Frau Herntier, Sie sind Bürgermeisterin von Spremberg in der Lausitz und gerade in die Kohle-Kommission berufen worden, die über einen Ausstieg aus der Braunkohle beraten soll. Sie vertreten darin eine Region, die von diesem Energieträger lebt. Werden Sie blockieren, wo immer Sie können?
Christine Herntier: Ganz im Gegenteil. Ich werde nicht blockieren und ich werde vollkommen angstfrei an diese Aufgabe herangehen. Die Kommission trägt den offiziellen Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – und genau darauf werde ich pochen: dass wir diese Aufgabe ernst nehmen, diesem Anspruch gerecht werden.
Zur Person
Christine Herntier ist Bürgermeisterin in Spremberg in der Lausitz. Seit dieser Woche gehört sie der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ an, die die Bundesregierung berufen hat. Bis Ende 2018 soll das Gremium Empfehlungen für den künftigen Umgang mit der Braunkohle abgeben.
Was wäre dann aus Ihrer Sicht ein Erfolg?
Wenn wir die Voraussetzungen schaffen für neue, gut bezahlte Jobs und innovatives Wachstum. Eins ist doch ganz klar: Es muss erst frische Substanz entstanden sein, bevor wir unsere gewachsene Kohle-Industrie zu Grabe tragen – wohlgemerkt: eines fernen Tages. Denn von heute auf morgen darf und wird das nicht passieren.
Aber die Bundesregierung will die Energiewende vorantreiben, muss ihre nationalen Klimaschutzziele und globale Verpflichtungen einhalten. Wir soll das funktionieren, wenn Braunkohle vielleicht noch bis in die Vierzigerjahre verfeuert wird?
Sehen Sie, genau solche Aussagen schüren Ängste bei unseren Bürgern. Wir in der Lausitz haben genügend Erfahrungen mit Strukturbrüchen und Umwälzungen gemacht – und vor allem haben wir sehr schlechte Erinnerungen an ideologiegetriebene Wirtschaftspolitik. Und auch der Ausstieg aus der Kohle auf Teufel komm raus wäre genau das: ökologische Ideologie, die an der Realität bei uns vor Ort komplett vorbeigeht.
Was wäre dann ihr ganz konkreter Wunsch?
Dass es kein festes Enddatum für die Braunkohle gibt, sondern einen Korridor. Und der wiederum muss zuallererst davon abhängen, wie schnell wir mit der Ansiedlung neuer Firmen, mit modernen Industrien vorankommen. Und, ob es genügend Stromspeicher und Netze für die Erneuerbaren gibt. Alles andere wäre Harakiri, für den Standort Deutschland und den Standort Lausitz.
Also stehen Sie doch auf der Bremse.
Nein, ich gebe Gas für den Strukturwandel. Wir können nur keinen Ausstieg vollziehen, bevor uns ein Einstieg gelungen ist. Punkt. Und nur, damit das auch einmal gesagt ist: Wir akzeptieren nicht, wenn man uns als „Dreckschleudern“ bezeichnet oder als „Klimakiller“ in die Ecke stellt. Von unserer Kohle, von unseren ehrbaren Arbeitnehmern, lebt die deutsche Industrie. Wer daraus ein Problem macht, hat nichts verstanden.