Empörung über Bettina Kudla „Für eine CDU-Politikerin absolut unerträglich“

Die CDU-Abgeordnete Kudla kritisiert die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und verwendet dabei den Nazi-Begriff „Umvolkung“. Ihre Fraktion ist empört, will aber keine Konsequenzen ziehen. Das provoziert neue Kritik.

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Auch nach Löschung von Tweets in der Kritik: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla. Quelle: dpa

Berlin Dass die Verwendung des nazistischen Propagandabegriffs „Umvolkung“  durch die sächsische Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla (CDU) in ihrer Fraktion keine nennenswerten Folgen haben soll, stößt in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland auf scharfe Kritik.

„Die Äußerung der Abgeordneten Kudla ist für eine christdemokratische Politikerin absolut unerträglich und irritierend – leider nicht ihre erste befremdliche Einlassung. Dieser Tweet jedoch zeugt von einem ungenügenden Maß an Geschichtsbewusstsein, wenn nicht gar von Dummheit“, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, dem Handelsblatt. „Die Tatsache, dass die Fraktion Frau Kudla deswegen nicht aus ihren Reihen verweist, ist nur hinzunehmen, wenn die Abgeordnete nicht wusste, in welche terminologische und ideologische Schublade sie da greift.“

Das Internationale Auschwitz Komitee warf der Union einen feigen Umgang mit der Affäre vor. Vizepräsident Christoph Heubner sagte in Berlin, die Fraktion habe die gerade gegenwärtig dringend notwendige öffentliche Abgrenzung gegenüber rechtspopulistischer Propaganda mit einer „hasenfüßigen Vorgehensweise“ konterkariert. Der Versuch, die Affäre hinter verschlossenen Türen zu regeln, mute mehr als kläglich an.

Zuvor hatte die Unionsfraktion nach einer Unterredung Kudlas mit der Führungsspitze mitgeteilt, sie werde nicht ausgeschlossen, nachdem sie erklärt habe, das Löschen kritisierter Tweets habe „entschuldigende Wirkung“. Darin hatte die CDU-Politikerin im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik unter anderem von einer „Umvolkung“ Deutschlands gesprochen. In dem Tweet heißt es wörtlich: „BK #Merkel streitet es ab, #Tauber träumt. Die #Umvolkung #Deutschlands hat längst begonnen. Handlungsbedarf besteht!“  Zuvor hatte sie in einem anderen Tweet den türkischen Journalisten Can Dündar beleidigt.

Im Nationalsozialismus war mit „Umvolkung“ die sogenannte Germanisierung deutschfreundlicher Bevölkerungsgruppen in eroberten Gebieten Osteuropas gemeint. Den Begriff benutzen heute Rechtsextremisten, um die Migrationspolitik zu kritisieren.


„Das Gegenteil von politischem Verantwortungsbewusstsein“

Knobloch führt den umstrittenen Tweet auf politische Überforderung zurück, sodass Kudla „verzweifelt die Parolen von Pegida, AfD und NPD einfach unreflektiert übernimmt“. Dann sei sie aber fehl am Platz. „Denn das ist das Gegenteil von politischem Verantwortungsbewusstsein und wehrhaftem Einstehen für die freiheitlich-demokratischen Werte. Beides erwarte ich von einer Abgeordneten“, sagte Knobloch.

Schon angesichts der „extremen digitalen und analogen Verrohung in der politischen Debatte“ seien solche Ausfälle aus den demokratischen Reihen inakzeptabel. „Ich gehe davon aus, dass dies der letzte Fauxpas von Frau Kudla war, den die Fraktion ihr nachsieht, und ich fordere, dass ihre Kolleginnen und Kollegen ihr unmissverständlich klar machen, wo die Grenzen des Erträglichen in unserer politischen Kultur verlaufen“, sagte Knobloch und fügte hinzu: „Wenn sie diese nicht verinnerlicht oder nicht mehr teilen kann, sollten sie und ihre Partei nachdenken, ob die CDU noch die richtige politische Heimat für sie ist.“

Laut Angaben eines Fraktionssprechers hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), in dem Gespräch mit Kudla noch einmal betont, dass ihr Tweet in Sprache und Inhalt völlig „inakzeptabel“ sei. An dem Gespräch habe auch der Vorsitzende der sächsischen Landesgruppe, Michael Kretschmer, teilgenommen.

Zuvor hatte bereits Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) Konsequenzen für Kudla vorerst ausgeschlossen. „Wir sollten jetzt aber nichts überstürzen. Momentan gibt es keinen Grund, Frau Kudla aus der Fraktion auszuschließen“, sagte Kauder zu „Spiegel Online“. Kudla habe den Tweet gelöscht. Das zeige, dass sie die Kritik annehme.

Allerdings kritisierte Kauder den Kommentar scharf und bezeichnete ihn bei einer Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag nach Angaben von Teilnehmern als „nicht akzeptabel“ und „unerträglich“. Er forderte generell, man solle den Kopf einschalten, bevor man sich in sozialen Medien zu Wort meldet. 

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