Ein Abend im Hafen-Klub. Durch die Fenster sieht man auch bei dunklem Winterwetter die Lichter des Hafens. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz ist zu Gast. Neben ihm sitzt Angela Titzrath, die gerade erst ins Amt gekommene Vorstandsvorsitzende der HHLA. Sie gibt die Antwort der Wirtschaft: „Die Kunden“, sagt sie, „schauen sich den Hafen im europäischen Kontext an.“ Bloß: Da spricht ohnehin längst vieles gegen Hamburg. Der Hafen lag bis vor der Finanzkrise beim Containerumschlag noch deutlich vor Antwerpen. Mittlerweile liegen die Belgier nach Jahren kontinuierlichen Wachstums deutlich vor Hamburg auf dem europaweit zweiten Platz hinter Rotterdam. Aus Vöpels Sicht steht Hamburg daher heute vor einer Entscheidung zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen: „Die Elbvertiefung wird es dem Hafen ermöglichen, noch mal eine Dekade im Wettbewerb zu bestehen – danach aber wären die Einbrüche umso dramatischer.“
Um dieses Szenario zu verstehen, muss man den Hafen hinter sich lassen und dorthin gehen, wo Hamburg früher mal richtig schmuddelig war. Etwa an der Langen Reihe, wo Marc Schmitt sein Büro hat. Schmitt ist Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Evertracker, er steht für eine andere Zahl, die ebenfalls zu Hamburg gehört: plus 23 Prozent. So stark ist das Bruttoinlandsprodukt der Stadt zwischen 2009 und 2015 gestiegen, also just in dem Zeitraum, als der Hafen den Anschluss an seine Konkurrenten verlor.
Heute werden in der Stadt mehr als 110 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaftet, und das liegt eben nicht nur an den dauerpiepsenden Containerschiebern südlich der Elbe, sondern auch an stillen Stars wie Marc Schmitt. Seine Idee: Jeder Container, Rollwagen oder womit sonst Unternehmen ihre Güter transportieren, wird mit einem GPS-Sender ausgestattet. Schmitts Software analysiert dann die Auslastung und Wegeführung dieses Transportmittels.
Ideenträger wie Schmitt gibt es viele in der Stadt, deren Sogkraft auf junge Talente locker mit Berlin und München mithalten kann. Sie zeigen, dass es nicht auf die Menge des Containerumschlags ankommt, um Mehrwert zu schaffen. Sondern auf die Art und Weise. Kurzfristig wird die Vertiefung der örtlichen Wirtschaft nützen, meint deshalb HWWI-Forscher Vöpel, schon allein durch die Investitionen von mindestens 650 Millionen Euro, die dafür nötig wären. Andererseits: „Hätte das Gericht die Vertiefung untersagt, für die Stadt wäre es langfristig vielleicht die bessere Entscheidung gewesen.“