Energie "Energiewende wird scheitern"

Ohne Not gibt Deutschland eine wirtschaftliche und sichere Energieversorgung auf und steigt um auf ein teures wie instabiles Konzept. Für den Industriestandort birgt das fatale Risiken, findet Gastautor Werner Ressing.

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Statt gut und günstig jetzt teuer und instabil? Quelle: dpa

Die Energiewende ist möglich, theoretisch. Praktisch aber wird sie an zwei Kleinigkeiten scheitern: an den Strompreisen und an der Netzstabilität.

Niemand kann gegen erneuerbare Energien sein. Aber die Kernfragen lauten: Wie binden wir die Erneuerbaren ein? Wie sichern wir die Netzstabilität? Wie bleibt Strom bezahlbar, wenn wir bereits zwei Jahre nach dem Start der Energiewende über eine Strompreisbremse diskutieren?

Wo die Energiewende besser funktioniert
Im internationalen Vergleich gibt es kaum ein zweites Land, das sich derart ambitionierte Ziele zur Umstellung seines Energiesystems gesteckt hat wie Deutschland. Daher existiert auch kein Gesamtkonzept, das als Blaupause für die deutsche Energiewende dienen könnte. Dennoch kann Deutschland von anderen Ländern lernen. Eine Studie von McKinsey im Auftrag von Siemens stellt Beispiele aus verschiedenen Ländern vor und zeigt, was davon in welchem Umfang auch in Deutschland erfolgreich umgesetzt werden könnte. Die Fallbeispiele beziehen sich auf die wesentlichen Elemente der deutschen Energiewende entlang der Energiewertschöpfungskette: Stromerzeugung, Verteilung oder Balancierung von Angebot und Nachfrage sowie Steigerung der Energieeffizienz. Quelle: dpa
Dänemark, Niederlande, Brasilien - Versteigerung von WindparksDer Ausbau von Solar und Windkraft wird die Regierung bis 2020 rund 30 Milliarden Euro kosten. Eine Möglichkeit, den Kostenanstieg zu drosseln, wäre eine Anpassung der Förderung, zum Beispiel durch Auktionierung von Windparkprojekten – wie in Brasilien, Dänemark oder den Niederlanden praktiziert. So kann erreicht werden, dass Windparks an windreichen Standorten mit einer geringeren Vergütung auskommen. Würden in Deutschland die infrage kommenden Windparkprojekte in Zukunft versteigert, könnten allein im Jahr 2020 rund 0,7 Milliarden Euro an Förderkosten eingespart werden. Quelle: dpa
China – bessere Nutzung von AbwärmeAbwärme lässt sich bei Temperaturen ab circa 300 Grad Celsius zur Stromerzeugung nutzen. In Deutschland gibt es unter anderem in der Zement- und Glasindustrie weitere Potenziale, die andere Länder beziehungsweise Pilotanlagen in Deutschland bereits nutzen: So wurden in China in den  vergangenen zehn Jahren knapp 30 Zementwerke mit entsprechenden Anlagen ausgestattet oder werden aktuell umgerüstet. Durch Nachrüsten der in Deutschland infrage kommenden Werke könnten hier im Jahr 2020 etwa 2 TWh Strom erzeugt und so eine Megatonne CO2 eingespart werden. Die Investitionen würden sich bereits nach rund drei Jahren amortisieren, so die Autoren der Studie. Quelle: REUTERS
Shanghai – bessere TransformatorenJetzt wird es technisch, aber im Grunde simpel. Transformatoren sind  für die Stromversorgung unverzichtbar, da elektrische Energie nur mittels Hochspannungsleitungen über weite Entfernungen wirtschaftlich sinnvoll transportiert werden kann; der Betrieb von Elektrogeräten ist aber nur mit Nieder- und Kleinspannung praktikabel und sicher. Transformatoren haben einen magnetischen Kern, meist Eisen, man kann aber auch so genannte amorphe Metalle verwenden. Sie haben bessere magnetische Eigenschaften und senken Übertragungsverluste im Netz.  In Shanghai konnten die Leerlaufverluste der ausgetauschten Transformatoren um 80 % reduziert werden konnten. Allein die Ausstattung der in Deutschland bis 2020 neu zu installierenden Transformatoren mit amorphen Kernen könnte die Übertragungsverluste im Stromnetz im Jahr 2020 um 0,2 TWh reduzieren. Dies entspricht der Stromproduktion von circa 65.000 Aufdach-Solaranlagen. Durch die Einsparungen  würden sich die erforderlichen Investitionen nach circa elf Jahren amortisieren. Quelle: dpa
Schweden – mehr WärmepumpenEine Wärmepumpe entzieht zum Beispiel dem Boden oder der Luft unter Aufwendung mechanischer oder elektrischer Energie thermische Energie und stellt diese zur Raumheizung zur Verfügung. Momentan sind in Schweden bei 9,5 Mio. Einwohnern 1 Mio. Wärmepumpen installiert, gegenüber circa  0,5 Mio. Wärmepumpen in Deutschland bei rund 81 Millionen Einwohnern. Der Ausbau zusätzlicher 0,7 Millionen Wärmepumpen in Deutschland bis 2020 würde zu einer Senkung des Primärenergiebedarfs um 18 PJ und zu einer Senkung der CO2-Emissionen um 0,6 Mt für das Jahr 2020 führen.Foto: "Tourismusverband Westschweden Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
USA – Stromnachfrage besser steuernDie Stromerzeugung aus Wind und Sonne schwankt wetterabhängig sehr stark. Das belastet das Netz. Die Schwankungen lassen sich durch eine flexiblere Stromnachfrage ausgleichen. Im Nordosten der USA hat man dazu einen Markt für temporäre Nachfragereduzierung geschaffen. Zu Spitzenzeiten reduzieren Stromkunden ihren Verbrauch freiwillig und erhalten hierfür eine Vergütung. Bei diesem Fallbeispiel wurde die Spitzenlast in einem Markt, der größer als der deutsche ist, um circa 8 % reduziert. Würde Deutschland in ähnlicher Weise allein seine industrielle Nachfrage flexibilisieren, könnten 2020 etwa 0,5 Milliarden Euro eingespart werden. Das entspricht den jährlichen Betriebskosten von zwei großen Kohlekraftwerken. Quelle: AP
Los Angeles – LED-StraßenbeleuchtungInternational hat eine Reihe von Städten den Austausch der klassisch verwendeten Natrium-Hochdrucklampen durch LED s vorangetrieben. In den USA installierte zum Beispiel Los Angeles von 2009 bis 2013 in 146.000 Ampeln und Straßenleuchten mit LED. Mit Investitionen von rund 45 Millionen Euro konnte eine Reduzierung des Stromverbrauchs von rund 60 % erreicht werden. Quelle: Presse

Weil sich Strom nicht ohne Weiteres speichern lässt, wurde er - physikalisch richtig - immer analog zur Nachfrage produziert. Wirft die Hausfrau die Waschmaschine und der Schreiner die Hobelmaschine an, wird auch der Strom dafür erzeugt. Der schwankenden Nachfrage entsprechen die elektrizitätswirtschaftlichen Betriebsweisen der Grund-, Mittel- und Spitzenlast. Mit der Energiewende geht Deutschland zu einer angebotsorientierten Stromversorgung über. Strom wird erzeugt, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Die Waschmaschine wird um 3 Uhr nachts gestartet – das nennen wir dann Smart Grid.

Werner Ressing, 65, war 15 Jahre lang in der Industrieabteilung und zuvor 23 Jahre in der Energieabteilung des BMWi tätig. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Privat

Bisher hat die Politik die Frage nicht beantwortet, warum wir ohne Not eine noch halbwegs wirtschaftliche, aber gesicherte Stromversorgung verlassen und auf eine unwirtschaftliche und vor allem unsichere Stromversorgung umsteigen. Man schaue mal in die Energieprogramme der Achtziger- und Neunzigerjahre hinsichtlich der Aussagen zur Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit der Stromversorgung! Eine Energiewende nach heutigem Muster wäre schlicht wegen fehlender Wirtschaftlichkeit bereits im Ansatz verworfen worden. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist auch heute bei jeder betriebswirtschaftlichen Rechnung gültig – nur nicht bei der Energiewende. Christoph Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), benennt ebenfalls das Manko der fehlenden Rentabilität und nennt mögliche Nachahmer als einzigen vertretbaren Grund zugunsten der Energiewende. Doch diese gibt es nicht! Wer aus der Kernenergie aussteigt, sollte so ehrlich sein und auf den preiswertesten heimischen Energieträger, die Braunkohle, setzen, um die Grundlastlücke zu schließen. Erinnern wir uns: Die Laufzeitverlängerung, die kein Jahr hielt, war genau diesem Argument geschuldet! Doch auf zusätzliche Braunkohle verzichten wir, um CO2 einzusparen – global betrachtet in homöopathischen Dosen. Die Beispiele Moorburg und Datteln zeigen, dass man in Deutschland ohnehin kein neues Kohlekraftwerk mehr gegen die Proteste der NGOs durchsetzen kann. Die Nimby-Haltung (Not in my backyard) behindert auch den notwendigen Netz- und Speicherausbau.

Nur begrenzt grundlastfähig

Lenkdrachen soll Energie gewinnen
Sie sehen aus wie übliche Lenkdrachen, doch sollen sie zukünftig der Gewinnung von Windenergie dienen. Die Technische Universität Delft in den Niederlanden, deren Drache hier zu sehen ist, forscht seit Jahren im Kite Power Projekt an dieser Technologie und hat schon mehrere Prototypen getestet. 2015 könnten laut der Brandenburger Firma Enerkite die fliegenden Kraftwerke auch in Deutschland für Energie sorgen. Die Drachen fliegen dafür in 300 bis 600 Metern Höhe und zapfen dort die konstanten Windströme für die Stromgewinnung ab. Über ein Seil ist der Drache mit einer mobilen Bodenstation gekoppelt. Die Flugsteuerung sowie der Generator laufen per Autopilot. Im Gegensatz zu großen Windanlagen sind die „Energiedrachen“ flexibel einsetzbar, leise und auch noch günstiger. Quelle: Twitter
Die USA setzt ebenfalls auf Fluggeräte zur Energiegewinnung, doch diese ähneln eher einem Flugzeug. Windturbinen aus Glasfasern und Karbon machen dabei die Stromgewinnung in der Luft möglich. Die Forschung des kalifornischen Unternehmens Makani Power an der Airborne Wind Turbine wird unter anderem von Google bezuschusst. Die Turbine, die bis zu 600 Meter hoch fliegt, wird von einem Hauptseil gehalten, während die Luftenergie über ein anderes Seil zum Boden gelangt. Dabei fliegt die Windturbine kreisförmig und quer zum Wind, wodurch sie sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht. Der Prototyp kann sogar teilweise selbstständig den Flugmodus wechseln. Das Unternehmen plant die Windturbinen auch auf der See einzusetzen. Quelle: Twitter
Zumindest auf den Plänen der Konstrukteure bringen diese Windgeneratoren mehr Leistung als konventionelle Windmühlen. Der vertikale "Aerogenerator" wird auf hoher See installiert. Die Stromausbeute liegt bei 10 Megawatt, rund drei Megawatt mehr als die bisher größte Windanlage produziert. Die Spannweite kann nach Angaben des britischen Herstellers Windpower bis zu 230 Meter betragen. Dagegen sehen die bisher üblichen Windmühlen eher schlapp aus - die neuesten Anlagen der konventionellen Bauart sollen nämlich einen Rotorendurchmesser von "nur" 180 Meter haben. Texte: Miguel Zamorano Recherche: Andreas Menn Quelle: PR
Schaut wie eine Steinschleuder aus, ist aber ein Lenkdrache. Die Idee: der Kite-Segel der italienischen Firma Kite Gen ist an einem bewegbaren Arm an zwei Seilen befestig und wird dann auf eine Höhe von 800 bis 1000 Metern gebracht. Dort dreht der Winddrachen konstante Achten und treibt so die Turbine an. Der Vorteil: in mehr als 1000 Meter Höhe bläst der Wind konstanter als in Bodennähe. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h läge die Energieausbeute laut Hersteller bei drei Megawatt. 300 Drachen brächten so die Leistung eines Atomkraftwerks - und da der Wind in der Höhe nahezu durchgehend bläst, gäbe es keine großen Ausfallzeiten. Der Haken: Flugzeuge müssten das Gebiet umfliegen. Das scheint bei der hohen Verkehrsdichte am europäischen Himmel und der Größe der Lenkdrachen-Parks nicht praktikabel. Das Modell ist derzeit noch in der Erprobungsphase. Quelle: PR
Bläst der Wind, dreht sich der Ballon um die eigene Sache und treibt den Rotor an Quelle: PR
Die Windhelix eignet sich für große Eigenheime Quelle: PR
Diese Modell soll sich unauffällig in die Landschaft fügen- Quelle: PR

Gleichwohl ist die Elektrizitätsversorgung des Industriestaates Deutschland heute noch relativ sicher. An 8.760 Stunden im Jahr kommt ausreichend Strom aus der Steckdose. Dies wird insbesondere durch ausreichende Grundlastkapazität gewährleistet, die je nach Nachfrage zwischen 50 und 60 Prozent der Gesamtlast beträgt. Diese gesicherte Leistung wird insbesondere durch Kernkraft-, Braunkohle- und Laufwasserkraftwerke erzeugt. Aufgrund dieser Grundlastkapazität sowie der vorhandenen Mittel- und Spitzenlastkraftwerke ist die bisher benötigte Speicherkapazität für Strom sehr gering, sie beträgt etwa 60 bis 70 Millionen Kilowattstunden (kWh) pro Tag. Deutschland hat aber einen Stromverbrauch von 1,6 bis 2 Milliarden kWh pro Tag. Mit der vorhandenen Speicherkapazität könnte Deutschland also nicht einmal eine Stunde mit Strom versorgt werden!

Chronik der Energiewende

Steigt der Anteil an erneuerbarem Strom, sinkt die notwendige Leistung und Auslastung konventioneller Kraftwerke, also auch der Grundlastkraftwerke. Als Folge werden bereits heute konventionelle Kraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt; notwendige Neubaupläne werden zurückgestellt oder storniert. Strom aus erneuerbaren Energien ist aber nur begrenzt grundlastfähig, dies gilt zum Beispiel für Biomasse und Geothermie. Fotovoltaik ist natürlicherweise nicht grundlastfähig, und Windstrom wird mit zehn Prozent Grundlastfähigkeit gerechnet. Steigt der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung auf bis zu 80 Prozent, stellt sich unabhängig von der Wirtschaftlichkeit die Frage der Netzstabilität. Um ausreichend konventionelle Kraftwerkskapazität in Reserve zu halten, sollen nun Kapazitätsmärkte geschaffen werden und/oder es wird entsprechende Speicherkapazität aufgebaut. Diese müsste aber das 100-Fache der bisherigen betragen; diese Dimension ist offensichtlich der breiten Öffentlichkeit nicht klar. Neue Vorhaben, die kapazitätsmäßig nur den „Tropfen auf den heißen Stein“ darstellen würden, scheitern bereits am Widerstand der Bevölkerung. Jüngstes Beispiel dafür ist die Aufgabe der Pumpspeicherprojekte im Schwarzwald und in der Eifel. Andere Alternativen, wie Wasserstoffspeicherung und Batterietechnologie, haben bisher nicht den Stand, um die Dimension der notwendigen Speicherkapazitäten von bis zu zehn Milliarden kWh (fünf Tage Windflaute) bereitzustellen.

Die Energiewende wird immer teurer

Die gesamte Kraftwerksleistung betrug 2010 gut 170.000 Megawatt (MW). Davon stammten etwa 100.400 MW aus konventionellen Kraftwerken, gesichert waren rund 90.000 MW, die Kernkraft steuerte rund 21.500 MW bei. Geht man für die nächsten Jahre von einer Höchstlast von 77 000 MW aus, wird wegen Ausfällen und Revision von einer benötigten gesicherten Leistung von mindestens 85.000 MW (Durchschnittswert von Dena, Prognos und BDEW) ausgegangen. Die Daten zeigen, dass die Leistung bereits das Zweifache beträgt, die gesicherte Leistung gerade mal gut über dem Faktor 1 liegt.

Temporärer Strom im Überfluss

Was Verbraucher zahlen
Stromverbraucher finden bei der Zusammensetzung des Strompreises einen Posten namens EEG-Umlage. Sie ist seit dem Jahr 2000 im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verankert, um Ökoenergien zu fördern. Quelle: dpa
Derzeit sind 3,59 Cent je Kilowattstunde zu zahlen. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr sind das für eine Familie Ökoförderkosten von 125 Euro pro Jahr. Gezahlt wird die Differenz zwischen dem Marktpreis, etwa für eine Kilowattstunde Solarstrom, und dem festen Fördersatz. Ein Beispiel: Quelle: dpa
Derzeit bekommt ein Hausbesitzer mit einer Solaranlage auf dem Dach 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Wird der Strom an der Strombörse für 7 Cent verkauft, müssen die Verbraucher 12,5 Cent über die EEG-Umlage bezahlen. Quelle: dpa
Die Verwalter des Umlage-Kontos, die Übertragungsnetzbetreiber, berechnen angesichts der Anlagenzahl und Erfahrungswerten beim Wetter die möglichen Förderzahlungen und geben immer zum 15. Oktober eine Umlage für das kommende Jahr an. Verrechnen sie sich, wird das mit der nächsten Umlage korrigiert. Für 2013 werden Steigerungen bei der Umlage vorausgesagt. Quelle: dpa
Diese wären aber nicht primär dem rasant steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix (derzeit 20 Prozent) anzulasten. Industrieunternehmen wurden teilweise von Ökoförderkosten befreit, um sie in Deutschland zu halten. Gleiches gilt für Netznutzungskosten. Lasten werden also auf weniger Schultern verteilt. Quelle: dpa
Hinzu kommt eine teure Marktprämie für Besitzer von Wind- und Solarparks, die Strom selbst vermarkten. Und die mögliche Steigerung liegt in der Umlageberechnung begründet. Da immer mehr Solarstrom mittags den Börsenstrompreis senkt, wächst die Differenz zum Fördersatz und damit die Kosten für die Bürger. Der Solarstrom wird so also Opfer des eigenen Erfolges. Quelle: dpa

Der weitere Verlauf der Energiewende sei im Zeitraffer einfach erklärt: So wie der Anteil an erneuerbarer Stromerzeugung weiter rapide steigt, sinkt der Anteil an konventioneller Stromerzeugung und damit an gesicherter Leistung. Mit Abschaltung aller KKW (bis 2022) und der Stilllegung konventioneller Kraftwerkskapazität sinkt die gesicherte Leistung trotz moderatem Zubau auf rund 73.000 MW. Die Kapazität Erneuerbarer übersteigt mit 80.000 MW bis 100.000 MW (Prognos: 2020 - 120 000 MW) alleine die notwendige Kapazität um bis zu 50 Prozent, wird aber nicht annähernd zur Versorgungssicherheit und zur Netzstabilität beitragen. Im Gegenteil! Windenergie an Land zum Beispiel hat eine Volllastzeit von rund 1.400 bis 2.200 Stunden (Offshore: 3.300 bis 4.000 Stunden). Zur Erinnerung: Das Jahr hat 8.760 Stunden! Spätestens hier wird klar, welche Dimension die Energiewende erfordert. Es ist deshalb höchst irreführend, zu behaupten, ein Windpark versorge mehrere 1000 Haushalte mit Strom. Wären diese Haushalte ausschließlich mit dem Windpark verbunden, würden sie die Hälfte der Zeit oder mehr im Dunkeln sitzen. Mit jedem Wind- und Solarkraftwerk wird der Strom volatiler und die Netzstabilität sinkt. Von 2011 auf 2012 haben die Netzschwankungen (Unter-/Übereinspeisungen) deutlich zugenommen.

Lücke wächst: Verfügbare gesicherte Kraftwerkleistung (zum Vergrößern bitte anklicken)

Der kleine Unterschied zwischen Kilowatt (kW) und Kilowattstunde (kWh) wird das große Problem der Energiewende. Wir produzieren schon heute und künftig noch mehr temporären Strom im Überfluss, wenn er nicht gebraucht wird und können keinen produzieren, wenn er gebraucht wird (kein Wind, keine Sonne). Entscheidend ist deshalb die Unterdeckung an gesicherter Leistung von rund 12.000 MW beginnend 2015 und spätestens ab 2022, die zwangsläufig zu Netzengpässen und Blackouts führen wird. Denn gibt es eine Störung im Bereich des Netzbetreibers, muss es nach dem n-1-Kriterium einen alternativen Umweg geben, um die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Dabei wird aber immer von einem lokalen Netzengpass (z. B. Trafo) ausgegangen. Bereits im vergangenen Jahr gab es in einer Netzwarte an mehr als 200 Tagen Engpässe, und an mehreren Blackouts sind wir selbst bei gesicherter Leistung gerade mit Not vorbeigeschrammt. Der eigentliche Grund für den Stromausfall in München vom 15. November 2012 wurde verschwiegen und zwischen den Stadtwerken München und E.On hin und her geschoben: Tatsächlich war es eine Stromspitze im Netz; ein Fingerzeig der Energiewende!

Zwischenfazit: Die Netzstabilität wird mit zunehmendem Ausbau erneuerbarer Energien zwangsläufig instabiler und kann wegen massiver Unterdeckung gesicherter Leistung nicht mehr gewährleistet werden. Dies wird für den Industriestaat Deutschland fatale Auswirkungen haben. Der erste flächendeckende Blackout insgesamt oder einer der vier Regelzonen wird vermutlich nicht wegen zu wenig, sondern wegen zu viel Strom erfolgen, fatalerweise!

Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoff und Co.: Die wichtigsten Speichertechniken für Strom.

War da mal was mit Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Stromversorgung? Würde das EEG so weitergeführt, steigt die EEG-Umlage auf 15 Cent. Der Strombereich würde die Erneuerbaren mit etwa 45 Milliarden Euro pro Jahr subventionieren. Wo bleibt da die Kugel Eis, mit der Grünen-Chef Jürgen Trittin die Kosten für einen Verbraucher verglichen hat? Und bei den Beschlüssen zur beschleunigten Energiewende hieß es vor zwei Jahren, die EEG-Umlage bleibt bei 3,5 Cent/kWh...

Der deutsche Michel zahlt?

So setzt sich der Strompreis zusammen
Traditionelle Erzeuger Quelle: dapd
Neue Energien Quelle: REUTERS
Strombörse Quelle: dpa
Verschiedener Strom Quelle: dpa
Die Endverbraucher Quelle: dpa
EEG-Umlage Quelle: dpa

Bundesumweltminister Peter Altmaier beziffert die Kosten der Energiewende mit einer Billion Euro. Der Versorger RWE rechnet intern mit drei Billionen Euro. Niemand protestiert, obwohl klar ist, wer das alles zahlt: der Deutsche Michel und die Industrie, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert. Wozu das alles? Das Weltklima retten wir nicht, denn die CO2-Minderung, die wir dann bis 2050 erreichen, wird bereits in einem Jahr globalen Wachstums wieder aufgezehrt. Am Ende wird klar: Deutschland hat nicht zum ersten Mal seine Kräfte überschätzt!

Deutschland bricht aus: Strompreise für private Haushalte (zum Vergrößern bitte anklicken)

Das EEG ist die gigantischste Subventionsmaschine der Nachkriegszeit. 80 Millionen Deutsche subventionieren seit 20 Jahren und für die nächsten 20 Jahre rund ein Prozent der Bevölkerung. Noch in diesem Monat wird die nächste Erhöhung der EEG-Umlage bekannt gegeben, und man kann mit dem Dreisatz ausrechnen, wo wir in den nächsten Jahren landen – im zweistelligen Bereich, wenn nichts passiert. 40 000 Euro bringt die Pacht pro Jahr für einen Windturm – und auf der anderen Seite gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen notfalls bis zur Insolvenz. Wir erzeugen negative Strompreise und bezahlen für Strom, der nicht erzeugt wird. Wollen wir dieses System so lange betreiben, bis es von selbst explodiert, oder ziehen wir die Notbremse? Das EEG braucht eine Rosskur: Die Erneuerbaren müssen sich voll dem Wettbewerb stellen, der bisherige Bestandsschutz muss auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand.

Die EU-Kommission sollte bei ihrer Prüfung das EEG als wettbewerbsverzerrendes Element für Deutschland insgesamt infrage stellen und nicht die besondere Ausgleichsregelung, denn damit würden Ursache und Wirkung verkehrt – das wäre im wahrsten Sinne des Wortes nur noch schizophren!

Auch mit einer Rosskur des EEG werden die Strompreise weiter drastisch steigen, wenn wir an der Energiewende unverändert festhalten. Der Druck kommt dann von zwei Seiten: von den sozial Schwachen unter den Privatabnehmern und von der energieintensiven Grundstoffindustrie.

Es gibt nur eine Lösung: Rückkehr zur energie- und wirtschaftspolitischen Vernunft: Rentabilität und Sicherstellung der Energieversorgung bei geordnetem Ausbau konventioneller und erneuerbarer Energien unter den Bedingungen des Wettbewerbs!

Werner Ressing (65) war bis Juli 2013 Leiter der Industrieabteilung im Bundesministerium für Wirtschaft

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