Energie und Klima Das Geschäft mit der fossilen Verbrennung

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Näher an Trump als an Paris

Kein Wunder, dass die grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock sowohl Woidke als auch Tillich fest im Kohlelager verankert sieht: „Beide stehen der Trump-Linie näher als dem Pariser Klimaschutzabkommen.“

Während sich die Ministerpräsidenten ganz ungeniert als Kämpfer für die Kohle aus ihrer Region präsentieren, geht es Bundeskanzlerin Merkel um eine ganz andere Art der Inszenierung: die als Klimakanzlerin. So möchte die einstige Umweltministerin in die Geschichtsbücher eingehen.

Doch mit der deutschen Wirklichkeit hat dies wenig zu tun. Schon heute ist klar, dass Merkels Regierung ihre Klimaschutzziele für 2020 reißen wird – wenn nicht gleich nach der Wahl drastische Einsparungen beschlossen werden. Laut Bundesumweltministerium lässt sich binnen drei Jahren der Ausstoß von Kohlendioxid nicht wie versprochen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bereits 2014 musste die Regierung ein Aktionsprogramm zur CO2-Reduzierung auflegen, weil die Ziele drohten, um bis zu acht Prozent verfehlt zu werden. Das half, aber nicht genug: Noch immer droht eine Verfehlung um bis zu fünf Prozent.

Schuld daran ist nach offiziellen Angaben nicht nur die Kohle, sondern auch die Tatsache, dass die Deutschen große Autos fahren und klimaschädlich heizen. Beim Verkehr und bei der Wärme seien kaum Einsparungen klimaschädlicher Gase erkennbar, klagen Experten des Umweltministeriums.

Auch wächst die deutsche Wirtschaft stärker als erwartet, was die Umwelt weiter belastet. Den Umstand nutzen Kohlebefürworter wie Ministerpräsident Tillich wieder für Werbung in eigener Sache: „Andere Bereiche der Volkswirtschaft wie Verkehr, Landwirtschaft und die privaten Haushalte und neben dem Strom insbesondere der Wärmemarkt müssen stärker zur CO2-Reduktion beitragen.“ Die Kohleindustrie im Osten sei doch schon viel sauberer.

Die große Koalition der deutschen Kohle-Fans: Alle kritisieren Donald Trump, dabei wollen auch deutsche Politiker die Kohle behalten. Quelle: dpa

Nur die Grünen maulen

Viele Politiker wollen den Abschied von der Kohle auch nicht vollziehen, weil sie Schadensersatzforderungen der Konzerne fürchten, so wie die der Atomkonzerne, die aktuell sechs Milliarden Euro aus der Brennelementesteuer erwarten. Doch Stefan Klinski, Jurist an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sagt: „Für den Ausstieg aus der Kohleverstromung stehen dem Gesetzgeber relativ große rechtliche Spielräume zur Verfügung – ohne dass dadurch Entschädigungsansprüche der Kraftwerksbetreiber ausgelöst würden.“

Aber ernsthaften Zoff mit der Kohlelobby wollen eigentlich nur die Grünen. Sie haben in ihrem Wahlprogramm verkündet, 20 besonders schmutzige Kohlekraftwerke sofort abschalten zu wollen. Sollten sie an der neuen Bundesregierung beteiligt sein, dürfte sich der Abschied aus der deutschen Kohle deutlich beschleunigen. Die Grünen fordern schließlich eine flächendeckende „Dekarbonisierung“, damit Deutschland seine Klimaziele doch noch irgendwie erreicht – eine Forderung übrigens auch von führenden Finanzinvestoren, die in schmutzigen Technologien keine Zukunft sehen.

Bleibt die Ökopartei aber außen vor, droht dem „fossilen Imperium“ hierzulande jedoch wohl kaum Gefahr. Zwar hat Kanzlerin Merkel gerade zum Klimaschutz geschworen: „Nichts kann und wird uns dabei aufhalten.“ Doch die Erklärung war eindeutig auf Donald Trump gemünzt. An die vielen kleinen Trumps in Deutschland dachte Merkel offenbar weniger.

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