ElringKlinger-Chef Wolf „Bloß keine Verstaatlichung“

Der Vorstandsvorsitzende der ElringKlinger AG, Stefan Wolf, sagt: „Bloß keine Verstaatlichung.“ Quelle: dpa

Zum Berliner Autogipfel meldet sich ElringKlinger-Chef Stefan Wolf aus seinem Urlaub auf Sylt zu Wort. Er warnt vor einer Verstaatlichung notleidender Automobilzulieferer. Der Stuttgarter, der auch den Arbeitgeberverband Südwestmetall vertritt, mahnt an, den Gürtel enger zu schnallen – die Tarifverhandlungen für die Branche im Dezember müssten zu einer Senkung der Lohnkosten pro Stunde führen. Er fordert weniger Weihnachtsgeld anstelle von Beteiligungsfonds.

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WirtschaftsWoche: Herr Wolf, wie geht es den Autoherstellern und ihren Zulieferern?
Stefan Wolf: Es geht schon wieder nach oben. Der richtige Tiefpunkt war im April und Mai – mit Einbrüchen von 70 und 80 Prozent – getrieben von den Corona-Lockdowns. China ist heute der Treiber – das ist die Ironie, dass das Land, wo alles entstanden ist, schon wieder auf sehr hohem Niveau produziert – zum Teil sogar über dem, was man für 2020 geplant hatte. Auch die USA sind wieder auf hohem Niveau, weil die riesigen Parkplätze der Händler wieder aufgefüllt werden. Das kann ein Strohfeuer sein. Nur Europa aber ist immer noch recht schwach.

Wie läuft es bei Ihrem Unternehmen konkret? Ein Analyst hat die Aktie ja zum Kauf empfohlen und sein Kursziel von drei auf zehn Euro hochgesetzt.
Im Juni und Juli hat es wieder angezogen. Auch der August war nicht schlecht. Wir kriegen extrem viele Impulse in Sachen Brennstoffzelle und Batterie-Technologie. Weil wir vor 20 Jahren auf neue Technologien gesetzt haben, sind wir da jetzt führend.

Warum geht es kleineren Zulieferern schlechter als den großen?
Viele kleinere haben nicht die Finanzierungskraft wie die größeren – denen geht schneller das Geld aus, weil sie nicht die großen Eigenkapitalquoten und Liquiditätsreserven haben. Diesen Unternehmen muss man helfen. Es gibt bereits KfW-Programme, aber da wird man noch etwas tun müssen.

Aber die Abwrackprämie vor elf Jahren hat ja ein goldenes Jahrzehnt eingeläutet für die Autobauer. Warum ist da nicht mehr hängengeblieben und vorgesorgt worden?
Der Transformationsprozess hin zu umweltfreundlicheren Antriebssystemen kostet richtig viel Geld – das ist eine echte Herausforderung. Da haben viele Unternehmen kräftig investiert und konnten kein Geld zurücklegen. Heute sind da oft wenig Reserven, weil man das Geld in den vergangenen zehn Jahren in die Zukunft investiert hat.

Warum ist das überhaupt ein Thema für die Politik?
Es ist die wichtigste Industrie überhaupt in Deutschland neben dem Maschinenbau. Die Fahrzeugzulieferindustrie ist eine Schlüsselindustrie, die sehr viele Menschen beschäftigt. Wir sprechen über 800.000 bis eine Million Arbeitsplätze – mit allem, was daran hängt, sogar über drei Millionen Arbeitsplätze. Es ist notwendig, dass sich die Politik darum kümmert. Das oberste Ziel muss sein, Arbeitsplätze zu erhalten.

Der Gipfel führt zu einer ganzen Bonanza von Ideen, was man der Autoindustrie Gutes tun kann. Wie sehen Sie das?
Viele Akteure bringen sich ein und meinen, sie müssen Vorschläge machen. Wie etwa die IG Metall, die jetzt mit einem Mittelstandsfonds gekommen sind. Aber wir müssen andere Lösungen finden als staatliche Beteiligungen. Lufthansa ist ein ganz anderer Fall. Auch die Viertage-Woche – die haben wir schon im Tarifvertrag. Die wird nur nicht genutzt, weil sie zu teuer ist. Entscheidend ist, dass man schnelle und tragfähige Lösungen findet für die kleineren Zulieferbetriebe, die ein großes Finanzierungsproblem haben.

Die Forderung nach Verstaatlichung kommt aus allen möglichen Reihen – hat nicht auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut von der CDU sie angemahnt?
Ich glaube nicht, dass Unternehmen eine Teilverstaatlichung gut fänden. Das schränkt die unternehmerische Freiheit ein. Viele haben in den letzten zehn Jahren gezeigt, dass sie gut arbeiten, und ihre Gewinne in die Transformation gesteckt. Finanzierungsunterstützung ist angezeigt, mehr nicht. Die brauchen jetzt nicht den Vater Staat als Mitbesitzer. Es ist eine sozialistische Hoffnung, dass der Staat der bessere Unternehmer ist. Das ist schlichtweg nicht der Fall.

Die Senkung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte sollte ja ganz elegant allen Bereichen der Wirtschaft helfen – wirkt die denn im Automobilbereich?
Nein, die bringt keinen richtigen Impuls. Die Mehrwertsteuer-Reduzierung halte ich nicht für das richtige Mittel. Es ist auch sozial ungerecht. Wer ein Auto für 250.000 Euro kauft, spart 6000 Euro – und dem kommt es auf diese 6000 Euro nicht an. Wer ein Auto für 40.000 Euro kauft, spart 800 Euro – das ist nicht der richtige Weg.

Die Verlängerung, die Markus Söder fordert, halten Sie also für nicht angezeigt?
Nein.

Und was halten Sie von der an den CO2-Ausstoß gekoppelten Prämie?
Die hätte ich gut gefunden, aber das Thema ist durch - das hat die SPD beim letzten Paket bewusst verhindert. Das verstehe ich nicht, denn jeder Euro-4-Diesel, der von der Straße wegkommt und durch einen Euro-6-Diesel ersetzt wird, ist gut für die Umwelt. Es ist die Frage, ob man noch mal nachverhandeln sollte, wenn man sich mit einer Forderung nicht durchgesetzt hat. Manchmal muss man damit leben, dass Dinge durch und vorbei sind.

„Viele in unserer Industrie werden ausscheiden“

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing warnt ja vor Zombie-Zombie-Unternehmen. Haben Sie davor auch Angst?
Er hat den Finger in die richtige Wunde gelegt. Man muss mit sehr viel Augenmaß herangehen. Wir müssen unsere Industrie wieder richtig aufstellen. Alle sprechen von Corona, aber wir haben einen Riesen-Transformationsprozess in der Industrie, der schon vorher begonnen hat.

Aber wie soll sich ein Unternehmen, das Motorblöcke gießt, verändern?
Keine Frage, dass das schwierig ist. Viele in unserer Industrie werden ausscheiden. Es wird eine Konsolidierung geben. Diejenigen, die sich vorbereitet haben, wie wir bei ElringKlinger vor 15, 20 Jahren, werden eine sehr gute Zukunft haben. Aber man muss sich klar sein: In unserer Industrie scheiden auch Spieler aus, die unvorbereitet sind.

Und da kann auch der Staat nichts machen?
Der Zug fährt schon relativ schnell, da ist es schwierig, noch aufzuspringen. Dennoch gibt es natürlich Dinge, die der Staat tun kann. So fordern wir beispielsweise schon seit längerem, dass die steuerliche Forschungsförderung nochmal aufgestockt wird. Auch eine verbesserte Zusammenarbeit der Hochschulen und staatlichen Forschungseinrichtungen mit kleineren und mittleren Unternehmen könnte helfen. Insgesamt brauchen wir wieder wachstumsfreundlichere Rahmenbedingungen in Deutschland.


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Aber es sind 50 Prozent der Autozulieferer, die so dastehen, dass sie sich nicht schnell transformieren können?
Wir reden hier von Worst-Case-Szenarien. Gesprächsrunden, wie die bei der Kanzlerin, sollen ja gerade Wege aufzeigen, um ein Eintreten dieses Szenarios zu verhindern.

Diese Arbeitsplätze wären dann für immer weg.
Sehr viele Arbeitsplätze in der Produktion werden betroffen sein. Die wird sich komplett verändern im Wandel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb.

Die Forderung der IG-Metall, diese Arbeiter so auszubilden, dass sie in einem zukunftsträchtigen arbeiten können, ist also eigentlich richtig.
Das muss man differenziert sehen. In vielen anderen Industrien haben wir einen Mangel an Arbeitskräften. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass jemand, der heute in einer Fabrik arbeitet und Metallteile stanzt, noch eine Ausbildung macht zum Kranken- oder zum Altenpfleger, wo wir einen Mangel haben.

Beim Metallstanzen ist deutlich weniger Empathie gefordert als in Pflegeberufen. Wäre das ein guter Fit?
In meiner Produktion gibt es viele Menschen, die sehr gut in der Lage wären – das sind tolle Leute. Die Menschen müssen offen sein, langfristig denken und sich überlegen, wo sie eine Chance haben.

Das Thema Löhne ist bei so einer Entscheidung nicht unwichtig: Altenpfleger verdienen nur ein Drittel von Autoarbeitern.
Das zeigt, dass die IG Metall an die anstehenden Tarifverhandlungen im Dezember bitte sehr verhalten herangehen muss. Wir müssen eher darüber sprechen, wie wir Arbeitskosten pro Stunde reduzieren, und nicht darüber, wie wir sie weiter aufbauen. Das Lohnniveau ist extrem hoch und verglichen mit anderen wichtigen Berufsfeldern sehr unfair. Da müssen wir im Metall- und Elektrobereich mal auf die Bremse treten.



Die IG Bau ist forsch vorgeprescht und hat sich mit einer guten Lohnerhöhung durchgesetzt. Weckt das nicht Begehrlichkeiten?
Wir sprechen in der Metall- und der Elektroindustrie über völlig andere Zahlen als am Bau. Der Bau kann kein Vorbild sein. Die Unternehmer stellen sich die Frage, ob sie überhaupt noch wettbewerbsfähig sind bei den Löhnen in Deutschland. Das wird eine Zerreißprobe.

Sie fordern eine Negativ-Lohnrunde?
Die Lohn-Tabelle kann im nächsten Jahr nicht erhöht werden. Und man muss sich über Zusatzleistungen unterhalten, wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Die müssen wir in Frage stellen und anpassen. Sonderzahlungen und sonstige Privilegien wie Pausenzeiten können wir zurückfahren.

Also ein Schluss mit Weihnachtsgeld ist besser als eine Verstaatlichung?
Das kann man so nicht vergleichen. Aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Arbeitskosten reduzieren – und das geht über Sonderleistungen und andere nicht finanzielle Dinge.

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