Energie und Klima Das Geschäft mit der fossilen Verbrennung

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Nie wieder Fukushima

Welchen Stellenwert die Kohle in Deutschland hat, zeigt schon der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Darin heißt es, dass konventionelle Kraftwerke „auf absehbare Zeit unverzichtbar“ seien. Gabriel machte in seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister den Energiekonzernen sogar ein sehr teures Geschenk.

Anstatt die dreckigsten Braunkohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, einigte sich der Sozialdemokrat mit den Betreibern, diese sieben Jahre als Notfallreserve zu behalten. Rund 1,6 Milliarden Euro landen dafür in den Taschen der Energieriesen – finanziert vom Steuerzahler.

Ein perfekter Lobbyerfolg. Der wurde möglich, weil kaum eine deutsche Branche so regen Kontakt zu Spitzenvertretern der Regierung und der Parteien pflegt wie die Energiebosse. Eine Anfrage der Linken im Bundestag zeigte, dass zwischen 2014 und 2017 E.On-Chef Johannes Teyssen und der frühere RWE- und heutige Innogy-Chef Peter Terium im Kanzleramt und dem Wirtschaftsministerium ein und aus gingen.

Wie der Niedergang der Kohle zur Zeitenwende in Ohio führt
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa
Kohlegeschäft in Ohio Quelle: dpa

Ihr Besucherfleiß ist nachvollziehbar: Das Geschäft der Strombetreiber ist nach wie vor überwiegend staatlich reguliert. RWE und Co. sind also davon abhängig, was in Berlin in Sachen Energiepolitik entschieden wird.

Vor allem aber sind sie entschlossen, nie wieder zum Spielball der Politik zu werden – so es aus ihrer Sicht der Fall war, als Kanzlerin Merkel nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 kurzerhand den Ausstieg aus der Kernenergie um einige Jahre vorzog. Den Stromversorgern zerstörte die Christdemokratin damit ihr wichtigstes Geschäftsmodell: Atomkraft.

Was bei der Kernenergie passierte, soll sich mit der Kohle nicht wiederholen. „Nie mehr Fukushima“ lautet das Mantra der Energiebranche. Dafür marschieren deren Bosse sogar Seite an Seite mit Gewerkschaftsführern. Etwa mit Michael Vassilliadis, Chef der drittgrößten Gewerkschaft in Deutschland, der IG Bergbau, Chemie und Energie (BCE), der einen Fonds zur Rettung der heimischen Braunkohle fordert und auf Rückendeckung der Konzernbosse setzen kann. Geschützt von neuen staatlichen Klimaauflagen, soll die Kohle die Stromversorgung nach dem Atomausstieg sichern, so der gemeinsame Plan.

von Angela Hennersdorf, Niklas Hoyer, Andreas Macho, Dieter Schnaas

Die enge Allianz von Kohlebossen und Gewerkschaftern hat selbst Ministerpräsidenten höchst effektiv auf Linie gebracht. Im Kohleland Nordrhein-Westfallen – Heimat von mehr als 20 Kohlekraftwerken – gilt dies ohnehin. Aber auch die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), hören zuverlässig auf die Argumente dieses breiten Bündnisses.

Kohle soll möglichst lange genutzt werden, erklärt Woidke auf Anfrage. „Als Industrieland brauchen wir eine verlässliche und stabile Energieversorgung.“ Der SPD-Politiker will „voreilige und einseitige Eingriffe in die weitere Braunkohlenutzung“ verhindern.

Schwarzes Gold: Die RWE-Vorstände Schmitz (links) und Miesen kämpfen mit IG-BCE Chef Vassiliadis (rechts) für die heimische Kohle. Quelle: REUTERS

Und so rechnet Woidke selbstbewusst vor, das Kraftwerk Jänschwalde in der Lausitz etwa werde noch bis zum Jahr 2033 Braunkohle verbrennen. Woidke beruft sich auf die „Versorgungssicherheit der gesamten Volkswirtschaft“.

„Es sollte nichts vorzeitig abgeschaltet werden, dessen Ersatz durch andere Energieträger derzeit nicht gesichert ist“, dekretiert der Landesfürst von Brandenburg.

Auch sein sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich (CDU) hält eher wenig von alternativen Energien. Ostdeutschland habe ja besonders viele Windmühlen und andere Anlagen für erneuerbare Energie installiert, sagt er. Doch das bringe auch Nachteile: So fielen Netzentgelte dort besonders hoch aus. „Das führt zu einem deutlichen Standortnachteil in Ostdeutschland, da Unternehmen durch die hohen Kosten überproportional benachteiligt sind“, so Tillich.

Braunkohle hingegen biete Vorteile, denn sie liefere billigen Strom. Nicht nur an Sachsen denkt Tillich dabei, sondern natürlich an ganz Deutschland. „Durch einen früheren Verzicht auf die Braunkohleverstromung würde die Abhängigkeit von Gasimporten bei einem steigenden Strom- oder Energiebedarf immer größer“, erklärt der Ministerpräsident staatstragend.

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