Als der Bauernsohn Aloys Wobben vor mehr als dreißig Jahren im kleinen Nest Aurich in Ostfriesland den Windanlagenbauer Enercon gründete, war von Klimaschutz und Energiewende noch keine Rede in Deutschland. Im selben Jahr als Wobben Enercon gründete, gingen vier neue Atommeiler in Deutschland ans Stromnetz.
Doch der junge Ingenieur Wobben stellte den Prototypen seiner ersten Windkraftanlage bei befreundeten Landwirten auf den Acker und produzierte damit Strom. Bauern und Bürger investierten in die grüne Stromerzeugung. Nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl nahm das Interesse an Ökostrom zu. Im Jahr 1991 sprang der Staat den Windbauern zur Hilfe. Er verpflichtete die großen Netzbetreiber, den erzeugten Strom der Windbauern abzunehmen. Außerdem bezahlte der Staat allen Wind- wie auch den Solarstrompionieren eine Mindestvergütung für ihren produzierten grünen Strom. Der Grundstein für die Energiewende war gelegt.
Im Jahr 2000 kam es noch besser für die Ökostrom-Erzeuger: Der Staat gewährte allen grünen Stromproduzenten nicht nur eine garantierte staatliche Vergütung, sondern garantierte den Erneuerbaren auch bevorzugte Einspeisung ins Stromnetz. Finanziert wird das Ganze vom Stromkunden über Umlagen, festgelegt im Erneuerbare-Energien-Gesetz – kurz EEG.
Der Bauernsohn Wobben ist mit seiner Firma Enercon heute nicht nur einer der größten Windkraftanlagenhersteller in Deutschland, sein Unternehmen ist - mit zahlreichen Tochterunternehmen und über 14.000 Beschäftigten - auch ein führender Player im globalen Windgeschäft. Weltweit hat Enercon mehr als 24.000 Windkraftanlagen installiert.
Streit um Ökostrom: Die Branche zieht alle Register
Keine Frage – Enercon zählt zu den Pionieren in Sachen Energiewende. Und heute ist der Siegeszug der Öko-Energien nicht mehr aufzuhalten. Sie haben den gesamten Energiemarkt komplett durcheinandergewirbelt. Die großen Versorger wie E.On, RWE und EnBW, die lange nicht an den Erfolg des grünen Stroms glaubten, stehen heute als Verlierer der Energiewende da. Beim Konzernriesen RWE liegt derzeit der Anteil der Erneuerbaren an der produzierten Stromkapazität nur unter zehn Prozent. Die Essener produzieren immer noch mehr als 30 Prozent ihres Stroms mit der klimaschädlichen Braunkohle und rund 20 Prozent mit Steinkohle.
Mit Hilfe vieler kleiner und mittelständischer Ökostromproduzenten ist der Anteil von Solar- und Windstrom am Stromverbrauch in Deutschland schon bei rund 32 Prozent und soll, so der Plan der Bundesregierung, bis zum Jahr 2050 auf 80 Prozent steigen. Das ist auch gut so, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will.
Windstrom ist günstiger als Kohle- oder Atomstrom
Doch das funktioniert auch mit weniger Milliarden, die der Staat über den Steuerzahler jährlich in den grünen Markt pumpt. Insgesamt müssen Verbraucher und Wirtschaft derzeit pro Jahr bis zu 24 Milliarden Euro per Umlagen für den Ausbau der grünen Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse bezahlen.
Dabei ist schon heute an guten Standorten die Stromerzeugung mit Windanlagen an Land auch ohne Förderung günstiger als Strom aus Kohle- oder aus Kernkraftwerken. Windturbinen werden immer effizienter, Windparks können aus der Ferne gesteuert werden. Zwischen 2010 und 2014 sind die Kosten für die Erzeugung von Windstrom um ein Drittel gesunken.
Wenn der Staat nun also die öffentliche Förderung der Erneuerbaren zurückschrauben will, dann ist das überfällig. Viele Jahre schon profitieren Unternehmen wie Enercon vom süßen Gift staatlicher Subventionen. Ihr Geschäft ist längst marktreif.
Kernpunkte der geplanten EEG-Reform
Im Kern sieht die Reform des Fördersystems für Ökostrom vor: Ab 2017 werden die festen Einspeisevergütungen für Solar- und Windstrom an Land und See über Auktionen ermittelt. Die bisher auf 20 Jahre gesetzlich festgelegten Vergütungen für die Kilowattstunde erneuerbar erzeugten Stroms sollen nur noch für Nischentechnologien wie Geothermie oder Grubengas gelten.
Für alle anderen gilt: Die Auktion für den Bau einer Wind- oder Solaranlage gewinnt der Anbieter mit dem besten Angebot – also wer mit der geringsten Förderung auskommt. Erreichen will die Bundesregierung damit vor allem eines: die Energiewende soll kostengünstiger für den Verbraucher werden.
Um den Ausbau von Wind an Land zurückzuschrauben, sollen die garantierten Abnahmepreise im ersten Quartal 2017 einmalig um 7,5 Prozent gesenkt werden, heißt es im Beschlussvorschlag des Bundes für ein Treffen mit den Ländern. Die Kürzung soll für neue, genehmigte Windräder in den Jahren 2017 und 2018 greifen.
Ausnahmen für Energiegenossenschaften
Es gibt Ausnahmen bei dem geplanten Ausschreibungssystem für kleinere, lokale Bürgerenergiegesellschaften. Damit soll sichergestellt werden, dass diese auch bei Auktionen um Wind- oder Solarparks mitbieten können. So will die Bundesregierung verhindern, dass diese Genossenschaften zu hohe Kosten für die Vorentwicklung tragen müssen, wenn sie dann doch nicht den Zuschlag bekommen sollten.
Ausnahmen gibt es auch beim Systemwechsel bei Windanlagen auf dem Meer. Alle Projekte, die bereits weit fortgeschritten sind, werden in einer Übergangsphase von 2021 bis 2024 ausgeschrieben. Erst ab 2025 werden Flächen für die Windenergie auf See vom Bundesamt für Seeschifffahrt in Hamburg voruntersucht. Dann sollen nur geeignete Flächen für Windparks auf See zentral ausgeschrieben werden. Ausbauziel für Wind auf See sind für das Jahr 2020 6,5 Gigawatt und für das Jahr 2030 15 Gigawatt. Diese Ausbaumengen werden gleichmäßig auf die Jahre 2021 bis 2030 verteilt.
Keine Erfahrungen mit Ausschreibungen für Wind
Die Wind- und Solarverbände sowie Umweltschützer kritisieren die Pläne der Bundesregierung massiv. Vor dem Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundesregierung über die Ökostrom-Reform forderten die Grünen die Ministerpräsidenten auf, die EEG-Reform (Erneuerbaren Energien Gesetz) abzulehnen. Sie fürchten, dass die Energiewende damit ins Stocken gerät. Die Lobbyverbände warnen vor einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen vor allem in der Windbranche.
Richtig ist: Mit Auktionen für Öko-Energie gibt es hierzulande kaum Erfahrungen. Das geplante neue System muss sich erst noch beweisen. Sinken die Kosten damit tatsächlich? Erhöht sich nicht der bürokratische Aufwand mit solchen Auktionen? Mehr Wettbewerb führt sicher zu einem Verdrängungswettbewerb von kleineren Anbietern. Einige Anlagenbauer und Betreiber wird diese Reform dazu zwingen, ihre Kosten zu senken und ihr Geschäft internationaler aufzustellen, um nicht nur abhängig vom stark regulierten Geschäft in Deutschland abhängig zu sein.
Trotzdem ist es sinnvoll, den Ausbau der Windenergie stärker zu planen. Schon seit Jahren müssen Windanlagen immer wieder abgeregelt werden, weil die Netze die Strommenge aus Kapazitätsgründen nicht mehr transportieren können. Dringend notwendig ist also entweder das Stromnetz auszubauen, um die grüne Energie auch dorthin transportieren zu können, wo sie gebraucht wird. Eine Alternative wäre, mehr konventionelle Kraftwerke abzustellen, die Strom aus klimaschädlichen Brennstoffen wie Kohle produzieren.
Deckel für die Solarenergie
Die Überlegung, den Ausbau der Windenergie an Land vorübergehend zu begrenzen, solange es weiterhin zu großen Engpässen im Netz kommt, erscheint vor diesem Hintergrund zumindest naheliegend. Dass die Windproduzenten davon nicht begeistert sind, ist nachzuvollziehen. Nachzuvollziehen ist aber auch, dass es für Negativstrompreise, wenn – wie am vergangenen langen Wochenende über den 8. Mai - zu viel Ökostrom produziert wird, nicht auch noch automatisch eine staatliche Vergütung gezahlt werden kann.
Streit zwischen Verbänden und Regierung herrscht außerdem über die geplanten Ausschreibungsverfahrungen von Solarstromanlagen auch im Gebäudebereich sowie über die zukünftige Förderung von Solaranlagen. Einerseits will die Bundesregierung wieder mehr Solarstrom fördern. Gleichzeitig deckelt sie die Solarleistung auf insgesamt 52 Gigawatt. Ist diese Menge erreicht, soll eine Förderung für die Produktion von Solarstrom ganz eingestellt werden. Derzeit sind in Deutschland insgesamt gut 40 Gigawatt Solarleistung gebaut.
Der Ausbau geht bei Solar sehr langsam voran. Tatsächlich schafft die Bundesregierung schon für dieses Jahr die angepeilten Ausbauziele bei Solarstrom nicht. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden 2015 von den angestrebten 2500 Megawatt nur 1400 Megawatt realisiert.
Die Solarstromverbände warnen, Förder-Auktionen von Photovoltaikanlagen würden scheitern. Die komplexen, kleinteiligen Projekt- und Investorenstrukturen stünden dem entgegen.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
Durchbruch für die EEG-Reform wieder dauern
Das vorliegende Beschlusspapier der Bundesregierung zur Ökostromreform zeigt, dass sogar der Bund sich in vielen Fragen einig ist, denn längere Passagen in dem Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt, sind noch in Klammern gefasst. So findet sich auch die eigentlich vom Bund angepeilte jährliche Ausbauzahl von je 2,5 Gigawatt Windenergie an Land und Photovoltaik in dem Konzept nicht. Festgehalten wird jedoch daran, dass bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen soll.
Nicht zu Unrecht weist Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor dem Spitzentreffen auf das Hauptproblem fehlender Stromnetze hin. „Das eigentliche Problem ist, wenn wir uns berauschen an der Zahl des Zubaus und nicht sehen, dass wir die Netze nicht dafür haben und dies für den Verbraucher etwas sehr Teures werden kann.“