WirtschaftsWoche: Warum sollten deutsche Unternehmen in Katar investieren?
Ali Alwaleed Al Thani: Katar kann eine Plattform für deutsche Unternehmen sein. Katar verfügt über ein Talentpool mit einer Vielzahl von qualifizierten Fachkräften, da schon frühzeitig in Bildung investiert wurde. Katar hat viel in seine Infrastruktur investiert, sowohl in die analoge als auch in die digitale. Microsoft und Google haben ihre Cloud- und Datencenter nach Katar gebracht. Das wertet das gesamte technologische Ökosystem auf. Katar kann darüber hinaus eine Basisstation in die ganze Region sein.
Welche Rolle spielen deutsche Unternehmen für Sie?
Es gibt schon mehr als 100 deutsche Unternehmen in Katar – sie sind etwa im Baugewerbe, in der Logistik und im Finanzsektor tätig. Es geht vor allem um neue Technologien. Konzerne wie SAP und Siemens und Volkswagen sind schon hier – das zeigt, wie attraktiv unser wirtschaftliches System ist.
An welche Branchen denken Sie darüber hinaus?
An Logistikunternehmen und an Firmen, die nur mit sauberen Energien betrieben werden. Katar liegt zwischen Ost und West, zwei Milliarden Menschen, 25 Volkswirtschaften befinden sich in einem Radius von 3000 Kilometern. Katars Hafen hat eine der größten Kapazitäten in der Region, und Qatar Airways ist die größte Fluglinie. Saubere Energie, die aus Gas gewonnen wird, ist günstig in Katar. In Europa ist Energie aufgrund der jüngsten politischen Ereignisse teuer. Wir glauben, dass deutsche Unternehmen sich breiter aufstellen können, wenn sie ihre Produktion nach Katar verlagern.
Ein Hub für die Region, eine große Fluglinie, die in alle Winkel der Erde fliegt – das alles hat Dubai auch, ist seit vielen Jahren erfolgreich damit. Wollen Sie ein zweites Dubai errichten?
Nein. Manche Sektoren, auf die wir uns konzentrieren, scheinen ähnlich zu sein – manche aber auch nicht. Wir wollen Unternehmen anziehen durch Qualität und nicht durch Quantität. Wir wollen Investments anziehen, die die richtigen Jobs für unsere zukünftigen Einwohner schaffen. Da geht es mehr um hochqualifizierte Jobs. Wir haben einen sehr starken Finanzsektor, und sind im Bereich Logistik und Energie führend. Damit sind wir sind auf einem ganz anderen Weg als Dubai.
Welche Ziele haben Sie?
Im vergangenen Jahr haben sich 1100 neue Firmen in Katar niedergelassen, so viele wie noch nie zuvor. Mehr als vier Milliarden Katar-Rial (1,1 Milliarden Euro) wurden investiert. Die USA sind unser größter Investor, und danach kommen schon europäische Länder. 4200 neue Jobs sind so in Katar 2021 entstanden. In diesem Jahr wollen wir den Rekord aus dem vergangenen Jahr übertreffen.
Zur Person
Scheich Ali Alwaleed Al Thani ist der Mann, der Unternehmen aus aller Welt nach Katar bringen soll. Er ist gerade mal 32 Jahre alt, war aber schon Diplomat bei der Welthandelsorganisation, Berater von Katars Premierminister. Er gehört zur großen Familie des Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Mittlerweile leitet Scheich Ali Invest Qatar, die Behörde, die für ausländische Investitionen in Katar wirbt.
Was macht Sie so sicher, dass weitere Firmen nach Katar kommen?
Zum einen die Fußball-Weltmeisterschaft Ende des Jahres – aber auch das Ziel von Katar, seine Wirtschaft zu diversifizieren und ein attraktives Wirtschaftsklima für Investoren zu schaffen.
Welche Rolle wird die Fußball-WM spielen?
Neben Direktinvestitionen im Wert von sechs Milliarden Dollar, werden mehr als 1,5 Millionen Menschen Katar besuchen. Die indirekten Investitionen werden jedoch viel nachhaltiger sein: Katar ist bereits jetzt Heimat von Menschen aus mehr als 85 Nationen, hat eine diverse und lebendige Kulturszene, und ist Heimat einer jungen Generation. Die Fußball-WM wird all das zeigen – und weitere Menschen für ein Leben und Arbeiten in Katar begeistern.
Wo steht Katar denn bei seinem Diversifizierungs-Bemühen?
50 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes sind weder vom Öl noch vom Gas abhängig, obwohl Katar gerade seine Erdgasförderung ausbaut und obwohl gerade eine hohe Nachfrage nach Gas besteht. Wir wollen den Anteil der energie-unabhängigen Einnahmen erhöhen – durch Geschäfte im Gesundheitsbereich, in der Landwirtschaftstechnik sowie in weiteren Sektoren. Das sind nachhaltige Bereiche.
Stört es Sie eigentlich, dass Katar in westlichen Ländern vor allem mit einer prekären Menschenrechtslage und schlechten Bedingungen für Gastarbeiter in Verbindung gebracht wird?
Ich denke nicht, dass das so zutrifft, aber wir nehmen konstruktive Kritik immer auf. Ja, es gab Verbesserungspotenzial in unserem Arbeitsmarkt, sowie in vielen Ländern auch. Reformen waren schon immer Teil unseres Plans, und wir haben sie frühzeitig umgesetzt. Heute sind wir bei den Rechten der Arbeiter führend in der ganzen Region: Katar hat den Mindestlohn eingeführt, Arbeiter können jetzt leichter den Job wechseln, es gibt Gesundheitsschutz und bessere Unterkünfte für Arbeiter. Es gilt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Unternehmen, die Katars Arbeitsschutzgesetzte verletzen. Wenn es darum geht, Arbeitskräfte dauerhaft für Katar zu begeistern, braucht man solche Standards.
Der Emir musste Katar bereits durch eine mehrjährige Blockade durch Saudi-Arabien, Bahrein, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate navigieren. Was macht Sie so sicher, dass so etwas nicht noch einmal passiert?
Wir glauben an die Kraft der Diplomatie und des Dialogs. Wir müssen nach vorne schauen und zum Wohl unserer Region zusammenarbeiten.
Alle Scheinwerfer sind in diesem Jahr auf Katar gerichtet, spätestens ab der Fußball-WM. Je erfolgreicher Katar wird, desto misstrauischer werden die Nachbarn sein.
Es soll eine Win-Win-Situation sein. Wenn Katar wächst, ist das ein Vorteil für die ganze Region. Katar sitzt nicht in einem Vakuum. Wir haben unsere regionalen Partner, handeln mit ihnen. Wenn sie wachsen, wachsen wir auch.
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