




Im „Spiegel“ schloss sich der bayerische Ministerpräsident einer entsprechenden Forderung von SPD und Grünen an und ging damit auf Konfrontationskurs zu Kanzlerin Angela Merkel: „Ich sehe ohne eine Absenkung der Stromsteuer keine Möglichkeit, dem befürchteten Ansteigen der Strompreise entgegenzuwirken“, sagte er. Merkel hatte dagegen in der vergangenen Woche beim Energiegipfel mit den 16 Ministerpräsidenten eine Senkung der Stromsteuer abgelehnt. Dafür gebe es im Bundeshaushalt 2014 keinen Spielraum. Vor allem die von SPD und Grünen regierten Länder hatten gefordert, die Stromsteuer um 25 Prozent zu senken. Bei dem Energiegipfel hatte es keine Einigung über eine Strompreisbremse gegeben.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Seehofer ging davon aus, dass es ohne einen solchen Schritt kaum nennenswerte Entlastungsmöglichkeiten für die Stromkunden gebe. Einschnitte bei den Erleichterungen von der Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien für energieintensive Unternehmen lehnte er ab. Es gebe in Bayern 113 Firmen, die von den Ausnahmeregelungen bei der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) profitieren. „Kein einziges dieser Unternehmen kann auf die Vergünstigung verzichten.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, begrüßte die neue Position des CSU-Vorsitzenden. „Ich frage mich nur, warum Seehofer diese Position bisher nicht offensiv eingebracht und in der Bundesregierung durchgesetzt hat. Dann hätte der Energiegipfel vielleicht auch zu Ergebnissen geführt, statt alle Probleme erneut zu vertagen.“
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, forderte die Bundesregierung erneut auf, das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG) zu reformieren. „Wenn man sich das EEG momentan anschaut, dann muss man sagen: Hier wurde auf der Erzeugerseite ein planwirtschaftliches System geschaffen, das Verbraucher und Unternehmen dramatisch belastet“, sagte er der „Berliner Morgenpost“ (Sonntag).