Enquete-Kommission für Berufliche Bildung „Mangel an kompetenten Lehrern ist ein großes Problem“

Auszubildende programmieren einen Industrieroboter im Mechatronik-Raum im Ausbildungszentrum im BMW-Werk Leipzig Quelle: dpa

Die berufliche Bildung soll attraktiver werden. Zu diesem Zweck gibt es eine Enquete-Kommission des Bundestags. Ihr Vorsitzender Stefan Kaufmann stellt den Trend zur Akademisierung in Frage.

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WirtschaftsWoche: Der Bundestag setzt eine Enquete-Kommission gewöhnlich dann ein, wenn es ein grundlegendes politisches Problem gibt, das nach Lösung verlangt. Die berufliche Bildung steckt in einer Akzeptanzkrise.
Eine Krise würde ich es nicht nennen. Klar ist: Es gibt einen Trend zu einer formalen Höherqualifizierung, zum Abitur. Und das setzt unser System der dualen Berufsausbildung unter Druck, weil immer mehr junge Menschen eine akademische Bildung anstreben.

Deutlich mehr als die Hälfte eines Jahrgangs sind das mittlerweile.
Ja, wir haben eine Abiturquote von über 50 Prozent. Wir wissen zwar aus Befragungen, dass die berufliche Bildung immer noch einen hohen Stellenwert hat bei jungen Menschen. Schließlich haben zum Beispiel im Jahr 2017 rund 515.000 Jugendliche einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Trotzdem ist für junge Abiturienten die Entscheidung für ein akademisches Studium eben naheliegend. Und darum tun sich Unternehmen zunehmend schwer, junge Menschen zu finden, die eine berufliche Ausbildung anstreben.

Ist die Einrichtung der Enquete-Kommission nicht auch ein Eingeständnis, dass offensichtlich die gesamte Bildungspolitik der vergangenen Jahrzehnte ein Holzweg war? Die Fixierung des Bildungssystems auf das Hochschulstudium war und ist schließlich politisch gewollt.
Uns als Unionsparteien geht es generell darum, mit dieser Kommission zu verdeutlichen, dass die berufliche Bildung gestärkt und attraktiver werden muss. Einerseits geht es uns in der Enquete-Kommission natürlich um die Zukunft der beruflichen Bildung im Verhältnis zur akademischem Bildung, um deren Qualität und Attraktivität. Aber ein besonderer Schwerpunkt für uns sind eben auch die Herausforderungen der Digitalisierung. Dieser Megatrend ist im Grunde der rote Faden, den wir bei allen zu behandelnden Themen mitdenken.

Natürlich war es politisch gewollt, dass mehr Menschen Abitur machen – vor allem von den linken Parteien. Von denen ging die Politik der Öffnung der Schulformen aus und auch die Einführung von Gesamtschulen, die mehr junge Leute zum Abitur führen sollen. Das geschah dementsprechend auch nicht in allen Bundesländern gleichermaßen. In Baden-Württemberg zum Beispiel war es die rot-grüne Regierung, die die verbindliche Gymnasialempfehlung abgeschafft hat. Daraufhin sind die Übergangszahlen von den Grundschulen an die Gymnasien sprunghaft gestiegen, weil zum politischen Willen auch der Willen der Eltern kommt.

Jetzt ist die Frage, ob man den Trend umkehren kann und ob man das will. Und man kann sich fragen, ob das Abitur zukünftig noch eine hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Studiums ist. Aber auch, ob es nicht bessere Wege vom Abitur in die berufliche Bildung geben soll. Wir werden uns auch über eine bessere Berufsorientierung an den Gymnasien unterhalten und tun das aktuell bereits, wie zum Beispiel in der Sitzung der Enquete-Kommission im April 2019, wo genau dieses Thema auf einem Podium mit jungen Menschen diskutiert wurde.

Der Abschlussbericht soll im Sommer 2021 fertig sein. Wie wird die Arbeit in der Kommission organisiert?
Wir treffen uns einmal im Monat mit der großen Kommission. Dazu gehören 19 Bundestagsabgeordnete nach der Größe der Fraktionen und ebenso viele von diesen berufene Sachverständige. Wir haben bereits jetzt drei Projektgruppen gebildet, im nächsten Jahr werden drei weitere folgen. Und 2021 folgt noch eine abschließende Projektgruppe, die das Thema Finanzierung in den Blick nehmen wird. Die erste Projektgruppe heißt „Herausforderungen der Digitalisierung für die berufliche Bildung“, eine zweite kümmert sich um die Veränderung der Ausbildung in den Betrieben und die dritte blickt auf die berufsbildenden Schulen. Diese Projektgruppen tagen vor der großen Runde und werden Ende dieses Jahres je einen Bericht veröffentlichen, der dann in den Abschlussbericht einfließen wird.

An den Berufsschulen ist man vor allem über den Lehrermangel und besonders über das Fehlen entsprechender Studiengänge besorgt.
Dieser Mangel ist ein großes Problem. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung ist es eine große Herausforderung, Lehrkräfte zu gewinnen, die die Kompetenz haben, digitale Inhalte zu vermitteln. Das wird bei unseren Empfehlungen einer der wichtigsten Knackpunkte sein. Es wird da nicht nur um Fragen der Finanzierung, sondern auch der politischen Verantwortung gehen. Viele unserer Forderungen werden sich aufgrund der föderalen Zuständigkeiten an die Bundesländer richten. Wir werden wahrscheinlich die Länder auffordern, im Bereich der Kompetenzförderung der Berufsschullehrer sehr viel mehr zu tun. Wir haben da als Bund nicht den Hut auf.

Ich wage einmal die Prophezeiung, dass in dem Bericht stehen wird, dass der Bund ähnlich wie beim Hochschulpakt und beim Digitalpakt auch zur Verbesserung der beruflichen Bildung einen höheren Anteil der Lasten als bisher tragen soll. Irre ich mich?

Natürlich wird am Ende die Frage stehen, ob sich der Bund noch stärker engagiert. Ich gebe aber zu bedenken: Wir haben als Bund schon das BAföG für Auszubildende und das Meister-BAföG erhöht. Beim Digitalpakt übrigens sind auch die berufsbildenden Schulen neben den allgemeinbildenden dabei. Wir haben auf Betreiben der CDU auch einen bundesweiten Wettbewerb angestoßen für besonders gute Modelle der dualen Ausbildung, eine Art Exzellenzinitiative für Berufsbildung. Das alles zeigt den Willen der Koalition und vor allem der Union, die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung auch mit haushalterischen Mitteln zu unterlegen. Übrigens ist die Einsetzung unserer Enquete-Kommission auch schon ein Mittel, um die öffentliche Wahrnehmung zu stärken.

Gibt es jetzt schon, etwa ein halbes Jahr nach der Konstituierung, erkennbare Konflikte zwischen den Parteien?

Das kann ich noch nicht feststellen. Die Gegenstände der Experten-Anhörungen beschließen wir im Konsens. Spannend wird es natürlich, wenn wir mit der Text-Arbeit für den Abschlussbericht beginnen. Bei der Formulierung der Zielsetzungen merkte man, dass die Parteien unterschiedliche Themen in den Vordergrund rücken wollen. Aber auch da gibt es viel Einigkeit. Im Moment sind wir eher dabei, viel Expertise aufzusaugen. Wir haben zum Beispiel in einer der vergangenen Sitzungen die Erfahrungen der Österreicher und Schweizer mit der Anerkennung informeller Kompetenzen untersucht.

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