Entscheidung wohl am 21. Dezember EMA zieht Termin vor: Impfstart vor Weihnachten?

Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (rechts) bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin. Quelle: imago images

Kann Deutschland doch noch vor Weihnachten mit dem Impfen beginnen? Gesundheitsminister Spahn nährt diese Hoffnung. Nun setzt die EU-Behörde EMA einen früheren Termin an. Gibt sie damit dem Druck der Politik nach?

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„Die Lage ist so ernst, wie sie noch nie war in dieser Pandemie“, sagte Lothar Wieler Präsident des Robert-Koch-Instituts am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Zahlen der Infektionen und der Toten seien zu hoch. Im Moment infizierten sich viel zu viele Menschen und: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Situation über Weihnachten nochmal zuspitzen wird.“ Gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn appellierte er an die deutsche Bevölkerung, den Lockdown ernst zu nehmen. In Zahlen hieß das am Dienstagmorgen: 14.432 neue Fälle und 500 Todesfälle binnen eines Tages, die von den Gesundheitsämtern an das RKI übermittelt wurden.

Während die Zahlen weiter steigen und die Bitten und Aufrufe von Politik und Medizinexperten noch eindringlicher werden, blicken viele Menschen allerdings gerade vor allem auf die Meldungen, die eine konkrete Frage beantworten: Wann beginnen wir in Deutschland mit dem Impfen? Meldungen, es könnte noch vor Weihnachten so weit sein, sorgen knapp zehn Tage vorm Weihnachtsfest für Furore.

In der Europäischen Union setzte man bislang bei der Impfstoffzulassung auf Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Bis zum 29. Dezember, so die Zielmarke der EMA, der europäischen Behörde, sollte der Impfstoff seine Genehmigung bekommen. Nach ausführlicher Prüfung und klarer Abwägung. Zweifel an der Zulassung hat eigentlich kein ernstzunehmender Experte, aber dennoch sollte alles rechtens, stichhaltig und nicht anfechtbar zugehen. Eine Notfallzulassung war nicht geplant. Anders als in Großbritannien – und dann auch weiteren Ländern wie den USA oder Kanada. Aufgrund der speziellen Eilzulassungsverfahren für den Notfall konnte dort bereits mit den Impfungen begonnen werden. Und Europa schaut zu, wie die Bilder von ersten Impfungen um die Welt gehen. Wenig überraschend, dass nun auch auf dem Kontinent die Unruhe und Ungeduld steigt, ebenfalls schnell beginnen zu wollen.

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Nun kündigte die EMA am frühen Dienstagnachmittag überraschend an, dass es einen neuen Zieltermin gibt: Montag, den 21. Dezember. An diesem Termin soll nun das außerordentliche Treffen stattfinden, an dem womöglich die Evaluation abgeschlossen und der Impfstoff von Biontech und Pfizer zugelassen werden könnte, schrieb die EU-Behörde in einer Mitteilung.

Diese Wende überrascht nicht zuletzt deshalb, weil die EMA erst am Dienstagmittag über eine Sprecherin in Amsterdam noch verkünden lassen hatte , dass man weiterhin vom 29. Dezember als möglichem Zulassungstermin ausgehe. Auch wenn ein früherer Zeitpunkt nicht auszuschließen sei. Während des laufenden Prüfverfahrens werde auch der Zeitrahmen laufend angepasst.

Experten hatten in den vergangenen Wochen immer wieder zur Geduld gemahnt, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Richtig zu prüfen. Zuletzt hatten sich aber die Stimmen der Zweifler in der Politik gemehrt, warum die EU so lange brauche während andere Länder bereits, teilweise seit Wochen, impfen.

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In der Pressekonferenz mit RKI-Chef Wieler machte Bundesgesundheitsminister Spahn deutlich, dass er auf einen baldigen Start von Impfungen gegen das Coronavirus setzt. Man dürfe optimistisch sein, dass eine Impfstoff-Zulassung am 23. Dezember erfolgen könne, sagte der CDU-Politiker in Berlin. Dies sei „eine gute Nachricht für die Europäische Union“. Ziel sei, eine europäische Impfstoff-Zulassung noch vor Weihnachten zu erreichen und dann in Deutschland noch vor dem Jahreswechsel mit dem Impfen beginnen zu können. Er verteidigte es, keine Notfallzulassung vorzusehen, sondern ein reguläres Verfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Dies sei wichtig für das Vertrauen in Impfstoffe.

Nichtsdestotrotz hatte ausgerechnet der deutsche Gesundheitsminister am Sonntag beim Kurznachrichtendienst Twitter den Druck auf die EMA erhöht. So hatte er die Behörde in seinem Tweet aufgefordert, sie solle die Zulassung „schnellstmöglich“ auf den Weg bringen: „Jeder Tag, den wir früher beginnen können zu impfen, mindert Leid und schützt die besonders Verwundbaren.“



Experten raten zu Geduld – wenn nötig bis zum Jahresende

Unter Experten sorgte Spahns neuer Kurs für Unmut. „Ich wundere mich, dass Politiker wie Jens Spahn, die das Thema der Anforderungen an die Zulassung im Detail nicht kennen, mit Aussagen zu einer schnelleren Impfzulassung an die Öffentlichkeit gehen“, sagte Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft der WirtschaftsWoche. Ludwig gehört dem Management-Board der EMA an und plädiert dafür, den geplanten Prozess zu befolgen, nach dem die EMA spätestens am 29. Dezember ihre Empfehlung zu dem Impfstoff von Biontech und Pfizer veröffentlichen will. Gemeinsam mit anderen Experten verweist Ludwig auf ein nicht allzu fernes Beispiel, bei dem ebenfalls politischer Druck auf die EMA ausgeübt wurde, einen Arzneistoff frühzeitig bedingt zuzulassen, um schneller gegen Covid-19 aktiv werden zu können: Remdesivir. Ein Medikament, dass sich spätestens Ende November als nutzlos im Kampf gegen Corona herausstellte, als sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen den Einsatz von Remdesivir bei Corona-Patienten aussprach und vor den Nebenwirkungen sogar warnte. (Mehr dazu können Sie hier nachlesen.)


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Wer die Situation realistisch betrachtet, sollte aber ohnehin bedenken: Egal, wann und wie schnell die Zulassung der Impfstoffe kommt und die Impfungen beginnen: „Klar ist, dass es zunächst sehr viel weniger Impfstoff geben wird als benötigt“, sagte etwa Juan Andres im November, Technikvorstand beim Pharmakonzern Moderna, der aktuellen Nummer zwei im Rennen der Impfstoff-Entwickler.

Mehr zum Thema: Impfstoffpreise: Wer spielt fair, wer hält Maß, wer sahnt ab?

Mit Material von dpa

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