die Politik dieser Partei sei von ihrer Gesamtanlage eine anti-liberale, anti-bürgerliche Partei, das Gegenteil der FDP. „Wer die AfD gut findet oder in Erwägung zieht, der kann uns gar nicht gut finden, weil wir eben der Gegenpol sind als eine individualistische, weltoffene Partei“, sagte er am Montag.

Die Grünen reagierten mit Spott auf das FDP-Papier. Lindners Vorschläge seien „ein wirres Potpourri von halbgaren Schlagwörtern“, sagte der Migrations-Experte der Grünen, Volker Beck. „Was er fordert, gilt im Wesentlichen bereits jetzt, nur ist das geltende Recht deutlich geordneter als die Gedanken des FDP-Kandidaten.“

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