Energieversorgung Wenn Atomkraft, dann bitte jetzt ganz schnell

Die meisten deutschen AKWs werden bereits zurückgebaut, wie hier im bayerischen Grundremmingen. Quelle: Imago

Neben dem Klimaschutz spräche jetzt bei einem Verzicht auf Putins Gas auch die Versorgungssicherheit für Atomkraft. Doch wenn nicht bald wichtige Entscheidungen fallen, entscheidet die Zeit den Disput. Ein Kommentar.

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Nun mischt sich auch noch Elon Musk in die Debatte ein: „Ihr solltet nicht nur die laufenden Kernkraftwerke nicht abschalten, ihr solltet auch die abgeschalteten wieder in Betrieb nehmen“, sagte der Tesla-Chef der „Welt“: „AKW jetzt abzuschalten, ist verrückt.“

Der Tesla-Boss, der nach eigenen Angaben gern „in Möglichkeiten statt in Problemen“ denkt, macht es sich wieder mal etwas einfach. Die abgeschalteten deutschen AKW sind zum Teil schon physisch im Rückbau. Sie wieder in Betrieb zu nehmen, wäre ein extremer Aufwand. Also zu den noch laufenden Meilern: Ja, es gäbe gute Argumente, sie weiter laufen zu lassen. Die Atomenergie erzeugt kaum CO2. Sind die hohen Baukosten abgeschrieben, ist Atomstrom auch günstig. Zumindest, wenn man ein paar Risiken, etwa das noch nicht gefundene Endlager, externalisiert. Vor allem: Atomkraft liefert zuverlässig, auch im dunklen Winter.

Genau dann wird Deutschland künftig um jede Kilowattstunde kämpfen. Denn nach dem Klimaproblem, das den Kohlestrom ins Aus drängt, hat Putins brutaler Angriff auf die Ukraine nun auch noch die Lieblings-Übergangslösung der deutschen Politik infrage gestellt: russisches Gas. Die erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne sind zwar schon billig, liefern aber nur flatterhaft, ihr Ausbau ging in der Ära Angela Merkel viel zu langsam voran, es fehlt an besseren Netzen und Speichern. Hat Musk also Recht?

Theoretisch ja: Zwar wird der allergrößte Teil des russischen Gases nicht verstromt, sondern heizt Gebäude und befeuert die Industrie. Aber immerhin: Ziemlich genau die zwölf Prozent russischen Gases, die in Gaskraftwerke fließen, könnten die verbleibenden 3,8 Gigawatt Atomkraft ersetzen.

Nur: Die Frage stellt sich bald gar nicht mehr. Denn wenn die Politik sich nicht sehr schnell einigt, ob eine Laufzeitverlängerung mit allen Mitteln versucht werden soll oder nicht, wird der Streit von selbst entschieden: Das Zeitfenster dafür schließt sich gerade zügig. Schon jetzt wäre der Aufwand enorm. Technisch möglich wäre es vielleicht noch, wenn man die Kosten ignoriert. Personal müsste aus dem Ruhestand geholt, die brachliegende Ausbildung schnell wieder aufgebaut werden. Die drei verbliebenen Meiler müssten vor allem zügig in den Streckbetrieb gehen und Brennstäbe sparen. Das Kalkül: Über den Sommer, wenn die Sonne die Lücke gut schließen kann, würden die Meiler mit halber Kraft laufen und so etwas Brennmaterial für den kommenden Winter sparen. Denn neue zu beschaffen, einer der wenigen Punkte, in dem Gegner und Befürworter sich einig sind, würde jetzt schon viel zu lange dauern, um die AKW nach dem 31. Dezember lückenlos weiter zu betreiben.

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Ob das jetzt noch sinnvoll oder der Aufwand bereits viel zu hoch ist, ist heftig umstritten. Der ökonomische Point-of-no-Return wurde vermutlich 2019 überschritten. Damals gab es noch reichlich Gas. Fest steht: Wenn jetzt noch ein paar Wochen nichts passiert, ist der Streit vorbei. Putins Gas wird dann zunächst mit Kohlestrom und Flüssiggas ersetzt – wenn man es denn bekommt.

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