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Energiewende Der Vorführeffekt des Horst Seehofer

Mit seinen nun bekannt gemachten Vorstellungen zur Förderung der erneuerbaren Energien will der bayerische Ministerpräsident vor allem eins: die SPD und die Schwesterpartei CDU in der Berliner Großen Koalition vorführen.

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Was Verbraucher zahlen
Stromverbraucher finden bei der Zusammensetzung des Strompreises einen Posten namens EEG-Umlage. Sie ist seit dem Jahr 2000 im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verankert, um Ökoenergien zu fördern. Quelle: dpa
Derzeit sind 3,59 Cent je Kilowattstunde zu zahlen. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr sind das für eine Familie Ökoförderkosten von 125 Euro pro Jahr. Gezahlt wird die Differenz zwischen dem Marktpreis, etwa für eine Kilowattstunde Solarstrom, und dem festen Fördersatz. Ein Beispiel: Quelle: dpa
Derzeit bekommt ein Hausbesitzer mit einer Solaranlage auf dem Dach 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Wird der Strom an der Strombörse für 7 Cent verkauft, müssen die Verbraucher 12,5 Cent über die EEG-Umlage bezahlen. Quelle: dpa
Die Verwalter des Umlage-Kontos, die Übertragungsnetzbetreiber, berechnen angesichts der Anlagenzahl und Erfahrungswerten beim Wetter die möglichen Förderzahlungen und geben immer zum 15. Oktober eine Umlage für das kommende Jahr an. Verrechnen sie sich, wird das mit der nächsten Umlage korrigiert. Für 2013 werden Steigerungen bei der Umlage vorausgesagt. Quelle: dpa
Diese wären aber nicht primär dem rasant steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix (derzeit 20 Prozent) anzulasten. Industrieunternehmen wurden teilweise von Ökoförderkosten befreit, um sie in Deutschland zu halten. Gleiches gilt für Netznutzungskosten. Lasten werden also auf weniger Schultern verteilt. Quelle: dpa
Hinzu kommt eine teure Marktprämie für Besitzer von Wind- und Solarparks, die Strom selbst vermarkten. Und die mögliche Steigerung liegt in der Umlageberechnung begründet. Da immer mehr Solarstrom mittags den Börsenstrompreis senkt, wächst die Differenz zum Fördersatz und damit die Kosten für die Bürger. Der Solarstrom wird so also Opfer des eigenen Erfolges. Quelle: dpa

Was will Horst Seehofer? Mit seiner jüngsten Forderung, die Umlage für erneuerbare Energien aus Sonne oder Wind bei spätestens acht Cent je Kilowattstunde Strom zu deckeln, erreicht der Münchener Ministerpräsident dreierlei: Er führt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, zeigt ihm, dass nicht dieser als federführender Minister es in der Hand hat, Lösungen zu finden, damit der Umstieg von herkömmlicher Energieerzeugung auf erneuerbare Quellen bezahlbar bleibt. Er möchte zweitens nicht mitverantwortlich sein für diese Energiewende, die eine Bundesregierung mit CSU-Beteiligung zimmert, gegen die er aber regelmäßig schießt. Und er spielt drittens insgesamt Opposition gegen Berlin. Kann sich die Große Koalition bei dieser erdrückenden Mehrheit doch leisten, oder? Zudem sind in Bayern bald Kommunalwahlen und die Provinz, oft auch Populismus, geht bei dieser Partei immer vor.

Was hat Seehofer gefordert? Er will, neben anderen heute öffentlich verschickten Forderungen an Energieminister Gabriel, dass die Umlage, die die meisten Stromkunden für den Ausbau der Erneuerbaren bezahlen, bei spätestens acht Cent je Kilowattstunde gedeckelt wird. Heute liegt diese so genannte Umlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) bei 6,24 Cent  - mit steigender Tendenz. Das liegt am Zubau an Solarkollektoren und Windparks landauf und landab, es liegt auch an den umstrittenen Ausnahmen für Industriebetriebe, die sich wohl nicht alle im harten internationalen Konkurrenzkampf befinden und zusätzlich stromintensiv sind. Das liegt zum Dritten an einer fragwürdigen Formel, die die Umlage nämlich dann zusätzlich steigen lässt, wenn Strom an der Börse billiger wird. Die rundum abgesicherten Betreiber von Sonnenkollektoren und Windrädern bekommen 20 Jahre lang einen Abgabepreis garantiert - entsprechend steigt die Differenz, die per Umlage zugeschossen wird.

Das führt zur zentralen Frage: Wie realistisch ist das überhaupt? Ein Deckel für die Umlage klingt gut, ist aber nicht zu schaffen, wenn nicht andere Dinge beschlossen werden. Schließlich kann die EEG-Umlage sogar steigen, wenn bei acht Cent, wie von Seehofer gefordert, keine neuen Anlagen mehr gefördert würden. Denn je billiger der Börsenpreis, desto größer der Unterschied zum garantierten Betrag der EEG-Profiteure, die schon Anlagen stehen haben. Und mit Einschnitten bei denen, überhaupt mit mehr Markt bei den vielen bayerischen Solarstadl-Besitzern oder Bio-Kraftwerkern tut sich Seehofer schwer. Die Stromsteuer soll es nach dem Willen des CSU-Anführers richten. Das wäre am Ende aber eine Finanzierung auf Pump und würde nichts effizienter machen. Die Stromsteuer fließt bisher in den allgemeinen Etat und würde dann dort fehlen. Einen ähnlichen Vorschlag seiner bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hatte er jüngst noch abgeschmettert.

Aber an Horst Seehofer prallt vieles ab, egal wie widersprüchlich er sich in Sachen Energiewende immer wieder einbringt, egal wie "geschwätzig" er Verhandlungen über die Öffentlichkeit und nicht in direkten Gesprächen führt. Und so zeigt sich, wie überheblich diese Große Koalition regieren kann. Was scheren uns diese Kleinparteien im Parlament? Wir spielen selbst Opposition und können uns das sogar leisten: Keiner der zentralen Köpfe von Union und SPD hat ein Interesse daran, das Bündnis platzen zu lassen und ein bisschen Radau greift die Mehrheit auch nicht an. Glaubwürdigkeit ist da weniger wichtig.

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